Aus den Ländern

Die Homöopathie und ihre Kinder

Historischer Überblick von Hahnemann bis in die Gegenwart

Am 14. Dezember 2017 fand in der Universität des Saarlandes eine pharmaziehistorische Vortragsveranstaltung über „Die Entstehung der modernen Homöopathie“ statt, zu der die Regionalgruppen der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie eingeladen hatten. Prof. Dr. ­Michael Mönnich, stellvertretender Direktor der KIT-Bibliothek Karlsruhe, bot den Hörern eine anschauliche Analyse der verschiedenen Entwicklungswege, die die Homöopathie seit Hahnemann bis in die Gegenwart durchlaufen hat.

Den Ausgangspunkt des Vortrags bildete ein biografischer Abriss Samuel Hahnemanns (1755 – 1843). Er hatte seine neue Lehre als Gegenentwurf zur etablierten Medizin vorgelegt, die sich im ausgehenden 18. Jahrhundert noch weitgehend an den humoral­pathologischen Konzepten der Antike orientierte. Damit geriet er in Opposition zu Kollegen und auch zu Apothekern und sah sich gezwungen, fast jährlich den Wohnort zu wechseln und seine ärztliche Tätigkeit immer wieder für längere Zeit einzustellen.

Weinprobe und Apothekerlexikon

Hahnemann besaß allerdings ein außerordentliches Sprach- und Schreibtalent: Nur dank umfangreicher Übersetzungsaufträge für renommierte ausländische Standardwerke aus Medizin und Naturwissenschaft sowie einer regen eigenständigen Publikationstätigkeit gelang es ihm, diese Zeit auch finanziell zu überstehen. Zudem war Hahnemann ein äußerst vielseitiger Naturforscher, dem insbesondere die Chemie und Verfahrenskunde – und damit auch die Pharmazie – viele neue Erkenntnisse von hoher praktischer Relevanz verdanken; genannt seien die Weinprobe zum Nachweis von Bleizucker, die rasch zum Standardverfahren avancierte, und die Optimierung von Herstellungsbedingungen zur Erzielung einer einwandfreien Arzneimittelqualität. Sein vierbändiges „Apothekerlexikon“ wurde in kürzester Zeit ein Standardwerk der Pharmazie.

Simplifizierungen und Erweiterungen

Schon zu Lebzeiten Hahnemanns – und noch stärker in den Jahrzehnten nach seinem Tode – erfuhr die Homöopathie eine Vielzahl von Modifikationen und Erweiterungen, aber auch Simplifizierungen; letztere betrafen z. B. den Einsatz von Potenziermaschinen (Fluxionspotenzierung) oder eine leichtere Arzneimittelfindung.

Der Arzt Wilhelm Schüßler (1821 – 1898), der aufgrund von Rudolf Virchows ­Zellularpathologie ein Ungleichgewicht der Zellsalze als Krankheitsursache postulierte, schuf die sogenannte „Biochemie nach Schüßler“ mit einem Dutzend homöopathisch ­zubereiteter Mineralien („Salze“).

Einen völlig anderen Weg wählte der „Lehmpastor“ Emanuel Felke (1856 – 1926), der die von Hahnemann geforderte „unitas remedii“, d. h. die Therapie mit Monopräparaten, verließ und den systematischen Einsatz homöopathischer Komplexmittel inaugurierte; Firmen wie Madaus oder Truw übernahmen deren in­dustrielle Produktion.

Eine Weiterentwicklung der Homöo­pathie ist die Isopathie; sie setzt Nosoden ein, die aus pathologischen Ausscheidungen oder entsprechenden Bakterienkulturen durch homöopa­thische Verdünnung und Sterilisation gewonnen werden.

Die homöopathischen Therapiever­fahren mit ihren rational nicht nachvollziehbaren Prinzipien haben im breit gefächerten Portfolio der Naturheilkunde bis in die Gegenwart überdauert. Weltweite Erhebungen belegen zudem, dass die Homöopathie keineswegs ein typisch deutsches Phänomen darstellt: In Indien oder Lateinamerika etwa gehört sie zum medizinischen Alltag.

Die Diskussion nach dem Vortrag, an der sich neben Pharmazeuten auch Naturwissenschaftler anderer Fakultäten sowie Mediziner beteiligten, zeigte eine Stärke der Pharmaziegeschichte, nämlich zum fächerübergreifenden Dialog anzuregen und eine Brücke zu kulturellen Fragen der Gegenwart zu schlagen. Das Auditorium dankte mit langem Applaus. |

Dr. Karl Conrath/cae

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