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Management

Service-Design

Gute Dienstleistungen sind kein Zufall

In Branchen, in denen die Produkte austauschbar werden, setzen immer mehr Unternehmen auf die Qualität ihrer Dienstleistungen, um sich von der Konkurrenz abzuheben. Für Apotheken ist dieser Zustand nichts Neues. Wir setzen schon lange auf qualitativ hochwertige Beratung und guten Service. Allerdings sind gute Dienstleistungen kein Zufall. Sie lassen sich durch strukturierte Vorgehensweisen wie das Service-Design entwickeln oder permanent verbessern.

Service-Design, Service Design Thinking oder im Deutschen Dienstleistungs-Design bezeichnet ein methodisches Vorgehen, um Dienstleistungen oder einen produktbezogenen Service kunden­gerecht zu entwickeln. Aber wieso „entwickeln“? „Wenn ausgebildetes Personal sein Handwerk versteht, auf ein Produkt geschult ist und die Räumlichkeiten nett hergerichtet sind, ist doch alles Wichtige erledigt.“ So lautet eine immer noch gängige Meinung. Genau betrachtet ist die Dienstleistung jedoch ein schwieriges „Produkt“. Sie ist immateriell und muss jedes Mal aufs Neue, auf den Punkt, in gleichbleibender Qualität produziert werden.

Service-Design bietet eine systematische Erfassung aller wesentlichen Aspekte einer guten Dienstleistung und umfasst:

1) Die Menschen, die den Service in Anspruch nehmen oder ausführen. Oder die Menschen, die indirekt mit dem Service zu tun haben, wie Lieferanten, Softwarefirmen etc.

2) Alle materiellen oder digitalen Produkte, die die Dienstleistung unterstützen, wie die Internetseite, Flyer und andere.

3) Den Prozess an sich und damit alle Regeln und Routine-Abläufe, die für einen erfolgreichen Service notwendig sind.

Double Diamond

Im Fokus des Service-Designs steht immer der Kunde in seinem Alltagserleben. Darauf aufbauend gestaltet das Service-Design den ganzen Einflussbereich von Dienstleistungen in einem mehrphasigen Prozess. Ursprünglich wurde im Jahr 2005 am British Design Council ein Prozess mit vier Phasen definiert. Grafisch dargestellt wird er als zwei sich an den Ecken berührende Quadrate – der sogenannte Double Diamond. Das erste Quadrat steht für den Problemraum, in dem besondere Probleme analysiert und die davon betroffenen Personen befragt und beobachtet werden. Unterteilt wird dieses Quadrat in die Phase des Entdeckens (Discover) und der Problemdefinition (Define). Das zweite Quadrat steht für den Lösungsraum. Dieses Quadrat wird in die Phasen der Lösungsentwicklung (Develop) und des Testens (Deliver) unterteilt. Die Analyse des Problems und die Entwicklung von Lösungen werden im Prozess getrennt – ein sehr typisches Vorgehen für lösungs­orientierte Arbeit. Die Bezeichnungen der einzelnen Phasen können im Deutschen je nach Quelle abweichen. Und auch das Prozess-Modell des Double Diamond ist nicht starr.

Grafik: AZ/ekr

In neueren Modellen werden die vier Stufen um eine weitere ergänzt. Zu Entdecken, Definieren, Entwickeln und Testen kommt die Umsetzung als weitere Phase. Begründet wird das damit, dass die Einführung einer markttauglichen Dienstleistung gesondert behandelt werden muss und ein Testmaßstab dafür nicht reicht.

Entdecken

„Wissen wir wirklich, was unsere Kunden wollen?“ Das Stellen dieser relevanten Frage wurde bei Dienstleistungen, die nicht gut angenommen oder schlecht bewertet werden, oft im Vorfeld vergessen. Viele Unternehmen gehen davon aus, dass sie schon wissen, was ihre Kunden wollen. Bei auftretenden Problemen verläuft die Lösungssuche dann oft am Kunden vorbei, was noch mehr Fragen ­aufwirft.

Das konsequente Einnehmen der Kundenperspektive ist deswegen der Beginn und die Grundlage eines jeden Service-Design-Prozesses. Eine intensive Recherche mittels Kundeninterviews, Umfragen und gezielter Beobachtung des Kundenverhaltens gibt Aufschlüsse über die Bedürfnisse, Sichtweisen und Motivationen von Kunden. Sie erfasst auch den Kontext und die Alltagsumstände, in denen sich der Kunde bewegt, denn auch die Dienstleistung ist Teil seines Alltags.

Typische Leitfragen lauten: Wie sieht der Alltag unserer Kunden aus? Welche Erfahrungen machen sie mit unseren Dienstleistungen, was bewerten sie positiv, was bewerten sie negativ? Können wir durch einen neuen Service den Alltag unserer Kunden besser machen?

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Mit Dienstleistungen Kunden binden und zugleich wirtschaftlichen Erfolg haben – das gelingt mit einer genauen Analyse der Kundenbedürfnisse, einer sorgfältigen Entwicklung der Dienstleistung und einem Test auf Praxistauglichkeit.

In der Apotheke haben wir ständig direkten Kontakt zu den Kunden, zumeist mit einem großen Einblick in ihre Lebensumstände. Das bietet uns, im Gegensatz zu anderen Branchen, erhebliche Vorteile beim Ermitteln der Bedürfnisse unserer Kunden.

Eine wenig aufwendige Methode, um die Apotheke aus Kundensicht zu erleben, ist der Besuch mehrerer Apotheken in einer fremden Stadt. Der Blick sollte dabei auf den Service gerichtet sein, den Sie in Ihrer Apotheke verbessern möchten. Das klingt sehr profan, trifft aber genau den Kern dieser ersten Phase. Sie werden automatisch die Dienstleistung in der Kundenrolle wahrnehmen und in fünf Kategorien bewerten: Zuverlässigkeit, Leistungskompetenz, Umsetzung von Kundenwünschen, Empathie, Umgebung. Es geht dabei nicht um das Kopieren von Dienstleistungen, sondern um das Sammeln wertvoller Eindrücke, die im eigenen Unternehmen nur schwer herzustellen sind.

Definieren

Als nächstes geht es darum, das Problem oder die Aufgabe ganz klar zu benennen. Die vorher vage Problemstellung wird mithilfe der neuen Erkenntnisse so konkret wie möglich erfasst. Es empfiehlt sich, das Problem in ein oder zwei Sätzen zu verschriftlichen. Wichtig ist, den Raum für Lösungen möglichst weit zu halten und in die Problemdefinition keine Lösungsansätze zu integrieren. Denn Lösungen können in ganz unterschiedlichen Bereichen zu finden sein, z. B. besondere Regeln, Qualifikationen oder Arbeitsräume.

Ein Beispiel wäre: „Wir möchten die Medikationsanalyse unseren Kunden als neue Dienstleistung anbieten. Was ist dafür nötig? Ziel ist ein reibungsloser Prozess.“

Entwickeln

Dienstleistungen sind immateriell. Aus diesem Grund besteht ein großer Schwerpunkt der Lösungsentwicklung darin, diese sichtbar zu machen. Visualisierung reduziert an dieser Stelle die Komplexität – man kann sich wortwörtlich ein Bild machen. Das ist zudem eine gute Vorarbeit für die spätere Präsentation der Dienstleistung dem Kunden gegenüber.

Nützliche Fragen dafür sind: Aus welchen einzelnen Komponenten besteht die Dienstleistung? Wie wird ihre Qualität? Was muss sie leisten?

Durch eine Handskizze aller betroffenen Prozesse, Produkte und Personen werden Stolpersteine sichtbar und Lösungen lassen sich leichter generieren. Methodisch sind natürlich auch diverse andere Visualisierungsmöglichkeiten denkbar, wie das Nachspielen des Service oder die Arbeit an der Projektwand.

Testen

Neu entwickelte Dienstleistungen werden im kleinen Stil auf Praxistauglichkeit getestet. Fraglich ist, ob der Kunde sie so erlebt, wie wir es geplant haben. Bevor viel Geld für Materialien und Werbung in die Hand genommen wird, ist es gut zu wissen, dass der Service für den Kunden wirklich relevant ist und angenommen wird.

Umsetzen

Wenn die Testphase zufriedenstellende Ergebnisse geliefert hat, folgt die Implementierung im ganzen Unternehmen. Dazu gehört, die neue Dienstleistung mit dem gesamten Team zu besprechen. Allen muss bewusst sein, auf welche Art und Weise der ­Service erbracht wird, wer ihn erbringt und wie er beworben wird. Es geht dabei nicht um starre Regeln, sondern um die Definition von Handlungsspielräumen, in denen die Mitarbeiter optimal für den Kunden agieren können. Im Gespräch ergibt sich eine Art „Herstellungsanweisung“ für die Dienstleistung, wie sie im QM-System üblich ist.

Deutlich wird das bei dem oben genannten Beispiel der Medikationsanalyse als Dienstleistung. Die Medikationsanalyse kann viel besser präsentiert werden, wenn alle im Team wissen, worum es geht, welcher Apotheker die Analyse übernimmt und welche Materialien für die interessierten Kunden zur Verfügung stehen.

Für Optimierungen

Es muss nicht immer die Entwicklung einer ganz neuen Dienstleistung sein. Das Service-Design eignet sich auch zur Optimierung von Dienstleistungen. Anhand dieser Struktur ergibt sich eine aktive, prozessbasierte Kundenorientierung, die die Dienstleistungsqualität auf einem hohen Niveau hält. Die Basis ist die Ermittlung des Ist-Zustandes und damit die Bestandsaufnahme aller Dienstleistungen.

Nützliche Fragen sind: Was für Dienstleistungen passieren regelmäßig? Wie gestaltet sich der Umgang mit den Kunden in diesen Momenten? Fragen die Kunden nach Dienstleistungen, die wir noch nicht anbieten?

Fazit

Ein gutes Service-Design kann Unverwechselbarkeit schaffen. Es ist eine Chance, die Bedürfnisse der Kunden zu treffen, damit sie gerne unsere Kunden bleiben und uns weiterempfehlen. Das enorme wirtschaftliche Wachstumspotenzial von Dienstleistungen wird nutzbar und sichert den unternehmerischen Erfolg. |

Anja Keck ist Fachapothekerin für Allgemeinpharmazie, Filialleiterin, Coach (DGfC) und Systemische Beraterin, www.anjakeck.de

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