Gesundheitspolitik

Pfandsiegel auf der Modelleisenbahn

Landgericht Essen beleuchtet Vermögenswerte des Bottroper Zyto-Apothekers

ESSEN (hfd) | Im Prozess gegen den Bottroper Zyto-Apotheker Peter S. sagte am vergangenen Mittwoch der Polizeibeamte Olaf J. aus, der die Finanzermittlungen leitete. Sein Hauptauftrag: Vermögenswerte ermitteln, um die Vollstreckung möglicher Geldforderungen gegenüber S. sichern zu können.

Der Immobilienbesitz sei „umfänglich“, erklärte J. – schon zu seinem Privathaus sei „hinlänglich bekannt“, dass es einen siebenstelligen Wert hat. Der Polizist beschrieb auch die anderen Gebäude und Grundstücke des Angeklagten detailliert. Die Apotheke wurde nach der Razzia an die Eltern von S. zurückübertragen, dies könne wohl nicht angefochten werden.

An die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sei eine Übersichtsanfrage zu allen Konten abgeschickt worden, die S. besaß oder für die er verfügungsberechtigt war. Nach Auskunft des Finanzermittlers standen den teils siebenstelligen Beträgen auch Verbindlichkeiten von mehreren Millionen Euro gegenüber. Über das Apothekenrechenzentrum seien zwischen 2012 und 2016 insgesamt gut 106 Millionen Euro abgerechnet worden, erklärte der Ermittler. Die Staatsanwaltschaft schätzte als Schaden der Krankenkassen in Sachen Zytostatika einen Gesamtwert von rund 56 Millionen Euro, circa 3 Millionen Euro behielten die Kassen von November 2016 bis Januar 2017 ein.

Die Ermittler sicherten zunächst über das Privathaus nur einen Wert von 2,55 Millionen Euro. Die Höhe sei „vorgegeben“ gewesen, erklärte J., und habe auf den Zahlen basiert, die der frühere kaufmännische Leiter Martin Porwoll genannt habe. Dass dies möglicherweise zu niedrig angesetzt war, wurde offenbar mit der Staatsanwaltschaft diskutiert – doch an dieser Stelle zeigte J. erhebliche Erinnerungslücken. Präsent war ihm hingegen noch der Tag der Razzia im Privathaus von S. wie auch eine spätere Pfändung.

„Sehr viele Kunstwerke“ seien vorgefunden worden, erklärte J. Die Räumlichkeiten und technischen Einrichtungen beschrieb der Zeuge als imposant – so auch die „riesengroße“ Modelleisenbahn im Keller, die nun wie viele andere Gegenstände ein Pfandsiegel trägt.

Nach der Aussage von J. beantragten Staatsanwaltschaft und Verteidigung noch die Vernehmung weiterer Zeugen. Der Staatsanwalt erklärte, eine Düsseldorfer Onkologin könne bezeugen, dass von der Apotheke gelieferte Spritzen mit einem bestimmten Wirkstoff durchgängig und in immer geringer werdenden Konzentrationen an ihre Praxis geliefert worden seien. Diese seien „eher klar“ gewesen, solange sie von der Bottroper Zyto-Apotheke geliefert wurden – nach der Inhaftierung von S. hingegen „milchig“. Es habe zuvor auch weniger Hautrötungen und Übelkeit gegeben. Den Wirkstoff habe S. den Ermittlungen zufolge nur zu rund 67 Prozent eingekauft.

Außerdem planen die Verteidiger, die Ladung der Pharmazeuten Fritz Sörgel (Institut für biomedizinische und pharmazeutische Forschung in Nürnberg-Heroldsberg) und Henning Blume (SocraTec R&D) zu beantragen. Die Verteidiger hatten schon zuvor darauf verwiesen, dass laut einem von ihnen beauftragten Gutachten Sörgels die Analysemethoden, mit denen das Landeszen­trum Gesundheit NRW sowie das Paul-Ehrlich-Institut Unterdosierungen in sichergestellten Proben identifiziert hatten, womöglich unzuverlässig seien.

Bei der am vergangenen Mittwochabend stattfindenden Demonstration von Patienten, die Krebsmittel aus der Zyto-Apotheke erhalten hatten, sowie von Freunden und Ange­hörigen kritisierten mehrere Teilnehmer die Tätigkeit der Ermittlungsbehörden. Er hoffe, dass sich zumindest womöglich eine vollendete Körperverletzung oder möglicherweise auch versuchter Mord nachweisen ließe, erklärte ein Nebenkläger gegenüber DAZ.online. |

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