Gesundheitspolitik

Gegenwind für das geplante Rx-Versandverbot

Gröhe entfacht Debatte in sozialen Medien / Glaeske und Lauterbach unterstützen Versender

BERLIN (bro) | Groß war die Freude unter den Apothekern, dass im Koalitionsvertrag der geplanten Großen Koalition die Einführung des Rx-Versandverbots vorgesehen ist. Dass die Freunde des Rx-Versands das nicht widerspruchslos hinnehmen würden, war abzusehen.

Eine erste Diskussionswelle löste der noch amtierende Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) auf Twitter und Facebook aus. Konkret stellt Gröhe auf kleinen PR-Postern jeweils eine gesundheitspolitische Forderung der Union aus dem Wahlkampf den Formulierungen im Koalitionsvertrag gegenüber – so auch die Einführung des Rx-Versandverbots. Die Reaktionen darauf reichten von heftiger Kritik am bis hin zu sachlichen Argumenten für das Rx-Versandverbot. Am vergangenen Freitag rollte dann eine zweite Kritik-Welle auf das Rx-Versandverbot zu. In mehreren regionalen Tageszeitungen meldeten sich der Bremer Arzneimittel-Versorgungsforscher Gerd Glaeske und der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach zu Wort.

Mit Blick auf den Apothekenmarkt teilt Gröhe in den sozialen Medien mit: „Zur Stärkung der Apotheken vor Ort haben wir in den Koalitionsverhandlungen das durchgesetzt, was wir in unserem Wahlprogramm versprochen haben!“ Das Poster (siehe Abbildung) zeigt den Slogan „Versprochen. Durchgesetzt.“ sowie die beiden Formulierungen zum Rx-Versandverbot, die sich nur gering voneinander unterscheiden.

Foto: Gröhe/CDU
Mit diesem und weiteren kleinen Postern weist Gesundheitsminister Gröhe in den sozialen Medien auf die Erfolge der Union im Koalitionsvertrag hin.

Einige Internetnutzer reagierten verärgert auf das Posting. Ein Twitter-User erklärte dazu beispielsweise: „Denn wenn man eines aus der jüngeren Geschichte lernt, ist das, dass sich ausnahmslose Verbote im Bereich der Digitalisierung richtig gut machen.“ Ein anderer kommentierte: „Eine planwirtschaftliche Forderung wird als Erfolg der Koalitionsverhandlungen gefeiert. Schamlos.“

Auf Facebook ist die Reaktion auf das Gröhe-Posting ebenfalls größtenteils negativ. Bislang haben nur wenige User das Verbot begrüßt, einer hat es als „richtigen Schritt“ bezeichnet, woraufhin sich gleich eine heftige Kritikwelle entwickelte. Unter anderem heißt es von einem Nutzer: „Selten so einen Blödsinn gelesen, wir brauchen in diesem Bereich dringendst einen ordentlichen Wettbewerb. Sonst zwingen uns die stationären Apotheken ihre überzogenen Preise auf.“

Eine andere Diskussionsteilnehmerin führt an: „Lieber Herr Gröhe, haben Sie schon mal einen Kinderwagen in einen Bus gebuckelt??? Vielleicht noch Zwillinge? Und 3 × umsteigen? Meine Güte, wie fern vom ‚normalen‘ Leben ...“ Ähnlich heißt es in einem anderen Kommentar: „Was ist eigentlich mit Leuten, die aufgrund von Gebrechen, Wohnort und ausgedünntem sozialen Netz nur mit Mühe zur Apotheke kommen?“ Auch vom Hinweis eines Diskutanten auf die Apotheken-Botendienste lässt sich die Facebook-Gemeinde nicht überzeugen.

Gegen den Vorwurf, dass mit dem Gesetz die Apothekerlobby gesiegt habe, wehrt sich ein Nutzer: „Es gibt in Deutschland eine Pharma­lobby und eine Krankenkassen­lobby, aber ganz gewiss keine Apothekenlobby; das weiß, wer die Einschnitte der Apotheken über die letzten 15 Jahre verfolgt hat! Hier hat endlich mal die Vernunft gesiegt!“ Aber auch das scheint die Kritiker nicht zu überzeugen – ein Kommentator schreibt sogar davon, dass Gröhe „Anschlussverwendung im Apothekerverband“ finden könne.

Glaeske und Lauterbach unterstützen die Versender

Am vergangenen Freitag meldeten sich der Bremer Arzneimittel-Versorgungsforscher Gerd Glaeske sowie der SPD-Gesundheitsexperte und stelllvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Karl Lauterbach in verschiedenen Zeitungsberichten zu Wort. Glaeske äußerte, die Annahme der ABDA, dass der Versandhandel ohne ein Verbot langfristig einen Marktanteil von bis zu 25 Prozent aufbauen könne, sei „völlig übertrieben und abwegig“. Der Versandhandel funktioniere außerdem seit 14 Jahren, ohne dass die Patienten in irgendeiner Weise gefährdet seien. Lauterbach meldete Zweifel an der Umsetzbarkeit des Rx-Versandverbots an: „Es bleibt abzuwarten, ob es gelingt, einen europakonformen und verfassungsgemäßen Vorschlag einzubringen.“ |

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