Gesundheitspolitik

Der Apotheken-Ökonom: Nicht übernehmen mit Übernahmen

Wie sinnvoll ist Filialisierung?

Andreas Kaapke

Der Apothekenmarkt befindet sich unzweifelhaft im Übergang. Welches Geschäftsmodell in Zukunft tatsächlich unternehmerischen Erfolg sichert, ist vergleichsweise spekulativ. Zum zweiten steht eine ganze Reihe aktiver Apotheker vor dem Eintritt ins Rentenalter, also vor Aufgabe ihrer eigenen Geschäftstätigkeit. Beides sind Parameter, die es sinnvoll erscheinen lassen darüber nachzudenken, inwieweit eine Filialisierung nutzstiftend sein könnte. Soll ich zukaufen und wenn ja, welche Apotheke kommt infrage?

Ein häufig bemühtes Argument liegt darin, dass durch die Übernahme eines bestehenden Apothekenbetriebs in unmittelbarer Nähe der eigene Apothekenbetrieb gestärkt würde, gemäß der Regel: Wenn ich schon kannibalisiert werde, dann durch mich selbst. Aber Obacht: Hier ist auf jeden Fall zu klären, ob die Apotheke altershalber oder aufgrund wirtschaftlicher Mängel abgegeben werden soll. Bei Erstem gilt zu fragen, warum niemand aus der aktuellen Mannschaft den Hut in den Ring wirft, bei Zweitem muss geprüft werden, ob der Standort bei anderer, besserer ­Betriebsführung wirtschaftlich gemanagt werden kann.

Falls die zweite, dritte oder vierte Filiale etwas weiter von der Hauptapotheke entfernt liegt, muss sie als Ergänzung funktionieren. Dies ist dann der Fall, wenn praktisch keine Schnittmenge an Kunden zwischen den beiden Apotheken besteht.

Ein häufiger Denkfehler bei der ­Filialisierung ist, dass sich dadurch auf Anhieb Synergieeffekte ergeben. Zunächst stellt der zusätzliche Standort einen Wachstumssprung dar. Aufwände werden nicht geringer, sondern multiplizieren sich. Man hat zwei Mannschaften, zwei Wareneingänge, zwei Abrechnungen, zwei Umgebungen mit Ärzten etc. ­Natürlich hat man Skaleneffekte, aber diese stellen sich in der Regel erst bei deutlich größeren ­Einheiten ein. So wird im Lebensmitteleinzelhandel häufig erst ab 50 Einheiten mit einem echten Skaleneffekt gerechnet.

Nun ist dies bei einer Betriebsform wie einer Apotheke nicht zwingend in dieser Größenordnung zu vermuten, gleichwohl hat der Gesetzgeber das Fremd- und Mehrbesitzverbot nicht deshalb aufrechterhalten, um es dann an anderer Stelle zu bagatellisieren. Er will damit gerade vermeiden, dass über große Einheiten rein wirtschaftliche Motive das Geschäftsgebaren determinieren. Mit anderen Worten: Er lässt eine Größe zu, bei der nur bedingt Skaleneffekte realisierbar sind und auf der anderen Seite der Inhaber selbst voll in der Pflicht steht. Deshalb sind Übernahmen von Standorten oder gar Neugründungen alles andere als Selbst­läufer, sondern vielfach mit erheblichen Risiken einhergehend.

Warum nimmt dann die Zahl der Filialen zu? Natürlich existieren Vorteile z. B. bei der Personaleinsatzplanung, bei Einkaufsverhandlungen, beim Kauf von Soft- und Hardware oder Strom. Dies gilt in erster Linie dann, wenn an allen Apothekenstandorten das gleiche Geschäftsmodell angeboten wird. Werden dagegen unterschiedliche Konzepte verfolgt, wird es für den Apothekeninhaber besonders aufwendig. Denn dann fährt er schlimmstenfalls vier Geschäftsmodelle parallel, Skaleneffekte sind nur noch eingeschränkt möglich, stattdessen wird versucht, jeden Standort genau so zu bearbeiten, wie die Marktsituation es erfordert. Dafür gibt es großartige Beispiele; es gibt aber auch hinreichend viele Beispiele von Milchmädchenrechnungen, bei denen es eben gerade nicht läuft und wertvolle Energie verschleudert wird.

Im Übrigen darf auch nicht vergessen werden, dass sich Filialverbünde zu einem späteren Zeitpunkt nur dann gut als Ganzes verkaufen lassen, wenn der Nachweis geführt werden kann, dass jede einzelne Apotheke gut läuft. Außerdem will sich nicht jeder Käufer auf einen Rutsch vier ­Apotheken ans Bein binden, manch einer braucht auch nur eine Apotheke. Denkt man als ­Filialist langfristig, stellt sich die Frage, ob sich ein solches Konstrukt danach als Ganzes verkaufen lässt. An eine Kette schon, aber die ist ja nicht erlaubt. ­Schade aber auch, denn die ­Skaleneffekte hätte man ja selbst gerne mitgenommen … |

Andreas Kaapke ist Professor für Handelsmanagement und Handelsmarketing an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Standort Stuttgart, und Inhaber des Beratungsunternehmens Prof. Kaapke Projekte. E-Mail: a.kaapke@kaapke-projekte.de

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