Gesundheitspolitik

AVR beklagt Hochpreistrend

Arzneiverordnungs-Report 2018 vorgestellt

BERLIN (ks) | Der Hochpreistrend bei Arzneimitteln hat sich 2017 fortgesetzt – so lautet die Botschaft der Herausgeber des ­AOK-nahen Arzneimittelverordnungs-Reports (AVR) auch in diesem Jahr. Sie mahnen daher zum Gegensteuern an. Vor allem die Ausgabenentwicklung bei patentgeschützten Arzneimitteln bereitet ihnen Sorge. Die Verbände der Pharmaindustrie weisen die Vorwürfe in gewohnter Manier zurück.

Der aktuelle AVR 2018, der am vergangenen Donnerstag vorgestellt wurde, arbeitet mit den Daten des vergangenen Jahres: 2017 haben die gesetzlichen Krankenkassen 39,9 Milliarden Euro für Arzneimittel ausgegeben – inklusive der Zuzahlung der Versicherten. Gegenüber dem Vorjahr waren dies 1,4 Milliarden Euro be­ziehungsweise 3,7 Prozent mehr. Mag der prozentuale Anstieg vergleichsweise moderat erscheinen – das AVR-Team hält ihn traditionell für viel zu hoch. Dabei werden mit Festbeträgen, Rabattverträgen und früher Nutzenbewertung Jahr für Jahr Milliarden gespart.

Erstattungsbeträge müssen früher wirken

Dass der Trend dennoch weiter nach oben geht, liegt laut AVR-­Herausgeber Prof. em. Ulrich Schwabe vor allem an den patentgeschützten Arzneimitteln: Auf sie entfielen im vergangenen Jahr 18,5 Milliarden Euro des GKV-­Arzneimittelmarktes. „Damit hat sich ihr Umsatzanteil in den letzten 20 Jahren von 33 Prozent auf 45 Prozent erhöht“, so Schwabe. Betrachte man nur die 20 führenden Patentarzneimittel mit Verordnungskosten von 7 Milliarden ­Euro, so liege die Ausgabensteigerung gegenüber dem Vorjahr bereits bei 16,3 Prozent. Gerade die ganz neuen Arzneimittel sind teuer – schließlich besteht für sie in Deutschland im ersten Jahr nach Markteinführung noch Preisfreiheit. Für Schwabe unverständlich: „Dies ist in keinem anderen europäischen Land möglich.“ Die AVR-Herausgeber werden daher nicht müde, rückwirkende Erstattungsbeträge zum ersten Tag des Markteintritts zu fordern. Jürgen Klauber, Geschäftsführer des WidO und ebenfalls AVR-Herausgeber, verweist darauf, dass die Preise derzeit im Schnitt um 20 Prozent sinken, wenn nach erfolgter Nutzenbewertung der Erstattungsbetrag steht. Bei einem Viertel der Präparate ohne Zusatznutzen sinke er sogar um 40 bis 70 Prozent. Martin Litsch, Vorstandschef des AOK-Bundesverbands, mahnte: „Die Pharmaindustrie sollte nicht den Ast absägen, auf dem sie sitzt.“ Er verwies zudem auf die Renditen der Branche: Nach einer Analyse von Ernst & Young habe die EBIT-Marge der Pharmafirmen 2017 bei 26,5 Prozent gelegen. Zum Vergleich: In der Automobilbranche sind es 7 Prozent. Spitzenreiter unter den Pharmafirmen ist demnach übrigens Gilead mit einer Marge von 55 Prozent.

Biosimilarmarkt ankurbeln

Auch Biopharmazeutika und Biosimilars stehen in diesem Jahr erneut im Fokus der AVR-Herausgeber. Ihr Umsatz lag 2017 bei 11,3 Mrd. Euro und hat sich somit seit 2007 verdreifacht. Mittlerweile kommen zwar immer mehr Biosimilars auf den Markt, doch die Nachahmer haben es schwer, sich gegen die Originatoren durchzusetzen. Dabei, so betonte Prof. Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der Ärzteschaft (AkdÄ) und AVR-Herausgeber, sind Biosimilars therapeutisch gleichwertig zu den Referenzarzneimitteln. Doch bei vielen Ärzten herrsche hier noch Verunsicherung und Unkenntnis. Klauber sieht die Anbieterstruktur als einen Grund für den schwächelnden Wettbewerb: Unter den insgesamt lediglich 14 Biosimilaranbietern waren 2017 sechs Originalhersteller bzw. deren Tochterunternehmen – und auf sie entfielen 83 Prozent der gesamten Ausgaben für Biosimilars. Die Biosimi­laranbieter, die unabhängig vom Originalanbieter sind, kamen 2017 auf nur 3,8 Prozent der Ausgaben.

Weil zudem Biosimilars nicht so deutlich günstiger als das Original sind, wie man es von Generika gewohnt ist, schlägt Schwabe für diese Produkte die Einführung von Festbeträgen vor – und zwar mit europäischem Preisvergleich. Denn laut Schwabe sind auch Biologika und ihre Nachahmer etwa in den Niederlanden deutlich günstiger. Litsch befürwortet zudem regionale Zielvereinbarungen für Biosimilarquoten. Und er kann sich noch mehr vorstellen: die Substitution in der Apotheke – ganz so wie bei Generika.

Arzneimittelanteil an GKV-Ausgaben gesunken

Die Industrieverbände relativierten die Kritik am „Hochpreis­trend“. So verwies Dr. Hermann Kortland, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Arzneimittel-Hersteller (BAH) darauf, dass der Anteil der GKV-Arzneimittelausgaben an den GKV-Gesamtausgaben in den vergangenen zehn Jahren von 17,6 Prozent (2008) auf 16,4 Prozent (2017) gesunken sei.

Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) rechnet sogar noch weiter runter: Die pharmazeutische Industrie habe die Fertigarzneimittel der ambulanten Versorgung für gerade ­einmal rund 8 Prozent der GKV-Ausgaben geliefert. Dieser Anteil sei stabil und nicht hoch, betont der Verband – schon gar nicht gemessen am therapeutischen Stellenwert der Arzneimittel in der Versorgung. |

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