Gesundheitspolitik

„Absolut untauglich“

POTSDAM (bro) | Angesichts der jüngsten Ideen von Michael Hennrich, machte DAV-Vorsitzender Fritz Becker beim diesjährigen DAV-Wirtschaftsforum eines deutlich: Vom Rx-Versandverbot rückt die Standesorganisation nicht ab.

Am 25. und 26. April fand in Potsdam das 55. Wirtschaftsforum des Deutschen Apothekerverbands (DAV) statt. Der DAV-Vorsitzende Fritz Becker forderte in seinem politischen Lagebericht am vergangenen Mittwoch die Große Koalition erneut auf, die aus seiner Sicht eindeutige Aussage zum Rx-Versandverbot im Koalitionsvertrag schnellstmöglich umzusetzen. Dieses Verbot sei die „einzige Option“, um die Gleichpreisigkeit bei Arzneimitteln wiederherzustellen, sagte Becker. Das Anliegen ist derzeit umso dringlicher, als dass am Vortag der CDU-Arzneimittelexperte Michael Hennrich mit seinem Interview auf DAZ.online für Unruhe gesorgt hatte. Der einst so klar hinter dem Rx-Versandverbot stehende Politiker sprach nun von „neuen Wegen“, um den Stillstand zu beenden (siehe S. 1). Becker reagierte scharf: „Alle aktuell vorgeschlagenen Modelle und Alternativen sind absolut untauglich.“ Das Publikum stimmte dem mit Applaus zu.

Foto: ABDA/André Wagenzik
Fritz Becker

Abwehr von Angriffen darf kein Dauerzustand werden

Becker erklärte außerdem, dass er den Vorwurf nicht gelten lasse, die Apotheker würden wegen der Forderung nach dem Rx-Versandverbot rückschrittlich agieren. „Wir hören immer wieder den Vorwurf, wir würden uns nur auf den Erhalt bestehender Regelungen konzen­trieren, statt nach vorne zu blicken. Richtig daran ist, dass die Abwehr von Angriffen auf die Eckpfeiler der Apotheke kein Dauerzustand für uns Apotheker werden darf.“ Dass die Apotheker fest entschlossen seien, den Berufsstand weiterzuentwickeln, zeige das Perspektivpapier „Apotheke 2030“. Dass in der Öffentlichkeit eine „andere Schwerpunktsetzung“ der ABDA-Aktivitäten wahrnehmbar ist, liege an den Entwicklungen der vergangenen anderthalb Jahre.

Sinkende Apothekenzahlen

In seiner Rede sprach Becker überdies an, dass die Apothekenzahl zum Jahresende 2017 erneut gesunken ist – auf nunmehr 19.748 Standorte. In diesem Zusammenhang wies er auf das vom Bundeswirtschaftsministerium vorgelegte Honorargutachten hin: „Wer in einer Zeit, in der seit Jahren die Zahl der Apotheken um über 200 pro Jahr sinkt, und sich immer mehr Lokalpolitiker um die Versorgung ihrer Gemeinden sorgen, vermeintliches Einsparpotenzial in Milliardenhöhe ausweist, der blendet Realitäten aus.“ Trotzdem sei die Apothekerschaft dazu bereit, die Arzneimittelpreisverordnung „weiterzuentwickeln“. Konkret wurde Becker hier allerdings nicht.

Bekenntnis zum E-Rezept

Auch die Digitalisierung thematisierte Becker. Im Backoffice arbeiteten Apotheken schon seit Jahren hochdigitalisiert. „Aber auch im Patientenkontakt wird die Digitalisierung künftig eine noch größere Rolle spielen“, kündigte Becker an. Als Beispiel nannte er die digitalen Rezeptsammelstellen im Saarland und in Baden-Württemberg. Und weiter: „Eines steht fest: Die Apotheke vor Ort und ihr digitales Umfeld sind die klar bessere Alternative zum Versandhandel und machen ihn mehr als überflüssig.“ In diesem Zusammenhang bekannte sich der DAV-Chef zur Telematik-Infrastruktur, die die Leistungserbringer seit Jahren gemeinsam entwickeln. „Wir bekennen uns zum E-Rezept und zur E-Patientenakte“, sagte Becker. Allerdings lehne er „unregulierten Wildwuchs“, bei dem E-Rezepte gezielt fehlgesteuert würden, ab. An dieser Stelle forderte er vom Bundesgesundheitsministerium „klare Aussagen“ zu den „anstehenden Modellvorhaben der unterschiedlichsten Player“ – eine Anspielung auf die von der AOK und der TK eigens entwickelten Patientenakten.

Angespanntes Verhältnis zum GKV-Spitzenverband

Auch den aktuell laufenden Konflikt mit dem GKV-Spitzenverband um die Zyto-Hilfstaxe erwähnte Becker. Das Scheitern der Verhandlungen sei ein weiterer Beweis dafür, dass sich die ohnehin schon angespannte Zusammenarbeit mit dem GKV-Spitzenverband noch weiter verschlechtert habe. Der Schiedsspruch sei eine Gefahr für die flächendeckende Versorgung im Bereich onkologischer Thera­pien. Becker beschwerte sich darüber, dass nur der GKV-Spitzenverband vom Gesetzgeber das Auskunftsrecht für Preise in der Zyto-Herstellung bekommen habe. Die Apotheker hingegen hätten keine Möglichkeit, verlässliche Zahlen bei den Kassen einzufordern. Insofern forderte Becker die neue Bundesregierung auf, auch den Apothekern dieses Auskunftsrecht zu erteilen. Er wies darauf hin, dass bei der Mitgliederversammlung des DAV am vergangenen Freitag die „notwendigen Beschlüsse“ herbeigeführt werden sollten. |

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