Arzneimittel und Therapie

Modafinil im Off-label-Einsatz

Sympathomimetikum könnte gegen Adipositas, Depressionen und Fatigue helfen

In Europa ist Modafinil (Vigil®) mittlerweile nur noch zur Behandlung der Narkolepsie zugelassen. Neben der missbräuchlichen Verwendung als „Neuroenhancer“ zur geistigen Leistungssteigerung bei Prüfungen oder in der Arbeit häufen sich die Beispiele zum Off-label-Einsatz von Modafinil. Was steckt dahinter?

Modafinil gehört zur Gruppe der zen­tral wirkenden Sympathomimetika. Es ist zwar kein direkter Dopamin-Rezeptoragonist, vermutlich bindet es aber an den Dopamin-Transporter und hemmt die Dopamin-Wiederaufnahme. Andere Stimulanzien wie Methylphenidat und Amphetamin erhöhen die neuronale Aktivität im gesamten Gehirn. Modafinil hingegen wirkt überwiegend auf Hirnregionen, die für die Steuerung von Aufwachen, Schlaf, Wachheit und Vigilanz verantwortlich sind. Während in den USA das Anwendungsgebiet von Modafinil noch relativ breit ist (Schlafstörungen bei Narkolepsie, Schlafapnoe und bei Schichtarbeit), so beschränkt es sich in Europa mittlerweile nur noch auf die Indikation Narkolepsie. Dabei handelt es sich um eine Form der Hypersomnie zentralnervösen Ursprungs ohne Bezug zu schlafbezogenen Atmungsstörungen. Modafinil ist angezeigt zur Behandlung von Erwachsenen mit exzessiver Schläfrigkeit, die mit der Schwierigkeit, wach zu bleiben, sowie mit einer erhöhten Einschlafneigung in unangemessenen Situationen einhergeht.

Die Wirkung von Modafinil auf die Vigilanz und das Wachsein wird auch missbräuchlich als Neuroenhancer ausgenutzt, so soll Modafinil als sogenannte Smart Drug vor Prüfungen oder von Führungskräften verwendet werden, um die geistige Leistungsfähigkeit zu erhöhen. Eine Verbesserung der Gehirnleistung wurde in Studien bereits bestätigt.

Abnehmen mit Modafinil

Ein ganz neuer Ansatz ist der Einsatz von Modafinil bei Adipositas. Dahinter steckt der Gedanke, dass Impulsivität eng mit Suchtverhalten verbunden ist. Übergewicht kann als eine Art von Suchtverhalten gesehen werden – die Betroffenen können ihren Essimpuls nicht oder nur schwer kontrollieren. Untersucht wurde nun in einer pharmakologischen Studie an gesunden Probanden, ob Modafinil aufgrund seiner Wirkung auf das dopaminerge System die Impulsivität verringern kann. Tatsächlich zeigte sich, dass Modafinil impulsives Verhalten dämpft. Damit könnte Modafinil theoretisch eine Option für adipöse Patienten sein, ein Wirksamkeitsnachweis steht jedoch aus. Nicht zu unterschätzen sind dabei die Nebenwirkungen des Psychostimulans bei einer Langzeittherapie wie Arrythmien, Persönlichkeitsstörungen und Suizidgedanken.

Modafinil (Vigil®)

Add-on bei Depressionen

Im Gegensatz zu Adipositas ist der Off-label-Einsatz von Modafinil bei Depressionen relativ weit verbreitet. So wurden bereits mehrere klinische Studien mit Modafinil bei Depressionen zusätzlich zu klassischen Anti­depressiva durchgeführt. Dabei zeigte sich, dass sich Modafinil als Add-on-Therapie positiv bei uni- und bipolarer Depression auswirkt.

In einer neuen klinischen Studie wurde nun gezeigt, dass Modafinil die Gedächtnisleistung von Patienten im Vergleich zu Placebo verbessert, die sich von einer Depression erholt hatten. Der Hintergrund ist, dass Menschen mit Depressionen unter Gedächtnisstörungen leiden, die auch nach erfolgreicher Behandlung anhalten und die Rehabilitation erschweren. Spannend bleibt nun, ob Modafinil auch außerhalb der Testumgebung die kognitiven Leistungen der Patienten stärken und ihre Rehabilitation fördern kann.

Gegen Fatigue bei MS

Auch beim Fatigue-Syndrom könnte Modafinil eine Option sein. Weit verbreitet ist das Auftreten von chronischer Müdigkeit und Erschöpfung bei Krebs-Patienten (Cancer Fatigue). Doch auch bei anderen Erkrankungen kann Fatigue begleitend auftreten. So tritt bei 70 bis 90% aller MS-Patienten Fatigue auf, 50 bis 60% der MS-Patienten bezeichnen es als das Symptom ihrer Erkrankung, das sie am meisten einschränkt. Aus mehreren klinischen Studien gibt es Hinweise darauf, dass Modafinil für MS-Patienten eine Möglichkeit sein könnte, ihre Fatigue in den Griff zu bekommen. Auch in der Onkologie wird Modafinil in dieser Indikation diskutiert. |

Quelle

Modafinil stärkt Gedächtnis von Patienten mit Depressionen. Ärzteblatt, 18. Januar 2017

Brown JN et al. The Annals of Pharmacotherapy 2010;44:1098-1103

Corp SA et al. J Clin Psychiatry 2014;75(9):1010-1018

Fachinformationen Vigil® und Provigil®

Kulendran M et al. Differences 2016;90:321-325; doi: 10.1016/j.paid.2015.11.025

Mit einem Psychostimulans gegen Adipositas: Kann Modafinil die Ess-Sucht stoppen? Medscape-Meldung vom 24. Januar 2017

Apothekerin Dr. Birgit Benedek

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