Ausbildung

Baustelle Pharmaziestudium

Debatte über die moderne Ausbildung von Apothekern spaltet Studierende und Hochschullehrer

ms | Spätestens seit der Veröffentlichung des Perspektivpapiers 2030 ist die Diskussion um das Pharmaziestudium richtig in Fahrt gekommen. Vor dem Hintergrund des im Papier beschriebenen Berufsbilds sollen zukünftig auch die Ausbildungsinhalte angepasst werden. Dieses Jahr wurde von einigen Höhepunkten in der Diskussion begleitet. Die zentrale Frage, die dabei immer wieder aufkam: Muss die Approbationsordnung für Apotheker (AAppO) novelliert werden oder lassen sich die notwendigen Änderungen auch auf Grundlage der bestehenden Ordnung umsetzen?

Zu Beginn des Jahres sorgte der Bundesverband der Pharmaziestudierenden in Deutschland (BPhD) mit seinem Thesenpapier zur Bewertung und Überarbeitung der Approbationsordnung und Verbesserung des Pharmaziestudiums für Aufsehen (DAZ 5, S. 22). Die beim BPhD ansässige Arbeitsgruppe Zukunft hatte von Dezember 2015 bis Januar 2016 eine Umfrage unter allen Studierenden durchgeführt und auf Basis der Ergebnisse das Papier erstellt. Darin enthalten sind Forderungen an eine Modernisierung des Studiums. Inhaltlich wollen die Studierenden einige Fächer ausbauen, darunter vor allem die Pharmakologie und Pharmakotherapie, aber auch andere Fächer wie z. B. die Klinische Pharmazie oder die Technologie. Im Gegenzug empfinden sie Fächer wie die Arzneimittelanalytik und Arzneistoffanalytik als überpräsent, weshalb hier Stunden zugunsten anderer Inhalte reduziert werden können. Nomenklatur und Mathematik sollen in bestehende Bereiche integriert werden und als eigenständige Veranstaltungen entfallen. Als neue Fächer fordern die Studierenden Scientific English, psychologische Grundlagen und Ethik. Neben vielen weiteren inhaltlichen Änderungen soll das Studium auch organisatorisch angepasst werden. Bei der Famulatur wird eine Reduktion auf vier Wochen gefordert, beim 1. Staatsexamen sollen Noten aus wichtigen Fächern des Grundstudiums einfließen. Die Studierenden wollen weiterhin eine Vereinheitlichung des 2. Staatsexamens, um „Willkür“ zu vermeiden. Konkret wünscht sich der BPhD einen Lernzielkatalog. Außerdem sollen bei den Prüfungen entweder Vertreter des Landesprüfungsamtes oder ein Apotheker anwesend sein. Da die Studierenden das Studium als zu überfrachtet betrachten, fordern sie eine Verlängerung auf acht oder neun Semester. Daher sei eine Novellierung der AAppO auch unabdingbar. Das Papier erhielt auf der einen Seite viel Lob, vor allem für die Bemühungen des BPhD, ihre Forderungen mit Fakten zu untermauern. Auf der anderen Seite wurden aber auch einige inhaltliche Punkte kritisiert sowie auf Diskrepanzen zwischen den Umfrageergebnissen und den Forderungen im Thesenpapier hingewiesen. Dass die Studierenden eine Verlängerung des Studiums wünschen, sei zwar nachvollziehbar, doch sei die Umsetzung vor dem Hintergrund der damit verbundenen Kostensteigerung eher unwahrscheinlich, wie Dr. Christiane Eckert-Lill, ABDA-Geschäftsführerin Pharmazie, anmerkt (DAZ 5, S. 24).

Foto: ABDA
Dr. Christiane Eckert-Lill

„AAppO bietet genug Spielraum für ein modernes Studium“

Im Frühjahr veröffentlichten Prof. Dr. Robert Fürst, Prof. Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz, Prof. Dr. Dieter Steinhilber und Dr. Ilse Zündorf von der Universität Frankfurt ein eigenes Positionspapier und sprachen sich darin für einen Erhalt der Approbationsordnung aus. Bei der Vorstellung des Papiers im Rahmen der Delegiertenversammlung der Apothekerkammer Hessen betonte Fürst, dass aus ihrer Sicht die aktuelle AAppO eine ausreichende Grundlage für ein modernes, an die zukünftigen Anforderungen angepasstes Studium biete (DAZ 26, S. 18). Der Grund: In der AAppO werden lediglich grob Stoffgebiete und deren Stundenanzahl vorgegeben. Auf welche Themen diese Stunden verteilt werden sollen, lässt die Verordnung aber völlig offen. Daher läge es in der Hand der Hochschule, über die Studienordnung die Inhalte anzupassen. In einem Punkt stimmte Fürst den Studierenden aber zu: Auch er findet, dass die durchschnittliche Stundenzahl von 29 Semesterwochenstunden mal hinterfragt werden müsste. Weiterhin kritisiert Fürst das vom IMPP standardisierte 1. Staatsexamen. Dieses stände im Konflikt mit einer freien Lehre und schränke die Inhalte des Grundstudiums ein.

Foto: Privat
Prof. Dr. Robert Fürst

Wie der aktuelle Rahmen genutzt werden könne, um das Studium sinnvoll zu straffen, verdeutlichte Fürst am Beispiel seines Instituts. Dort wurde zuletzt die Studienordnung angepasst – und zwar mithilfe der Studierenden. Das achte Semester an der Uni Frankfurt wird deshalb in Zukunft kein chemisches Praktikum mehr absolvieren. Stattdessen finden das Fertigarzneimittelseminar, ein interdisziplinäres Seminar zur Arzneistoffentwicklung und das Seminar „Biogene Arzneimittel“ dort statt. Das chemische Praktikum wird dann komplett im fünften Semester absolviert. Auch in anderen Bereichen seien moderne Inhalte längst implementiert – alles im Rahmen der aktuellen AAppO. Von den anderen Pharmaziestandorten in Deutschland wünscht sich Fürst nicht nur, dass diese ebenfalls diese Möglichkeiten ausnutzen, sondern auch, dass jedes Institut sein eigenes Profil entwickelt. „Wenn ein Standort die Botanik hochhalten will, dann soll er das tun“. Dadurch könne sich auch ein Wettbewerb um die Studierenden herausbilden. Zurzeit gäbe es zu viel Nivellierung, findet Fürst.

KLP-P statt neuer AAppO?

Seinen vorläufig letzten Höhepunkt erhielt die Diskussion um die Zukunft des Studiums gegen Ende des Jahres, als die Bundesapothekerkammer (BAK) auf ihrer Sitzung am 29. November den „Kompetenzorientierten Lernzielkatalog – Perspektivpapier Apotheke 2030 (KLP-P)“ verabschiedet hat. Beteiligt an dessen Entstehung waren die BAK, die Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft (DPhG), der Bundesverband der Pharmaziestudierenden in Deutschland e. V. (BPhD) und die Konferenz der Fachbereiche Pharmazie, vormals Verband der Professoren an Pharmazeutischen Hochschulinstituten der Bundesrepublik Deutschland e. V. (VdPPHI). Der Katalog nennt neue Ausbildungsziele für Apotheker, die sich aus dem Perspektivpapier 2030 ableiten (DAZ 47, S. 22). Konkret werden dazu sechs Kompetenzbereiche gebildet:

  • Pharmazeutisches Fachwissen
  • Wissenschaftliches Arbeiten und Forschen
  • Kommunikation
  • Intra- und interprofessionelle Zusammenarbeit
  • Apothekerliche Haltung, Ethik
  • Management

Für jeden Bereich gibt es Lernziele, die den einzelnen Ausbildungsabschnitten zugeordnet wurden. Bereits in der Präambel wird verdeutlicht, dass die Ausbildung „im Rahmen der bestehenden Approbationsordnung“ weiterentwickelt werden soll. Aber ist damit die Novellierung der AAppO vom Tisch? Laut Dr. Christiane Eckert-Lill sind das zwei unterschiedliche Diskussionen (DAZ 49, S. 20). Denn ohnehin müsse der bestehende Gestaltungsspielraum ausgenutzt werden – immerhin sei eine neue AAppO auch ein langwieriger Prozess. Ob der KLP-P auch ohne Novellierung ausreichend sei, müsse man daher auch getrennt betrachten. Und wie geht es nun konkret weiter? In den kommenden Wochen und Monaten werden die Kammern für den KLP-P bei den Hochschullehrern werben. Denn der Katalog hat nur Empfehlungscharakter. Was wie letztendlich umgesetzt wird, liegt in den Händen der Institute. Eckert-Lill glaubt aber, dass der Wille zur Reform an den Hochschulen vorhanden sei. |

Pharmaziestudium in den USA

In der Diskussion um das Pharmaziestudium kann sich der Blick in andere Länder lohnen (DAZ 17, S. 24). An der University of Florida fokussiert sich das Studium weniger auf das Arzneimittel mit seinen chemischen Eigenschaften, sondern beschäftigt sich mehr mit dem Patienten und heilberuflichen Aufgaben. So wurden beispielsweise die Fächer Pharmakologie, Medizinische Chemie, Pharmakotherapie und Klinische Pharmazie zusammengelegt und das neue Fach Patient Care geschaffen. Der Unterricht erfolgt dann indikationsbezogen in allen Bereichen der ehemaligen Fächer. Auch der Erwerb sozialer Kompetenz spielt an der UF eine wichtige Rolle. In kleinen Arbeitsgruppen werden in Rollenspielen Alltagssituationen nachgestellt, in denen die Studenten den Umgang mit Patienten üben können. Ebenso wird wissenschaftliches Arbeiten in kleineren Projekten und Abschlussarbeiten gefördert. Für die fortlaufende Evaluation des Studiums wurde eine Arbeitsgruppe aus Fakultätsmitgliedern, Studenten, Lehrern und Ehemaligen eingerichtet, um die Lehrinhalte stets auf dem neuesten Stand zu halten.

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