Arzneimittel und Therapie

Zielgerichtet gegen Lungenkarzinom

Durvalumab, Osimertinib und Tremelimumab sollen Therapie des NSCLC verbessern

Beim nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) werden zunehmend stratifizierte Therapien eingesetzt. Voraussetzung hierfür sind bestimmte genetische Merkmale des Tumors, die das Krebswachstum fördern, sowie Wirkstoffe, die ziel­gerichtet gegen diese Aberration eingesetzt werden können. Drei neue Arzneistoffe, die sich gegen unterschiedliche Zielstrukturen wenden, wurden bei einer von AstraZeneca unterstützten Pressekonferenz auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO) vorgestellt.
Foto: Science Photo Library / Brauner, Pr.M.
Nicht-kleinzelliges Lungenkarzinom im fortgeschrittenen Stadium. Lungenkrebs gehört zu den Krebserkrankungen mit ungünstiger Prognose. Er ist mit Abstand die häufigste Krebstodesursache bei Männern und die zweithäufigste bei Frauen.

Mit dem PD-L1(programmed death ligand 1)-Inhibitor Durvalumab steht ein Vertreter der Immunonkologie zur Therapie des NSCLC zur Verfügung. Er wird bei Patienten mit lokal fortgeschrittenem, inoperablem NSCLC im Stadium III eingesetzt und soll verhindern, dass sich Karzinomzellen der natürlichen Immunabwehr entziehen. In diesem Stadium wird in der Regel auf eine Resektion verzichtet, da der Tumor bereits metastasiert ist. Trotz einer Radio-Chemotherapie werden nur selten Remissionen erzielt. In der PACIFIC-Studie wurde nun untersucht, wie sich eine Behandlung mit dem PD-L1-­Inhibitor Durvalumab auswirkt. Während es in der Placebo-Gruppe median nach 5,6 Monaten zur erneuten Tumorprogression kam, war dies in der Durvalumab-Gruppe erst nach median 16,8 Monaten der Fall. Der PD-L1-Inhibitor verlängerte somit das mediane progressionsfreie Überleben gegenüber dem Kontrollarm ­signifikant um elf Monate (HR 0,52), was für ein fortgeschrittenes Bronchial­karzinom ein auffallend günstiges Ergebnis ist.

Die neuen Wirkstoffe

Durvalumab (Imfinzi®) ist ein selektiver humaner IgG-Antikörper (Subtyp IgG1). Er bindet humanes PD-L1, den Liganden des Rezeptors PD-1. Die US-amerikanische FDA hat dem Präparat kürzlich den Status einer „Breakthrough Designation“ verliehen, die die Einführung des Präparates beschleunigen dürfte. Ein Antrag auf Marktzulassung in Europa liegt bei der EMA vor.

Osimertinib (Tagrisso®) ist ein Tyrosinkinase-Inhibitor. Der Wirkstoff ist ein irreversibler Inhibitor der epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptoren mit aktivierenden Mutationen und mit der TKI-Resistenzmutation T790M. Nach negativer Nutzenbewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) – aufgrund von methodischen Mängeln – hatte AstraZeneca im November 2016 das Präparat vom Markt genommen, mit der Ankündigung, Daten nachzureichen. Das hat sich offenbar gelohnt: Der Gemeinsame Bundesausschuss sieht nun einen beträchtlichen Zusatznutzen. Am 19. Oktober 2017 hat der G-BA Osimertinib im Rahmen der erneuten Nutzenbewertung einen beträchtlichen Zusatznutzen attestiert. Seit dem 1. November 2017 ist Tagrisso® auf dem deutschen Markt wieder regulär verfügbar.

Tremelimumab (früher Ticilimumab) ist ein selektiver, monoklonaler, humaner IgG-Antikörper (Subtyp IgG2). Er fungiert als Checkpoint-Inhibitor durch Bindung an den humanen Rezeptor CTLA-4, der auf der Oberfläche aktivierter T-Zellen exprimiert wird.

Osimertinib erhöht progressionsfreies Überleben

Bei rund 15% der Patienten mit einem NSCLC liegen aktivierende Mutationen im Rezeptor für den epidermalen Wachstumsfaktor (EGFR) vor, was den Einsatz von EGFR-Tyrosinkinase-­Inhibitoren erklärt. Zwischenzeitlich sind mehrere EGFR-Tyrosinkinase-Hemmer verfügbar, die mit klinischem Erfolg eingesetzt werden. ­Problematisch ist jedoch eine Mutation T790M im EGFR-Gen, auf die ­keine der herkömmlichen Hemmstoffe anspricht. Für diese Situation wurde Osimertinib entwickelt, das auch bei Vorliegen dieser Mutationen wirksam ist. In der FLAURA-Studie führte die Behandlung mit Osimertinib im Vergleich mit Erlotinib oder Gefitinib in der Erstlinien-Therapie bei Patienten im Stadium IV zu einer Verlängerung des progressionsfreien Überlebens um 8,7 Monate auf 18,9 Monate. Die Überlegenheit zeigte sich in allen Subgruppen, auch bei Patienten mit Hirn­metastasen.

Die Studien

PACIFIC ist eine randomisierte, doppelblinde und Placebo-kontrollierte multizentrische Studie zu Durvalumab als Folgebehandlung bei Patienten mit einem lokal fortgeschrittenen, inoperablen NSCLC (Stadium III), deren Tumor nach Platin-basierter Standardchemotherapie und gleichzeitiger Strahlentherapie nicht progredient war. Die co-primären Endpunkte sind das progressionsfreie Überleben und das Gesamtüberleben.

FLAURA ist eine randomisierte, doppelblinde, multizentrische, internationale Phase-III-Studie. Sie vergleicht Wirksamkeit und Sicherheit von Osimertinib mit entweder Erlotinib oder Gefitinib bei nicht vorbehandelten Patienten mit einem lokal fortgeschrittenen oder metastasierten NSCLC mit EGFR-Mutation. Der primäre Endpunkt der Studie ist das progressionsfreie Überleben.

MYSTIC ist eine randomisierte, offene, multizentrische Phase-III-Studie. Sie vergleicht Durvalumab in der Monotherapie und in der Kombinationstherapie (Durvalumab plus Tremelimumab) mit einer Platin-basierten Standardchemotherapie bei Patienten mit metastasiertem NSCLC und Wildtyp-­EGFR- und Wildtyp-ALK-Gen. Studienendpunkt ist das progressionsfreie Überleben.

Kombinierte Immuntherapie erfolglos

In der MYSTIC-Studie wurde eine Kombination zweier immunologisch wirksamer Arzneistoffe untersucht. Dazu wurden Tremelimumab und Durvalumab in der Erstlinientherapie des metastasierten NSCLC im Stadium IV eingesetzt. Diese Kombination führte zu keinem verbesserten progressionsfreien Gesamtüberleben. Über die Gründe des negativen Studien­ausgangs kann bislang nur spekuliert werden. Möglicherweise hätte die Wahl eines anderen Studienendpunktes wie dem Gesamtüberleben zu einem anderen Ergebnis geführt, da der Erfolg einer Immuntherapie eher auf lange Sicht zu beurteilen ist. |

Quelle

Priv.-Doz. Dr. Niels Reinmuth, München, Prof. Dr. Frank Griesinger, Oldenburg: Therapielandschaft Lungenkrebs: Drei AstraZeneca-Studien im Fokus. Pressekonferenz veranstaltet von der AstraZeneca GmbH im Rahmen der diesjährigen Jahrestagung der DGHO, Stuttgart, 29. September 2017

Scott JA et al. Durvalumab after chemoradio­therapy in stage III non–small-cell lung cancer. DOI: 10.1056/NEJMoa1709937

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

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