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Lieferengpässe

Wie lange bleibt der Kühlschrank leer?

Das Paul-Ehrlich-Institut analysierte die Lieferengpässe bei Reiseimpfstoffen

Seit Oktober 2015 veröffentlicht das Paul-Ehrlich-Institut auf seiner Homepage Meldungen über Liefer­engpässe bei Human-Impfstoffen. Eine retro­spektive Analyse zeigt, dass es wiederholt zu Lieferengpässen bei Reiseimpfstoffen gekommen ist. Im folgenden Artikel werden die Lieferengpassmeldungen zusammengefasst und erläutert, welche praktischen Konsequenzen sich für die Reisenden ergeben können. | Von Maria Miranda-Garcia, Klaus Cichutek und Isabelle Bekeredjian-Ding

Das Meldeverfahren über Lieferengpässe bei Humanimpfstoffen auf der Homepage des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) (www.pei.de/lieferengpaesse-impfstoffe-human) beruht auf einer freiwilligen Selbstverpflichtung der Impfstoffhersteller, die dem PEI so frühzeitig wie möglich melden, wenn Impfstoffprodukte nicht mehr verfügbar sind [1, 2]. Inzwischen sind etwa 100 Meldungen über Produktlieferengpässe und eingeschränkte Lieferbarkeit von einzelnen Verpackungsgrößen eingegangen (Abb. 1).

Abb. 1: Lieferengpassmeldungen für Humanimpfstoffe

Transparenz schaffen

Das System wurde etabliert, um vor allem für die Apotheken Transparenz über die Lieferfähigkeit der Impfstoffhersteller zu schaffen. Die dabei entstandene Plattform hat sich allerdings weiterentwickelt. Sie enthält heute produktspezifische Auskunft für Ärzte und Apotheker sowie Kurzzusammenfassungen für den Endverbraucher. Bei Nicht-Lieferbarkeit von Impfstoffen werden vom PEI gleichartige Alternativprodukte benannt, die für die gleiche Indikation zugelassen sind. Fehlen alle gleichartigen Impfstoffprodukte, werden medizinische Empfehlungen in Form von Handlungshinweisen vom Robert Koch-Institut (RKI) und der Ständigen Impfkommission (STIKO) veröffentlicht (www.rki.de/impfstoffknappheit) und mit der Homepage des PEI verlinkt. Sie dienen als Leitfaden für die Priorisierung bestimmter Impfungen oder ausgewählter Bevölkerungsgruppen und werden vor allem von Ärzten genutzt.

Für das Verständnis des Meldesystems ist es wichtig, dass weder dem PEI noch dem RKI verlässliche Zahlen über die tatsächliche Versorgungslage auf der Ebene des Endverbrauchers vorliegen. Die Zahl der im Rahmen der staatlichen Chargenprüfung durch das PEI freigegebenen Impfstoffdosen kann hier lediglich einen Anhaltspunkt liefern. Die Einschätzung der Versorgungslage ist daher sehr schwierig. Die Erfahrungen zeigen jedoch, dass die in der Handelskette vorhandenen Vorräte in der Regel für mehrere Wochen ausreichen und dass zum Teil mithilfe des Parallelhandels weitere Zeit überbrückt werden kann.

Bei der Erstellung solcher Empfehlungen ist es oft wesentlich, zu wissen, wie lange die von den Herstellern angegebene Dauer der Lieferengpässe sein wird und ob der Markt gesättigt ist. Die Analyse zeigt, dass die Dauer eines Lieferengpasses sehr stark variieren kann. In den meisten Fällen melden die Hersteller Lieferausfälle über 1-3 Monate; in ca. 30 Prozent der Fälle ist die Lieferung jedoch über mehr als drei Monate ausgesetzt worden (Abb. 2). Unter den betroffenen Lieferengpässen, die länger als drei Monate angehalten haben, waren mehrere Impfstoffprodukte, die für Reisende eingesetzt werden, wie z. B. der Gelbfieberimpfstoff Stamaril, der monovalente Polioimpfstoff IPV Merieux sowie verschiedene Typhusimpfstoffprodukte.

Abb. 2: Dauer der Produktlieferengpässe

Seit Beginn des Meldeverfahrens drohte nur einmal ein gravierender Versorgungsmangel [3]. Im Sommer 2016 wurde der Hinweis auf den Versorgungsmangel für Sechsfach-Kombinationsimpfstoffe nach Arzneimittelgesetz (AMG) § 79 Absatz 5 im Bundesanzeiger veröffentlicht (BAnz AT 27.06.2016 B4). Hintergrund waren Probleme bei der Herstellung einer Komponente des Impfstoffs mit dem größeren Marktanteil, die mit dem Alternativprodukt nur durch zusätzlichen Import bereits fremdsprachlich gekennzeichneter Ware aufgefangen werden konnten. Die Bekanntmachung des Versorgungsmangels stellt eine sehr weitreichende Maßnahme dar, die daher nur selten genutzt wird; in der damaligen Situation war sie allerdings Voraussetzung für die rasche Einfuhr von Ware, die anderweitig wegen der fehlenden deutschsprachigen Kennzeichnung nach AMG nicht hätte in Deutschland vertrieben werden dürfen. Zum damaligen Zeitpunkt konnten auf diese Weise eine Minderversorgung der Säuglinge und wichtige Impflücken in den betroffenen Altersgruppen verhindert werden.

Welche Impfstoffe sind betroffen?

Die nun durchgeführte retrospektive Analyse der Lieferengpassmeldungen zeigt, dass fast alle Impfstoffprodukte in den vergangenen zwei Jahren betroffen waren (Tab. 1). Ausnahmen waren die Virusimpfstoffe gegen Masern, Mumps, Röteln (MMR) und Varizellen (jeweils ein Lieferengpass bei einem MMR- und einem Varizellenimpfstoff) sowie die Grippeimpfstoffe. Bei Letzteren ist das PEI dazu übergegangen, den saisonalen Abverkauf des Impfstoffkontingents auf den Influenza-Webseiten des PEI anzuzeigen, dieses aber nicht als Lieferengpass zu deklarieren, weil es sich wegen der jährlichen Neuherstellung dieses saisonalen Impfstoffs um einen geplanten Abverkauf handelt.


Tab. 1: Lieferengpässe bei Reiseimpfstoffen im Zeitraum Oktober 2015 bis Oktober 2017
Impfung
Krankheitsbild
Melde-pflicht*
Betroffene ­Regionen/Länder
Anzahl zugelassener Impfstoff-produkte**
Lieferengpassmeldungen
Anzahl (Quartale)
Dauer
(Wochen)
Gelbfieber
hämorrhagisches Fieber durch Gelbfieber-Virus
§ 7
tropisches Afrika und Südamerika
1 Lebendvirusimpfstoff
2
Q2-2016
Q3-2016
11 bzw. 18
Tollwut
Infektion des zentralen Nervensystems mit Rabiesvirus
§ 6, § 7
weltweit (außer Antarktis); 95% aller Todesfälle in Asien und Afrika
2 inaktivierte Virusimpfstoffe
4
Q3-2016
Q1-2017
Q2-2017
Q3-2017
5-18
Poliomyelitis
Kinderlähmung; Infektion des ­Nervensystems mit Polio-Enteroviren (Typ 1, 2, 3)
§ 6, § 7
Afghanistan, ­Nigeria, Pakistan
3 monovalente inaktivierte Virusimpfstoffe; zusätzlich Kombinationsimpfstoffe
6
Q2-2016 (2)
Q3-2016 (2)
Q4-2016
Q1-2017
3-24
Cholera
bakterielle Darmerkrankung mit ­exzessivem Wasserverlust durch Vibrio cholerae
§ 6, § 7
endemisch in ­Sub-Sahara-Afrika und Südostasien
1 Inaktivat-Impfstoff
2
Q3-2016
Q4-2016
1 bzw. 2
Hepatitis A
akute infektiöse Entzündung der ­Leber durch ­Hepatitis-A-Virus
§ 7
in den meisten ­tropischen Ländern, Osteuropa und ­Mittelmeerraum
6 inaktivierte Virusimpfstoffe; 2 Kombinationsimpfstoffe mit Typhus
6
Q4-2015 (3)
Q1-2016 (2)
Q2-2016
2-13
Typhus
schwere systemische Infektion mit hohem Fieber verursacht durch das Bakterium Salmonella typhi
§ 6, § 7
Afrika, Südamerika und Südostasien
2 Polysaccharid-Impfstoffe; 1 Lebendimpfstoff; 2 Kombinationsimpfstoffe mit Hepatitis-A-Komponente
2
Q4-2015 (2)
11-30
Meningokokken-Meningitis
bakterielle Hirnhautentzündung durch Neisseria meningitidis Serogruppen A, C, Y, W135
§ 7
Afrika (Meningitis-Gürtel)
3 ACWY- und 4 Meningokokken-Gruppe-C-Konjugat-Impfstoffe
1
Q2-2016
35

* Meldepflicht nach § 6 (Arzt) und 7 (Labor) Infektionsschutzgesetz (IfSG)

** in Deutschland (PEI): https://www.pei.de/DE/arzneimittel/impfstoff-impfstoffe-fuer-den-menschen/informationen-zu-impfstoffen-impfungen-impfen.html

Von Lieferengpässen besonders betroffen sind vor allem Pertussis- und Polio-Antigen-haltige Kombinationsimpfstoffe für Auffrischimpfungen und Hepatitis-B-Impfstoffe [2]. Die Gründe für die Lieferengpässe sind hier ähnlich: Es gibt Probleme bei der Herstellung und gleichzeitig eine erhöhte Nachfrage.

  • Bei Pertussisantigen-haltigen Impfstoffen besteht eine global erhöhte Nachfrage. Im Vordergrund standen Probleme bei der Herstellung der Pertussiskomponente, die in Zusammenhang mit der Anpassung der Produktionsverfahren an die erhöhte Nachfrage standen [4].
  • Auch bei den Polioimpfstoffen ist ein weltweiter Anstieg der Nachfrage zu verzeichnen, der auf eine breite Umstellung von oralem Polioimpfstoff auf den Inaktivatimpfstoff zurückzuführen ist [5, 6].
  • Bei den Hepatitis-B-Impfstoffen sind Herstellungsprobleme in Kombination mit ebenfalls weltweitem Anstieg des Bedarfs an Hepatitis-B-Impfstoff Grundlage der Lieferengpässe [7, 8].

Langfristige Reiseplanung und rationaler Umgang mit Impfstoffen

Die Globalisierung bringt mit sich, dass unsere Gesellschaft mobiler geworden ist. Dementsprechend halten sich immer mehr Menschen beruflich und als Touristen in Ländern auf, in denen Infektionserkrankungen noch vorkommen, die bei uns keine Gefahr darstellen oder als ausgerottet gelten. Die Aufenthaltsdauer variiert entsprechend stark, von wenigen Tagen bis vielen Monaten, und damit verändert sich auch die Expositionsdauer. Die reisemedizinischen Sprechstunden von Haus- oder Fachärzten bieten eine entsprechende Vorbereitung an, zu der neben Verhaltensempfehlungen und der Malariaprophylaxe auch Impfungen gehören. Diese Impfungen dienen dem Schutz des Reisenden, manche, wie z. B. die Gelbfieberimpfung, sind sogar für die Einreise in bestimmte Länder vorgeschrieben [9].

In den vergangenen zwei Jahren ist es wiederholt zu Lieferengpässen gekommen, die für die Reisenden relevant waren. Dazu zählen die zeitweise eingeschränkte Lieferfähigkeit bei Impfstoffen gegen Gelbfieber, Tollwut, Poliomyelitis, Cholera, Meningokokken-Meningitis, Hepatitis A und Typhus. Die Lieferengpässe und die Konsequenzen für die betroffenen Personenkreise sind unten erläutert und in Tab. 1 zusammengefasst.

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Die Globalisierung hat dazu geführt, dass sich Menschen beruflich oder als Touristen in Ländern aufhalten, in denen als ausgerottet geltende Infektionserkrankungen vorkommen.

Insgesamt zeigt sich, dass es zum einen zu wiederholten Lieferengpässen beim gleichen Impfstoff kam und zum zweiten, dass die Dauer der Lieferengpässe bei diesen Impfstoffen häufig länger als drei Monate angehalten hat. Informationen über die Reserven und die Vorratshaltung liegen dem PEI auch bei diesen Impfstoffen nicht vor. Es ist aber davon auszugehen, dass Impfungen nicht immer wie geplant vorgenommen werden konnten. Bestenfalls musste eine zeitliche Verzögerung der Impfung in Kauf genommen werden. Allerdings ist eine langfristige Planung von Auslandsaufenthalten nicht immer möglich. Dementsprechend schränken Lieferengpässe die Flexibilität ein oder führen dazu, dass auf den Impfschutz verzichtet werden muss. Im Einzelfall bedeutet dies:

  • Gelbfieber: Die Gelbfieberimpfung wird in endemischen Ländern in tropischem Afrika und Südamerika von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlen. Entsprechend der STIKO-Empfehlungen ist die Gelbfieberimpfung lebenslang gültig [10]. Ungeimpften Personen kann jedoch die Einreise oder der Transit durch Länder, die eine Impfung fordern, untersagt werden (siehe WHO: http://www.who.int/ith/2017-ith-country-list.pdf?ua=1) [9]. Es steht nur ein Impfstoff zur Verfügung (Stamaril®). Es bestand ein ca. 4-monatiger Lieferengpass in 2016.
  • Tollwut: Unter den Reisenden sind Personen betroffen, die in Tollwut-gefährdete Regionen reisen und bei denen Kontakt zu Tieren vorhersehbar ist. Das Risiko für eine Exposition muss individuell abgeschätzt werden. Eine Auffrischimpfung wird von der WHO nicht empfohlen (http://www.who.int/ith/vaccines/rabies/en/). Es stehen zwei Impfstoffe zur Verfügung (Rabipur® und Toll­wut­impf­stoff[HDC]®). In 2017 waren beide Impfstoffe für ca. einen Monat nicht lieferbar. Außerhalb dieses Zeitraums war mindestens ein Impfstoff lieferbar. Es ist davon auszugehen, dass die Versorgung sichergestellt war. Die Postexpositionsprophylaxe gegen Tollwut war zu jedem Zeitpunkt sichergestellt, weil zurückgehaltene Notfallreserven sowohl die Belieferung von Notfalldepots als auch im Einzelfall den Direktbezug von Impfstoff beim Hersteller erlaubten.
  • Poliomyelitis: Bei vollständiger Grundimmunisierung wird eine Auffrischimpfung mit Inaktivatimpfstoff (IPV) bei Reisenden in Länder mit hohem Infektionsrisiko von der STIKO empfohlen, wenn die letzte Impfung mehr als zehn Jahre zurückliegt [10]. Im Falle eines Lieferengpasses müsste eine individuelle Entscheidung gefällt werden. Eine unvollständige Grundimmunisierung muss vervollständigt werden. Neben den zugelassenen monovalenten inaktivierten Polio-Impfstoffen (IPV Merieux®, Imovax Polio®, Poliovaccine SSI®) – von denen einer in 2016 und 2017 mehrfach über längere Zeiträume nicht lieferbar war – stehen in Deutschland Polio-haltige Kombinationsimpfstoffe (Repevax®, Boostrix-Polio® und Revaxis®) zur Verfügung. In der Regel war von diesen mindestens eines der Impfstoffprodukte lieferbar. Aufgrund der hohen Absatzmengen ist zudem davon auszugehen, dass die Marktversorgung im Vergleich zu Impfstoffen, die weniger häufig Verwendung finden, sehr gut ist.
  • Cholera: Bei geplanten Aufenthalten in Gebieten mit aktuellen Ausbrüchen oder hochgefährdeten Regionen wird von der STIKO eine Impfung empfohlen [10]. In Deutschland ist Dukoral® der einzige zugelassene Impfstoff. Ein weiterer Impfstoff, Vaxchora®, wurde zwar in 2016 von der FDA zugelassen [11]; in der EU ist er jedoch nicht zugelassen. Dukoral® war in 2016 zweimal über jeweils zwei Wochen nicht lieferbar. Es ist davon auszugehen, dass die Versorgung sichergestellt war.
  • Hepatitis A: Die Hepatitis-A-Impfung wird von der STIKO bei Reisenden in Länder mit hoher Hepatitis-A-Prävalenz empfohlen [10]. Es stehen mehrere Impfstoffe zur Verfügung (Ambirix®, Avaxim®, Epaxal®, Havrix 720 Kinder®, Havrix 1440®, Twinrix Kinder® und Twinrix Erwachsene® (enthalten zusätzlich Hepatitis B), Vaqta®, Vaqta Kinder®, Viatim® (enthält zusätzlich Typhus). Die Impfstoffe unterscheiden sich in der jeweiligen Altersindikation. Trotz weltweiter Knappheit an Hepatitis-A- und -B-Impfstoffen kam es im Zeitraum von 2015 bis 2017 zwar zum Lieferausfall bei einzelnen Produkten, aber bislang nicht zu einem absehbaren Versorgungsproblem. Aktuell existiert speziell für Kinder eine Verknappung durch Lieferengpässe für Havrix 720 Kinder® und Vaqta Kinder®; es stehen jedoch Alternativen für diese Altersgruppe zur Verfügung.
  • Typhus: Von der STIKO wird eine Impfung bei Reisenden in Endemiegebiete empfohlen, wenn vorauszusehen ist, dass die hygienischen Bedingungen schlecht sein könnten. Die WHO empfiehlt die Impfung gegen Typhus insbesondere bei Aufenthalten, die länger als einen Monat andauern und in Regionen erfolgen, bei denen bekannt ist, dass Antibiotika-resistente Stämme verbreitet sind (http://www.who.int/ith/vaccines/typhoidfever/en/) [12]. In Deutschland sind mehrere Impfstoffe zugelassen (Hepatyrix® (enthält zusätzlich Hepatitis A), Typherix®, Typhim Vi®, Typhoral L®, Viatim® (enthält zusätzlich Hepatitis A). Im Zeitraum von 2015 bis heute wurden bei diesen Impfstoffen mehrere, zum Teil länger andauernde Impfstofflieferengpässe gemeldet. Ende 2015 waren die beiden monovalenten Typhusimpfstoffe nicht lieferbar. Hier musste auf die Hepatitis-A-Kombinationsimpfstoffe, soweit lieferbar, zurückgegriffen werden. Durch die längerfristigen Lieferausfälle bei Hepatyrix® und Typherix® kommt es aktuell erneut zur Einschränkung der Produktauswahl. Damit wirken sich Lieferengpässe bei anderen Produkten stärker aus.
  • Meningokokken: Die Impfung mit den tetravalenten Meningokokkenimpfstoffen wird von der STIKO bei Reisen in Länder mit epidemischem/hyperendemischem Vorkommen und besonders bei engem Kontakt zur einheimischen Bevölkerung empfohlen. Zwischen 2015 und 2017 gab es nur einen Lieferengpass bei diesen Produkten; die Versorgung war durch Alternativprodukte sichergestellt.

Insgesamt gesehen zeichnet sich ab, dass die Versorgung mit fast allen Impfstoffen durchgehend sichergestellt war. Am Beispiel Poliomyelitis kann zudem veranschaulicht werden, dass es wesentlich ist, die Indikationsstellung zu prüfen und unnötige Impfungen auch in Hinblick auf die Lieferengpässe zu vermeiden. Alternative Impfstoffkombinationen stehen zur Verfügung und können daher gezielt Anwendung finden. Eine klare Indikationsstellung und eine rationale Planung der Reiseimpfungen sind hier wichtig.

Die Beispiele Gelbfieber, Typhus und Tollwut zeigen, dass bei Impfstoffen, die vergleichsweise selten eingesetzt werden, die Produktvielfalt tendenziell geringer ist, und dadurch im Lieferengpass nur wenige Ausweichmöglichkeiten übrigbleiben. Aufgrund der insgesamt niedrigen Absatzmengen und der dadurch niedrigen geplanten Impfstoffkontingente für den deutschen Markt ist zudem im Lieferengpass der Ausgleich durch ein Alternativprodukt oftmals schwierig. In der Gesamtbetrachtung zeichnet sich jedoch bei allen Impfstoffen ab, dass das Produktportfolio nur auf zwei bis maximal drei Hersteller zurückzuführen ist.

Impfschutz gegen Reisediarrhöe und andere ­multiresistente Erreger

Es gibt eine Vielzahl von enteritischen Infektionserregern, die Durchfallerkrankungen verursachen können. Häufig werden die Erreger über unzureichend erwärmte Speisen und Getränke aufgenommen. Hierzu gehören enterotoxigene und enteroinvasive Escherichia-coli-Stämme (ETEC und EIEC), Shigellen und Bakterienerkrankungen, die auch in Deutschland vorkommen, wie z. B. Campylobacter-Enteritiden und Salmonellosen. Vor dem Hintergrund des Anstiegs der Antibiotikaresistenz bei allen diesen Spezies [12, 13] wären Impfstoffentwicklungen auf diesem Gebiet nützlich. Allerdings befinden sich bis dato keine Impfstoffe gegen diese Enteritiserreger in der Zulassung. Lediglich für den Choleraimpfstoff Dukoral wurde aufgrund der Homologie der Krankheitsverursachenden hitzelabilen Toxine eine Kreuzprotektion mit ETEC postuliert [14]; sie ist aber nicht Bestandteil der aktuellen Zulassung.

Durch das Reisen in Länder, in denen der Antibiotikakonsum liberal gehandhabt wird, Antibiotika in der Massentierhaltung Verwendung finden und/oder im Rahmen der industriellen Produktion in Abwasser gelangen, kommen Menschen mit multiresistenten Bakterien aus unterschiedlichen Quellen in Kontakt und manche Menschen werden dadurch zu transienten oder permanenten Trägern dieser Bakterien. Auch hier erscheint eine Impfung sinnvoll; es zeigt sich aber, dass die Entwicklung von Impfstoffen gegen Erreger, die den menschlichen Körper kolonisieren, sehr komplex ist und aktuell noch nicht erfolgreich [15].

Impfstoffe gegen Malaria und hämorrhagische Fiebererkrankungen

Das PEI war im Jahr 2015 an der Artikel-58-Empfehlung des ersten Impfstoffs für Malaria (Mosquirix®) beteiligt [16]. Bei dem Verfahren handelte es sich um ein sogenanntes Artikel-58-Verfahren gemäß Verordnung (EG) Nr. 726/2004, bei dem die europäische Arzneimittelagentur (EMA) in Zusammenarbeit mit der WHO eine wissenschaftliche Bewertung von Produkten koordiniert, die für das Inverkehrbringen außerhalb der Europäischen Gemeinschaft bestimmt sind. Der Impfstoff muss trotz eines positiven wissenschaftlichen Gutachtens noch in klinischen Studien erprobt werden. Ein Einsatz als Reiseimpfstoff ist nicht vorgegeben. Allerdings gibt es eine Reihe anderer interessanter Produktentwicklungen, die zukünftig möglicherweise zur Verfügung stehen könnten.

Gegen Denguefieber gibt es Impfstoffentwicklungen mehrerer Hersteller. Allerdings steht der Nachweis der klinischen Wirksamkeit und Sicherheit noch aus. Demnach sind auch hier keine Produkte verfügbar.

Weltweit gibt es darüber hinaus zahlreiche Initiativen, die sich insbesondere für die Entwicklung von Impfstoffen gegen andere hämorrhagische Viruserkrankungen, wie z. B. Zika-, Ebola- und Lassa-Viren, einsetzen. Gegen Ebola gibt es heute hauptsächlich zwei Impfstoffkandidaten, die möglicherweise in Zukunft die Zulassung in der EU und/oder den USA erhalten könnten [17, 18]. Auch hier wäre ein Einsatz in der Reisemedizin wünschenswert, ist aber noch nicht in Aussicht.

Zusammenfassung

Es kann davon ausgegangen werden, dass die Versorgung der Reisenden mit Impfstoffen gegen Cholera, Typhus, Poliomyelitis, Meningokken-Meningitis, Tollwut und Hepatitis A weitgehend sichergestellt war. Lediglich bei der Gelbfieberimpfung kam es in 2016 durch einen viermonatigen Lieferausfall zu einer Impfstoffverknappung. |

Literatur

[1]. Bekeredjian-Ding I. Lieferengpässe bei Impfstoffen – Meldungen, Gründe und Auswirkungen. Bulletin zur Arzneimittelsicherheit. 2016;(4):30–6

[2] Miranda-Garcia MA, Götz KB, Ruhaltinger D et al. Lieferengpässe bei Impfstoffen: Einblick in Zahlen und Hintergründe. Deutsches Ärzteblatt. 2017;(114 (17)):A844-848

[3] Bekeredjian-Ding I. Impfstoffknappheit/ Lieferengpässe – müssen wir uns daran gewöhnen? Berichtsband. 2017;5. Nationale Impfstoffkonferenz(Impfen in unterschiedlichen Lebenswelten - Gemeinsam Impflücken schließen!):97–105

[4] ECDC. Shortage of acellular pertussis-containing vaccines and impact on immunisation programmes in the EU/EEA (first update). ECDC Rapid Risk Assessment. 2016

[5] Rubin J, Ottosen A, Ghazieh A et al. Managing the Planned Cessation of a Global Supply Market: Lessons Learned From the Global Cessation of the Trivalent Oral Poliovirus Vaccine Market. J Infect Dis. 2017;216(suppl_1):S40-S45. doi:10.1093/infdis/jiw571

[6] Stefanelli P, Buttinelli G, Rezza G. Poliomyelitis: Residual hurdles to global eradication. Commentary. Ann Ist Super Sanita. 2016;52(4):469–71. doi:10.4415/ANN_16_04_01

[7] Ziesenitz VC, Mazer-Amirshahi M, Zocchi MS et al. U.S. vaccine and immune globulin product shortages, 2001-15. Am J Health Syst Pharm. 2017;74(22):1879–86. doi:10.2146/ajhp170066

[8] Matthews PC, Barnes E. Hepatitis B vaccine shortage: Another symptom of chronic neglect? BMJ. 2017;359j4686. doi:10.1136/bmj.j4686

[9] WHO. Vaccination requirements and recommendations for international travellers, including yellow fever and malaria: List of countries, territories and areas: WHO; 16 February 2017

[10] STIKO. Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut – 2017/2018. Epidemiologisches Bulletin. 2017;(34-2017)

[11] Mosley JF, Smith LL, Brantley P, et al. The First FDA-Approved Cholera Vaccination in the United States. P T. 2017;42(10):638–40

[12] Crump JA, Sjölund-Karlsson M, Gordon MA, et al. Epidemiology, Clinical Presentation, Laboratory Diagnosis, Antimicrobial Resistance, and Antimicrobial Management of Invasive Salmonella Infections. Clin Microbiol Rev. 2015;28(4):901–37. doi:10.1128/CMR.00002-15

[13] Humphries RM, Schuetz AN. Antimicrobial susceptibility testing of bacteria that cause gastroenteritis. Clin Lab Med. 2015;35(2):313–31. doi:10.1016/j.cll.2015.02.005

[14] López-Gigosos R, Campins M, Calvo MJ et al. Effectiveness of the WC/rBS oral cholera vaccine in the prevention of traveler‘s diarrhea: A prospective cohort study. Hum Vaccin Immunother. 2013;9(3):692–8

[15] Pletz MW, Uebele J, Götz K, et al. Vaccines against major ICU pathogens: Where do we stand? Curr Opin Crit Care. 2016;22(5):470–6. doi:10.1097/MCC.0000000000000338

[16] Wilby KJ, Lau TTY, Gilchrist SE, Ensom MHH. Mosquirix (RTS,S): A novel vaccine for the prevention of Plasmodium falciparum malaria. Ann Pharmacother. 2012;46(3):384–93. doi:10.1345/aph.1AQ634

[17] Milligan ID, Gibani MM, Sewell R et al. Safety and Immunogenicity of Novel Adenovirus Type 26- and Modified Vaccinia Ankara-Vectored Ebola Vaccines: A Randomized Clinical Trial. JAMA. 2016;315(15):1610–23. doi:10.1001/jama.2016.4218

[18] Coller B-AG, Blue J, Das R et al. Clinical development of a recombinant Ebola vaccine in the midst of an unprecedented epidemic. Vaccine. 2017;35(35 Pt A):4465–9. doi:10.1016/j.vaccine.2017.05.097

Autoren

Dr. med. Maria Auxiliadora Miranda-Garcia, seit 2017 als klinische Assessorin am Paul-Ehrlich-Institut. Medizin­studium in Valencia und Venezuela; Masterstudium der Immunologie und Facharzt in Pädiatrie in Caracas, Venezuela; 2009-2012 DAAD Stipendium und Promotion in Heidelberg am Department für Infektiologie; 2012-2016 Wiss. Angestellte in der Pädiatrischen Rheumatologie und Immunologie, Univer­sitätsklinikum Münster, Pädiatrische Tätigkeit in Lingen.

­Prof. Dr. rer. nat. Klaus Cichutek, außerplanmäßiger Professor für Biochemie an der Universität Frankfurt/Main und seit 2009 Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts. Studium und Promotion im Fach Biochemie in Münster; Forschungsaufenthalt an der University of California, Berkeley, USA; 1988-1994 Leiter der Forschungsgruppe „Molekularbiologie“ am PEI; 1994-2011 Leiter der Abteilung Medizinische Biotechnologie; 2001-2009 Vizepräsident des PEI. Seit 2014 Leiter der HMA Management Group der Heads of Medicines Agencies.

Prof. Dr. med. Isabelle Bekeredjian-Ding, außerplanmäßige Professorin für Immunologie und Med. Mikrobiologie an der Universität Bonn und seit 2015 Leiterin der Abteilung Mikrobiologie am Paul-Ehrlich-Institut; Studium der ­Humanmedizin und Promotion in Heidelberg; AiP Klinikum Großhadern, München; Postdoktorate in Dallas, Texas, und München; 2005-2012 Forschungsgruppenleitung und Fachärztin in Med. Mikrobiologie, Heidelberg; 2012-2014 Stellv. Ärztl. Direktorin Institut für Med. Mikrobiologie, Immunologie und Parasitologie, Bonn.

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