DAZ aktuell

Honorargutachten sorgt für Schlagzeilen

Weitere Gutachten-Leaks in der Presse – Gutachter halten nichts vom Rx-Versandverbot

BERLIN (bro/ks) | Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) hält das von ihm in Auftrag gegebene Gutachten zum Apothekenhonorar weiterhin zurück. Dennoch sorgten Details aus der Studie in der vergangenen Woche in vielen Tageszeitungen für Schlagzeilen. Ihr Tenor: Die Apotheken verdienen zu viel. Wie verlässlich diese Leaks sind, darf jedoch infrage gestellt werden.

Im Frühjahr 2016 hatte das BMWi ein Forschungsvorhaben zur Arzneimittelpreisverordnung an die bis dato im Gesundheitswesen unbekannte Agentur 2hm vergeben. In 18 Monaten sollten die Berater ermitteln, ob die in der Arzneimittelpreisverordnung geregelten Preise geändert werden müssen – und wenn ja, in welchem Ausmaß. Ende September hätte dieses Gutachten dem Zeitplan nach fertiggestellt sein müssen. Abgegeben wurde ganz offensichtlich auch etwas – doch offiziell vorgestellt hat das BMWi die Ergebnisse der Studie nicht. Vielmehr wollte es die Daten der Gutachter erst einmal vom Statistischen Bundesamt prüfen lassen. Dennoch sickern nach und nach Details zu den vermeintlichen oder tatsächlichen Ergebnissen durch. Nach der Bild-Zeitung (siehe AZ Nr. 49, 2017, S. 1 und 8) waren es am Wochenende die Zeitungen der Dumont-Mediengruppe (z. B. Frankfurter Rundschau, Berliner Zeitung, Kölner Stadtanzeiger), die alle mit einem mehr oder weniger wortgleichen Artikel aufwarteten.

Foto: tunedin – stock.adobe.com
Goldenes Kalb Apotheke? Wie durchgesickert ist, sollen Gutachter den Verdienst von Apotheken für zu hoch halten. Nach einer künftigen Honoraranhebung klingt das nicht, sondern eher nach „da ist noch was zu holen“.

Gehalt eines Klinikapothekers als Vergleichswert

Der Autor, dem das Gutachten „in Auszügen“ vorliegt, beschreibt, wie gerechnet wurde: Um das Honorar der Vor-Ort-Apotheken in Relation zu setzen, wurden als Vergleich Arbeitszeit und Gehalt eines (angestellten) Leiters einer Krankenhausapotheke herangezogen. Dieser verdiene im Jahr etwa 100.000 Euro brutto. Die Gutachter seien zu dem Schluss gekommen, dass etwa 8400 Apotheker bei gleicher Arbeitszeit zum Teil wesentlich höhere Einkommen haben. Und weiter: „Zu den Spitzenverdienern gehören vor ­allem die Apotheken in großen Ballungszentren (plus 892 Mio. Euro) und Spezial-Apotheken, die Krebsmedikamente für eine Chemotherapie zubereiten (plus 233 Mio. Euro).“ Allerdings soll die Agentur auch festgestellt haben, dass viele Apotheker deutlich weniger verdienen als der Durchschnitt. So sollen 5300 Apotheker im Umkreis der Ballungszentren und 2300 Landapotheker deutlich weniger bekommen als der besagte Klinikpharmazeut.

Erstmals wurde auch über die Empfehlungen der Gutachter berichtet. Demnach soll das von der Union verfolgte Rx-Versandverbot aus Sicht von 2hm keine Lösung sein. Die Frankfurter Rundschau zitiert aus der Studie: „Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten sind weder durch das Verbot des Versandhandels noch durch die allgemeine Vergütung (…) zu beheben.“ Vorgeschlagen würden vielmehr Zuschläge für Apotheken, die für die Versorgung der Patienten wichtig seien: „Empfohlen wird, für die flächendeckende Versorgung relevante Apotheken zu identifizieren und dann gezielt zu unterstützen.“

Wie verlässlich diese Informationen sind, ist allerdings nur schwer festzustellen. Die Version des Gutachtens, die in den Medien derzeit zitiert wird, ist vom 13. November 2017. Auch DAZ.online hatte darüber berichtet, dass es in dieser Vorversion heißt, die Apotheker verdienten mehr als eine Milliarde Euro zu viel. Nicht enthalten in dieser Zwischenversion sind aber zum Beispiel die Empfehlungen des Statistischen Bundesamtes. Außerdem haben inzwischen drei Bundesministerien (Finanzen, Wirtschaft, Gesundheit) an dem Papier gearbeitet und vermutlich einige Veränderungen eingebracht. Was von dieser über drei Wochen alten Version noch übrig ist, ist derzeit unbekannt.

Dem Vernehmen nach halten die Ministerien aber daran fest, das Papier weiterhin nicht zu veröffentlichen. So sollen die Staatssekretäre der drei genannten Ministerien abgesprochen haben, das Gutachten erst nach weiteren Änderungen freizugeben.

Ungeduld in der Politik wächst

Derweil wächst auch in der Politik die Ungeduld. Die Grünen-Gesundheits­politikerin Kordula Schulz-Asche forderte in einem Brief an Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD), das Papier schnellstmöglich zu veröffentlichen. Wörtlich schreibt sie: „Damit Apothekerinnen und Apotheker, Patientinnen und Patienten, deren Interessenvertretungen, die weitere Zivilgesellschaft und nicht zuletzt das Parlament sich fundiert mit der Frage der Honorargestaltung auseinandersetzen können, ist die Veröffentlichung des Gutachtens unabdingbar.“ Und weiter: „Der jetzige Zustand, dass lediglich einzelne Informationen und diese auch nur gerüchteweise an die Öffentlichkeit gelangen, ist für alle Beteiligten unhaltbar.“ Schulz-Asche bittet Zypries nun „eine zeitnahe Veröffentlichung zu erwirken und uns einen Zeithorizont für diese Veröffentlichung zu nennen“.

Schon vor einigen Wochen hatte die SPD-Apothekenexpertin Sabine Dittmar das BMWi heftig dafür kritisiert, dass man den Veröffentlichungstermin immer weiter nach hinten verschiebt.

ABDA-Präsident Friedemann Schmidt hat indessen in einer Video-Botschaft an die Apotheker infrage gestellt, ob man mit dem BMWi überhaupt noch vertrauensvoll zusammenarbeiten könne. Er hatte auch den „maximalen Widerstand“ der Apotheker angekündigt, sollten die Vorveröffentlichungen aus dem Gutachten zutreffend sein (siehe AZ Nr. 49, 2017, S. 8). |

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