Phytotherapie

Hilfe in den Wechseljahren

Die Traubensilberkerze hat zentrale und estrogene Effekte

Für die Selbstmedikation stehen zur Behandlung klimakterischer Beschwerden Alternativen aus dem Bereich der Phytopharmaka – Traubensilberkerze und Sibirischer Rhabarber – zur Verfügung. Im Folgenden soll der aktuelle Wissensstand zu Extrakten aus der Traubensilberkerze näher beleuchtet werden. | Von Kristina ­Jenett-Siems

Zwischen dem 45. und dem 55. Lebensjahr lassen die Ovarialfunktionen der Frau langsam nach. Die Blutspiegel der weiblichen Sexualhor­mone sinken, was zu verschiedenen Symptomen im neurovegetativen, psychischen und somatischen Bereich führen kann. Häufig klagen betroffene Frauen über Hitzewallungen, Kopfschmerzen, Schwindel, Schlafstörungen, depressive Verstimmungen und genitale Atrophie. Zur Behandlung derartiger klimakterischer Beschwerden können laut Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe Estrogene, Estrogen/Gestagen-Kombinationen und Tibolon eingesetzt werden, wobei wegen der bekannten Nebenwirkungen einer Hormontherapie eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen muss. Im Rahmen der Selbstmedikation stehen den Frauen auch Extrakte aus der Traubensilberkerze und dem Sibirischen Rhabarber zur Verfügung.

Traubensilberkerze

Die Traubensilberkerze (Actea racemosa, syn.: Cimicifuga racemosa) ist eine über einen Meter hoch werdende ausdauernde Staude aus der Familie der Hahnenfußgewächse, deren oben überhängende weiße Blütentraube von bis zu 90 cm Länge ihr den Namen gegeben hat. Die Pflanze stammt ursprünglich aus Nordamerika, ist aber in Deutschland schon seit mehr als 150 Jahren bekannt und wird hierzulande entsprechend kultiviert. Therapeutisch genutzt wird der Wurzelstock. Eine traditionelle Verwendung zur Linderung ­gynäkologischer Beschwerden ist für verschiedene indigene Gruppen des amerikanischen Kontinents dokumentiert, weitere volksmedizinische Indikationen waren und sind rheumatische Beschwerden, Halsschmerzen, Bronchitis und Fieber. Für Letztere ist die Wirksamkeit jedoch ­wissenschaftlich nicht belegt. Zur Behandlung von Wechseljahrsbeschwerden haben Extrakte der Traubensilberkerze seit den 50er-Jahren des letzten Jahrhunderts allerdings ihren Weg in die europäische Phytotherapie gefunden. Die auf dem deutschen Markt befindlichen Präparate enthalten entweder isopropanolische (z. B. Remifemin®) oder ethanolische (z. B. Femikliman®, Feminon® C, Klimadynon®,Natu-fem®) Trocken­extrakte, auch eine Kombination mit Johanniskraut-Extrakt ist erhältlich (Remifemin® plus).

Inhaltsstoffe und Pharmakologie

Aufsehen erregte 1986 ein Befund von Jarry und Mitarbeitern [1], die das Isoflavonoid Formononetin aus dem Wurzelstock der Traubensilberkerze isolieren konnten. Da Isoflavonoide wegen ihrer strukturellen Ähnlichkeit mit humanen Estrogenen in der Lage sind mit Estrogen-Rezeptoren zu interagieren, glaubte man, einem möglichen Wirkmechanismus auf der Spur zu sein. In den Folgejahren konnte das Vorkommen von Formononetin allerdings nicht bestätigt werden [2]. Dieses wäre auch aus chemotaxonomischer Sicht ungewöhnlich gewesen, da Isoflavonoide insbesondere in der Familie der Schmetterlingsblütler verbreitet sind. Daneben hat man sie nur in wenigen anderen Pflanzenfamilien nachweisen können, weitere positive Befunde aus dem Bereich der Hahnenfußgewächse liegen bis heute nicht vor. Insofern sind die wirksamen Bestandteile der Droge wie bei vielen anderen Phytopharmaka, wo der Extrakt als Wirkstoff angesehen wird, bis heute nicht eindeutig zuzuordnen. Aufgrund von Ergebnissen pharmakologischer Untersuchungen wird vermutet, dass insbesondere die in relativ großer Menge vorkommenden Triterpenglykoside und die phenolischen Verbindungen für die postulierten Wirkungen verantwortlich sind. Die Vertreter beider Stoffklassen sind durch eine relativ ungewöhnliche Struktur charakterisiert. Bei den Triterpenglykosiden handelt es sich um hochoxidierte Verbindungen vom Cyclo­artan-Typ, Hauptvertreter sind Actein und 23-epi-26-Desoxyactein (27-Desoxyactein). Die phenolischen Bestandteile sind überwiegend Ester von Ferula- und Isoferula-Säure mit einem phenolischen Bicarbonsäure­alkohol, der Fukiin-Säure oder der Piscidin-Säure. Wichtigste Verbindungen dieses Typs sind Fukinol-Säure und die Cimicifuga-Säuren. Die unterschiedlichen Bestandteile der Extrakte interagieren mit verschiedenen Rezeptoren, eine direkte Bindung an Estrogen-Rezeptoren, wie zwischenzeitlich vielfach postuliert, kann nach heutigem Kenntnisstand allerdings wohl ausgeschlossen werden [3]. Stattdessen wurde eine Interaktion mit μ-Opiat-Rezeptoren beschrieben, die möglicherweise mit der positiven Beeinflussung vasomotorischer Symptome einhergeht [4]. Weiterhin gibt es aus In-vitro-Unter­suchungen und Studien an ovarektomierten Ratten Hinweise auf eine Interaktion mit anderen zentralen Rezeptorsystemen, insbesondere mit dopaminergen und serotoninergen Rezeptoren, die ebenfalls mit der Linderung vasomotorischer Beschwerden in Zusammenhang gebracht werden [5]. Zusätzlich wurden Hinweise auf eine positive Beeinflussung des Knochenstoffwechsels beobachtet [3]. Versuche mit hormonsensitiven Brustkrebszell­linien (MCF-7) ergaben keine proliferationsfördernden Eigenschaften der Extrakte, im Gegenteil, es konnten hemmende Effekte und eine Verstärkung der Proliferationshemmung von Tamoxifen gezeigt werden [6, 7].

Klinische Studien, Reviews und Metaanalysen

Die klinische Wirksamkeit von Extrakten aus der Traubensilberkerze ist seit den 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts insbesondere im deutschsprachigen Raum intensiv untersucht worden. Es existiert inzwischen eine ganze Reihe von kleineren Studien, die in der Mehrheit zumeist eine geringfügige Überlegenheit gegenüber Placebo zeigen, wobei zur Erfassung des Effektes zunächst überwiegend der Kuppermann-Index und später die sogenannte Menopause Rating Scale (MRS) verwendet wurden [3]. Daneben gibt es allerdings auch Stu­dien, die gerade für das Kardinal­symptom Hitzewallungen keine über einen Placeboeffekt hinausgehende Verbesserung finden konnten [8, 9, 10]. Problematisch für eine zusammenfassende Bewertung ist die große Heterogenität der Studien, u. a. bedingt durch den Einsatz unterschiedlicher Extrakte (ethanolisch, isopropanolisch) sowie unterschiedlicher Auswertungskriterien, sodass die Autoren eines Cochrane Reviews von 2012 [11] schlussfolgerten, dass für eine eindeutige Empfehlung weitere Untersuchungen erforderlich seien. Diese Sichtweise wurde im Folgenden von weiteren Reviews und Metaanalysen unterstützt, die allerdings teilweise nur wenige Studien eingeschlossen hatten [12, 13]. Im Kontrast dazu kommen Beer und Neff in einem groß angelegten Review, der nicht nur randomisierte, placebokontrollierte und doppelblinde Studien sondern auch andere Designs, u.a. Beobachtungsstudien, einschließt, zu dem Ergebnis, dass die Wirksamkeit der in Deutschland als Arzneimittel zugelassenen Extrakte auf Basis der vorhandenen Studien durchaus als belegt angesehen werden könne [14].

Hinweise für die Praxis

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass insbesondere bei leichteren klimakterischen Symptomen ein Behandlungsversuch mit Extrakten aus der Traubensilberkerze unternommen werden kann. Es existieren inzwischen verschiedene Studien, die eine Überlegenheit der zugelassenen Extrakte gegenüber Placebo zeigen. Die hieraus abzuleitende Evidenz wird jedoch aufgrund von Kritikpunkten an der Studienqualität und existierender widersprüchlicher Ergebnisse weiterhin kontrovers diskutiert.

Wie bei den meisten Phytotherapeutika sollte die Behandlung über mindestens zwei bis vier Wochen durchgeführt werden, bevor eine Aussage zur Wirksamkeit getroffen werden kann, da der Behandlungserfolg nicht sofort eintritt. Entsprechend der aktuellen HMPC(Herbal Medicinal Products Committee)-Monographie von 2010 existiert keine zeitliche Beschränkung für die Einnahme Cimicifuga-haltiger Präparate, allerdings sollte eine Anwendung von mehr als sechs Monaten nicht ohne ärztliche Kontrolle erfolgen. Prinzipiell können Präparate auf Basis der Traubensilberkerze auch von Frauen eingenommen werden, die in der Vorgeschichte unter Estrogen-­abhängigen Tumoren gelitten haben. Sowohl In-vitro- als auch In-vivo-Daten unterstützen die Sicherheit der Anwendung für diese Patientengruppe [15], dennoch sollte die Therapie klimakterischer Beschwerden in diesem Fall nicht in Eigenregie, sondern in Absprache mit dem Frauenarzt bzw. dem betreuenden Onkologen erfolgen. Berichte über Leberschäden nach der Einnahme von Cimicifuga-haltigen Präparaten führten dazu, dass das BfArM 2009 die Aufnahme entsprechender Warnhinweise in die Packungsbeilage veranlasste. Ein eindeutiger Zusammenhang zwischen der Einnahme der Präparate und den beobachteten Schädigungen konnte zwar bisher nicht nachgewiesen werden, jedoch sollten die Anwenderinnen auf entsprechende Symptome (Gelbfärbung der Haut oder Augen, dunkler Urin, Schmerzen im Oberbauch, Übelkeit, Appetitverlust, Müdigkeit) achten. Falls der Verdacht auf eine Leberschädigung aufkommt, muss die Einnahme sofort beendet und ein Arzt konsultiert werden. Für Patientinnen, die neben Hitzewallungen auch vermehrt unter Schlafstörungen und depressiver Verstimmtheit leiden, kann eventuell eine Kombination von Traubensilberkerze und Johanniskraut hilfreich sein. Die Kombination schnitt in den bisher durchgeführten klinischen Studien positiv ab [13], allerdings muss in diesem Fall natürlich das nicht unerhebliche Wechselwirkungspotenzial des Johanniskrauts bei der Therapieempfehlung berücksichtigt werden. |

Literatur

[1] Jarry H, Harnischfeger G, Düker E. Untersuchungen zur endokrinen Wirksamkeit von Inhaltsstoffen aus Cimicifuga racemosa 2. In vitro-Bindung von Inhaltsstoffen an Östrogenrezeptoren. Planta Medica 1985;51:316-319

[2] Jiang B, Kronenberg F, Nuntanakorn P et al. Evaluation of the Botanical Authenticity and Phytochemical Profile of Black Cohosh Products by High-Performance Liquid Chromatography with Selected Ion Monitoring Liquid Chromatography–Mass Spectrometry. J Agricult Food Chem 2006;54:3242-3253

[3] Ulbricht C, Windsor RC. An Evidence-Based Systematic Review of Black cohosh (Cimicifuga racemosa, Actaea racemosa) by the Natural Standard Research Collaboration. J Diet Suppl 2015;12:265-358

[4] Rhyu MR, Lu J, Webster DE et al. Black cohosh (Actaea racemosa, Cimicifuga racemosa) behaves as a mixed competitive ligand and partial agonist at the human μ-opiate receptor. J Agricult Food Chem 2006;54:9852-9857

[5] Burdette JE, Liu J, Chen S. Black cohosh acts as a mixed competitive ligand and partial agonist of the serotonin receptor. Journal of Agricultural and Food Chemistry 2003;51:5661-5670

[6] Bodinet C, Freudenstein J. Influence of marketed herbal menopause reparations on MCF-7 cell proliferation. Menopause 2004;11:281-289

[7] Zierau O, Bodinet C, Kolba S et al. Anti­estrogenic activities of Cimicifuga racemosa extracts. Journal of Steroid Biochemestry and Molecular Biology 2002;80:125-130

[8] Geller SE, Shulman LP, van Breemen RB et al. Safety and efficacy of black cohosh and red clover for the management of vasomotor symptoms: a randomized controlled trial. Menopause 2009;16:1156-1166

[9] Newton KM, Reed SD, LaCroix AZ et al. Treatment of vasomotor symptoms of menopause with black cohosh, multibotanicals, soy, hormone therapy, or placebo: a randomized trial. Ann Intern Med 2006;145:869-879

[10] Pockaj BA, Gallagher JG, Loprinzi CL et al. Phase III doubleblind, randomized, placebo-controlled crossover trial of black cohosh in the management of hot flashes: NCCTG Trial N01CC1. J Clin Oncol 2006;24:2836-2841

[11] Leach MJ, Moore V. Black cohosh (Cimicifuga spp.) for menopausal symptoms. Cochrane Database Systematic Reviews 2012;9:CD007244

[12] Franco OH, Cowdhury R, Troup J et al. Use of Plant-Based Therapies and Menopausal Symptoms. A Systematic Review and Meta-analysis. JAMA 2016,315:2554-2563

[13] Laakmann E, Grajecki D, Doege K et al. Efficacy of Cimicifuga racemosa, Hypericum perforatum and Agnus castus in the treatment of climacteric complaints: a systematic review, Gynecol Endocrinol 2012;28:703-709

[14] Beer AM, Neff A. Differentiated evaluation of extract-specific evidence on Cimicifuga racemosa‘s efficacy and safety for climacteric complaints. Evidence-Based Complementary and Alternative Medicine 2013;860602

[15] Henneicke-von Zepelin HH, Meden H, Kostev K et al. Isopropanolic black cohosh extract and recurrence-free survival after breast cancer. Intern J Clin Pharmacol Ther 2007;45:143-154

Autorin

Priv.-Doz. Dr. Kristina Jenett-Siems studierte Pharmazie an der Freien Universität Berlin, wurde dort promoviert und hat sich 2003 für Pharmazeutische Biologie habilitiert. Forschungsschwerpunkte: Phytochemie und Pharmakologie traditioneller Arzneipflanzen.

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