Arzneimittel und Therapie

Ein Antiallergikum gegen MS

Endlich ein Ansatz für eine Remyelinisierung

rr | Im Kampf gegen multiple Sklerose gibt es bisher keinen Arzneistoff, der die Neubildung von Myelinscheiden anregen und damit zerstörte Strukturen reparieren könnte. Hoffnung gibt nun ein alter Bekannter.

Die Rede ist von Clemastin, ein Antihistaminikum der ersten Generation zur Behandlung allergischer Erkrankungen und Juckreiz. In Versuchen an Tier- und Menschenzellen gelang die Stimulierung der Differenzierung von Oligodendrozyten-Vorläuferzellen bereits. In der randomisierten, kontrollierten, doppelblinden ReBUILD-Studie musste sich Clemastin nun in der klinischen Phase II bei Patienten mit schubförmiger multipler Sklerose und stabiler immunmodulierender Therapie beweisen. Im Cross-over-Design erhielten die 25 Probanden der Gruppe 1 zweimal täglich 5,36 mg Clemastinfumarat p. o. über 90 Tage, anschließend Placebo für 60 Tage. Die 25 Patienten der Gruppe 2 wurden zunächst über 90 Tage mit Placebo behandelt und erst dann mit Clemastin.

Foto: ag visuell – stock.adobe.com

In der Gesamtgruppe kam es während der Behandlung zu einer Verkürzung der Latenzzeit P100 – also einer Beschleunigung der Nerven­leitung in der Sehbahn – um 1,7 ms. Das könnte darauf hinweisen, dass die Reparatur von geschädigten Strukturen auch nach langjähriger Krankheit noch möglich ist. Ein klinischer Benefit lässt sich bisher jedoch nicht eindeutig messen: Im speziellen Sehtest (low-contrast letter acuity) schnitten die mit Clemastin behandelten Patienten zwar etwas besser ab, der Unterschied war aber statistisch nicht signifikant. Die auffallendste Nebenwirkung von Clemastin ist eine leichte Sedierung, was die Verblindung im Rahmen einer Studie deutlich erschwert. |

Latenzzeit P100

Nach einem visuellen Reiz (z. B. Schachbrettmuster mit schnell wechselnder Kontrastumkehr oder alternierenden Lichtblitzen) können visuell evozierte Potenziale über eine Elektrode wie bei der Elektroenzephalografie aufgezeichnet werden. Positive und negative Ausschläge treten nach einer definierten Latenzzeit auf, sodass Veränderungen auf ein pathologisches Geschehen hinweisen können. Die Latenz der ersten ausgeprägten positiven Potenzialänderung (P100-Latenz) beträgt in der Regel ca. 90 bis 120 ms. Bei bestimmten Erkrankungen wie bei multipler Sklerose ist die P100-Latenz verlängert.

Quelle

Green AJ et al. Clemastine fumarate as a remyelinating therapy for multiple sclerosis (ReBUILD). Lancet 2017, 10. Oktober 2017; doi: 10.1016/S0140-6736(17)32346-2

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