Deutscher Apothekertag 2017

Raus aus der Echokammer

Ein Kommentar von Christian Rotta

Dr. Christian Rotta, Geschäftsführer des Deutschen Apotheker Verlags

Es war eine fast kuschelige Gesprächsatmosphäre, die zwischen den Diskutanten Maria Michalk (CDU/CSU), Kathrin Vogler (Die Linke), Andreas Kiefer (BAK) und Cynthia Milz (ABDA) auf dem Podium in Düsseldorf herrschte. Ob Rx-Versandverbot, Apothekerver­gütung, Fremdbesitzverbot, Prävention: es passte kaum ein Blatt zwischen die Akteure. Nur bei den Themen Rabattverträge und Zuzahlungen, die Die Linke grundsätzlich ablehnt, wurden Differenzen sichtbar. Ein Kommunikationswissenschaftler hätte die Runde wohl als eine Art Echokammer charakterisiert, womit das Phänomen umschrieben wird, dass Menschen dazu neigen, sich mit Gleichgesinnten zu umgeben und sich dabei gegenseitig zu bestätigen. Nicht selten führen solche Runden zu verzerrten Wahrnehmungen, etwa im Hinblick auf die Mehrheitsfähigkeit der eigenen Position jenseits der sie umgebenden Filterblase.

Nun kann man der ABDA nicht den Vorwurf machen, dass – jetzt schon zum wiederholten Male – SPD und Grüne ihrer Einladung zum Apothekertag nicht gefolgt sind (FDP und AfD, da im bisherigen Bundestag nicht vertreten, wurden nicht eingeladen). Aber es sollte zu denken geben, zumal die in Düsseldorf abwesenden Parteivertreter – zusammen mit der FDP – regelmäßig einträchtig beim Versandhandels-Lobbyverband BVDVA auftreten. Offensichtlich sind die Gesprächsfäden der ABDA zu den genannten Parteien so wenig belastungsfähig, dass der Dissens insbesondere beim Rx-Versandhandel ein Miteinander-Reden zurzeit unmöglich macht. Das ist bedauerlich, weil es in der Vergangenheit durchaus interessante Redebeiträge sozialdemokratischer und grüner Gesundheitspolitiker auf Apothekertagen gab (wehmütig mag sich der eine oder andere noch an fulminante und rhetorisch brillante Reden von Rudolf Dreßler [SPD] erinnern. Das war allerdings in der Vor-Lauterbach-Ära). Es ist aber auch kurzsichtig und unklug. Mehr als einmal mussten wir nämlich in der jüngeren Vergangenheit zur Kenntnis nehmen, wie fragil und volatil apothekenpolitische Grundpositionen (Fremd- und Mehrbesitzverbot, Arzneimittelpreisbindung, Apothekenpflicht, Versandhandelsverbot) in den etablierten Parteien sind. Nur Die Linke bildet da geschlossen eine verlässliche Ausnahme. Wer hätte etwa gedacht, dass die frühere „Apothekenpartei“ FDP unter Ägide ihres Sonnyboys CL binnen kürzester Zeit apotheken­politische Kapriolen schlägt und das Tabu bricht, als erste jemals im Deutschen Bundestag vertretene Partei in ihrem Wahlprogramm die Aufhebung des Fremd­besitzverbots zu fordern und im Digi-Rausch den Versandhandel, den sie 2004 als einzige Partei noch abgelehnt hatte, nunmehr vehement zu befeuern? Und wer hätte es – umgekehrt – für möglich gehalten, dass nach der unsäglichen „Epoche Biggi Bender“ mit der nordrhein-westfälischen Barbara Steffens eine grüne Ministerin im größten Bundesland ans Ruder kommt, die eine so kompetente Gesundheitspolitik betreibt und dabei nachdrücklich auch den heil­beruflichen Versorgungsauftrag von Apotheken wertschätzt (und einfordert)?

Apothekenpolitische Themen sind in allen Parteien eher Randthemen. Gerade in den kleineren Parteien bestimmen nur wenige Akteure die diesbezügliche Ausrichtung und Grundlinie. Außerdem lassen sich ordnungspolitische Grundüberzeugungen apothekenpolitisch durchaus unterschiedlich herunterbrechen. Parteien etwa, für die das Mantra allumfassender Deregulierung gilt, kollidieren zwangsläufig mit dem engen Regelkorsett, das Freien Berufen eigen ist. Was aber, wenn man genau die Freiberufler als Wahl­klientel im Auge hat? (Das ist schon immer das Dilemma der FDP und des „Wirtschafts­flügels“ der Union).

In fast allen Parteien verläuft eine Trennlinie zwischen Angehörigen der Heilberufe („Gesundheit ist keine Ware“) und den von der Logik kollektiver Großeinheiten geprägten (Gesundheits-)Ökonomen, die auch im Gesundheitswesen das hohe Lied des Wettbewerbs singen. Besonders pikant und zugespitzt ist dieser Konflikt bei den Sozial­demokraten.

Am wenigsten kohärent sind die apothekenpolitischen Positionen – cum grano salis – bei Bündnis 90/Die Grünen. Ihre Sympathien müssten, so sollte man meinen, einem kleinteiligen, dezentralen, niedrigschwelligen und heilberuflich orientierten Versorgungssystem gehören. Barbara Steffens, manche Landes- und viele Kommunalpolitiker haben dies auch erkannt. Dagegen wirkt bei den Bundes-Grünen offensichtlich immer noch der Flurschaden nach, den Biggi Bender hinterlassen hat. Aber auch dies kann sich – die Hoffnung stirbt zuletzt – schnell ändern.

Eine Lehre aus Düsseldorf muss sein: Es ist wichtiger denn je, dass ABDA, Kammern und Verbände den Kommunikationsfaden mit SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP wieder aufnehmen und verstärken. Wir müssen im Gespräch bleiben – auch vor dem Hintergrund, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bei der nächsten Regierungsbildung (mindestens) ein Koalitionspartner der Union aus dem Kreis der genannten Drei kommen wird. Dass es zehn Tage vor einer Bundestagswahl kein sozialdemokratischer, grüner oder liberaler Parteivertreter für nötig erachtet hat, zum Apothekertag zu kommen, muss ein Warnzeichen sein. Hauptversammlungen dürfen keine Blase sein. Allein in einer Echokammer Argumente auszutauschen, wird auf Dauer nicht ausreichen.

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