Deutscher Apothekertag 2017

Nachhaltigkeit statt Experimente

Geschäftsbericht des ABDA-Hauptgeschäftsführers Dr. Sebastian Schmitz

wes | Das Thema „Nachhaltigkeit“ zog sich wie ein roter Faden durch den Bericht, den ABDA-Hauptgeschäftsführer Dr. Sebastian Schmitz der Hauptversammlung gab. Das Gesundheitswesen sei nicht der richtige Platz für Experimente – und auch die Arbeit der ABDA sei von Nachhaltigkeit geprägt.
Foto: DAZ/Alex Schelbert
„Kurzfristiges Handeln darf die Gesundheitspolitik nicht dominieren.“ Es stünde auch der ABDA nicht gut zu Gesicht, findet Hauptgeschäftsführer Schmitz.

Wenn er auf die vergangenen zwölf Monate zurückblicke, begann Schmitz seine Rede, habe er den Eindruck, dass in der Gesundheitspolitik die Experimentierlust stark zugenommen habe. Der EuGH habe wohl ausprobieren wollen, ob flächendeckende Versorgung auch mit gelockerter Preisbindung funktioniert, in Hüffenhardt wollten die Aufsichtsbehörden schauen, ob es auch mit etwas weniger Härte geht, das Parlament probiere, ob sich die negativen Auswirkungen des Versandhandels vielleicht auch später noch reparieren lassen und die Krankenkassen versuchten, ob sie gegen den erklärten Willen des Gesetzgebers Selektivverträge fortsetzen können. Das Problem bei Experimenten sei nur, dass sie auch zu Unfällen führen können. Deshalb dürfe eine solche Haltung die Gesundheitspolitik nicht dominieren.

Hinter all diesen Geschehnissen sieht Schmitz einen Konflikt zwischen kurzfristigen Nützlichkeitsüberlegungen und langfristigen Wirkungen: Der EuGH fördere den Marktzugang, ohne die Schäden für die flächendeckende Versorgung zu betrachten, in der Politik siege kurzfristige Wahltaktik und für die Krankenkassen sei die schnelle Kostenreduktion wichtiger als eine dauerhaft gute Versorgungsstruktur.

EuGH bringt System in Schieflage

Das EuGH-Urteil kritisierte Schmitz mehrfach scharf. Das Gericht habe damit eine der tragenden Säulen des deutschen Arzneimittelversorgungssystems in Schieflage gebracht. Dieser „externe Angriff“ sei dramatisch, er attackiere die Grundlage des freien Berufs und verkenne die grundlegenden Funktionen der Preisregulierung im Arzneimittelbereich.

Die höchstpersönliche Dienstleistung des Apothekers, an die besondere Qualitätsanforderungen gestellt werden, unterliege aber anderen ökonomischen Mechanismen als die Produktion von Waren. Als Beispiel führte Schmitz ein Streichquartett von Mozart an: Auch nach über 200 Jahren brauche man immer noch genauso viele Noten wie bei seiner Erstaufführung. Oder anders ausgedrückt: „Die Produktivität von Dienstleistungen, die auf einer persönlichen, intellektuellen Leistung beruhen, kann nicht beliebig gesteigert werden.“ Im Preiswettbewerb komme man deshalb unweigerlich an den Punkt, wo ein Preis nur noch unterboten werden kann, indem unrentable Leistungen nicht mehr erbracht werden oder die geforderte Qualität unterschritten wird – oder gar beides. All dies habe der ­EuGH offenbar nicht sehen wollen.

Die einzige dauerhafte Lösung nach dem EuGH-Urteil ist für Schmitz das Rx-Versandverbot. Alle Vorschläge, von Subventionen für Apotheken auf dem Land über die Streichung der Zuzahlung bis zu Boniverboten, würden dagegen nur Symptome lindern.

Mit einer „verstärkten Tonlage“ in der Öffentlichkeitsarbeit und vielen Gesprächen auf allen Ebenen habe die ABDA erreicht, dass dieses Thema in den Medien und auch in der Politik „äußerst präsent war“, so Schmitz. Das Hauptziel aber, das Rx-Versandverbot, habe man nicht erreicht – es sei „parteitaktischen Erwägungen in einem Wahljahr zum Opfer gefallen“.

Erfolge beim Perspektivpapier

Viel erreicht habe die ABDA in den elf Monaten seit dem letzten Apothekertag bei der Umsetzung des Perspektivpapiers. Das zeige sich beispielhaft am ARMIN-Projekt mit inzwischen mehr als 2000 eingeschriebenen Patienten oder bei der Vernetzung, wo die NGDA – Netzgesellschaft Deutscher Apotheker nun dabei sei, die Anbindung der Apotheken an das SecurPharm-System vorzubereiten. Der dritte große Aspekt aus dem Perspektivpapier ist für Schmitz die Ausbildung der Apotheker. Die Änderung der Approbationsordnung sei ein viele Jahre andauernder Prozess. In der aktuellen, intensiven Diskussion gehe es nicht nur um die Wünsche der Apotheker, sondern auch um die Chancen und Risiken solcher Änderungen – z. B. die Einführung eines Bachelor-Master-Systems. Deswegen sei es klug, parallel zu diskutieren, welche Spielräume die aktuelle Approbationsordnung bietet – und diese mit Blick auf das Perspektivpapier zu nutzen. Ausdrücklich lobte Schmitz die konstruktive Zusammenarbeit zwischen Bundesapothekerkammer, den Hochschullehrern und den Studenten. Letztere hatten allerdings scharfe Kritik am Entschluss der ABDA geübt, sich nicht in der Evaluierung des Pharmaziestudiums zu engagieren (s. DAZ 2017, Nr. 36, S. 22).

Nachhaltig zur Kampagne fähig

Nachhaltig muss für Schmitz auch Kommunikation sein, in diesem Sinne habe die ABDA-Stabsstelle Kommunikation gearbeitet. Er verwies auf den neuen „ABDA-Newsroom“ und die Kampagnenarbeit. Nach der Veröffentlichung des EuGH-Urteils habe man nach zwei Stunden „Pressestatements draußen“ gehabt, nach 24 Stunden seien die Mitgliedsorganisationen mit Material versorgt gewesen, und bis zur Jahresmitte habe man „mehr als fünf Millionen Kampagnenmaterialien zu den EuGH-Folgen produziert“ – und das durchaus mit Erfolg, wie Schmitz betonte. Den Apothekern sei von berufener Seite „Kampagnenfähigkeit“ attestiert worden.

Ins Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit sei seit dem letzten Apothekertag die Europapolitik geraten. Zeitgleich erlebten die Apotheker neue Aktivitäten der EU-Kommission, die mit ihrer „Salamitaktik“ staatliche Regulierungen abbauen wolle. Insbesondere habe sich die ABDA in den letzten Monaten mit dem sogenannten EU-Dienstleistungspaket beschäftigt, das einen weitreichenden Abbau von Berufsregulierungen in den Mitgliedstaaten zum Ziel hat (s. auch den Artikel "Unaufhaltsam auf Deregulierungskurs?" in dieser DAZ). Dabei verfolge die ABDA zusammen mit den anderen Heilberufen das Ziel, dass das Gesundheitswesen insgesamt von der Geltung der geplanten Richtlinien ausgenommen wird.

Gesetze – und der Neubau

Nachhaltig war laut Schmitz die Arbeit der Berufsvertretung auch bei den Gesetzgebungsverfahren der letzten zwölf Monate, was man an den „beachtlichen Erfolgen“ sehe könne: Schmitz konstatierte eine „Kehrtwende“, was Ausschreibungsverfahren angeht, die Gebühren für Rezepturen und Dokumentationen wurden angehoben, der Schiedsspruch habe die Retaxationsfreude der Krankenkassen deutlich gedämpft. Zuletzt berichtete Schmitz, dass der Neubau der ABDA-Geschäftsstelle – „Nachhaltigkeit in massivster Form: aus Beton“ – planmäßig vorankomme. |

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