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Mit weniger Text zu mehr Compliance?

Pilotstudie im Saarland will Nutzen eines zweiten Beipackzettels untersuchen

ks/ms | Beipackzettel dienen oft mehr den gesetzlichen Vorgaben als der Information der Patienten. Die Texte sind häufig lang, voller Fachwörter und deshalb schwer zu verstehen. Ein zweiter, kompakter Beipackzettel könnte beim Verständnis helfen. Im Saarland will man daher eine Pilotstudie starten. Die Finanzierung ist noch ungewiss.

Die Idee der Zweitbeilage oder eines zusätzlichen Abschnitts im Beipackzettel ist es, die wichtigsten Informationen laiengerecht und kompakt auf einer Seite zusammenzufassen. Damit soll die Verständlichkeit erhöht und die Lesbarkeit verbessert werden. Beides ist in den Standard-Beipackzetteln oft nicht gegeben. Da es sich bei dem neuen Zettel um einen Zusatz und keinen Ersatz handelt, bleiben weiterhin alle Anforderungen des Gesetzgebers und der Zulassungsbehörde erfüllt. Auch die EU-Kommission hatte sich in einem kürzlich veröffentlichten ­Bericht für einen Extra-Abschnitt ausgesprochen, möchte aber, dass hierzu noch mehr Erfahrungen gesammelt werden. Dazu sollte die Verwendung von kompakten Informationen in der Packungsbeilage und die etwaige Nutzung von QR-Codes als alternative Möglichkeit der Patientenaufklärung weiter untersucht werden.

Auch die Gesundheitsministerkonferenz der Länder hat dieses Jahr einen Beschluss gefasst, wonach das Bundesgesundheitsministerium prüfen soll, ob es zielführend und rechtlich möglich ist, der aktuellen Packungsbeilage zusätzlich eine leicht verständliche Kurzform zuzulegen, um den Nutzen für die Patienten zu erhöhen.

Im Saarland wäre man bereit, so eine Pilotstudie durchzuführen, wie das saarländische Gesundheitsministerium bereits im März verkündete. Und zwar unter Beteiligung der Apothekerkammer des Saarlandes, der IKK Südwest und der Universität des Saarlandes sowie den im Saarland ansässigen pharmazeutischen Unternehmen Kohlpharma, Ursapharm und Dr. Theiss Naturwaren.

Vielversprechende Vorstudie

Für das Projekt sprechen die Vorstu­dien, die Prof. Dr. Thorsten Lehr vom Lehrstuhl für Klinische Pharmazie an der Universität des Saarlandes durchgeführt hat. Sein Team untersuchte die Beipackzettel der 30 laut Barmer Arzneimittelreport am häufigsten verordneten Arzneimittel auf ihre Lesbarkeit. Der Text wurde mithilfe der Verständlichkeitssoftware „TextLab“, die auf dem Hohenheimer Verständlichkeitsindex beruht, geprüft. Anhand verschiedener Parameter wird hier ein Index zwischen 0 (= geringe Verständlichkeit) und 20 Punkten (= hohe Verständlichkeit) gebildet. Die Packungsbeilagen kamen laut Lehr im Schnitt auf neun Punkte. Danach begann das Team, die Beipackzettel von vier Arzneimitteln nach klassischen Sprachregeln umzuformulieren. Dadurch stieg der Index durchschnittlich um 2,5 Punkte. In einem zweiten Schritt erstellte Lehrs Team zu zwei Arzneimitteln die erwähnten Extra-Beilagen. Bei Onlineumfragen zeigte sich, dass sowohl der umgeschriebene Beipackzettel als auch die Extra-Beilage die Verständlichkeit verbessern. Lehr räumt ein: Es ist gut, wenn Patienten das ­Zusatzangebot schätzen, noch besser wäre aber, wenn es einen nachweisbaren Effekt wie eine verbesserte Compliance hat. Wie sich solche harten Endpunkte ermitteln lassen, untersuchen Lehr und sein Team derzeit.

Ein weiteres Problem der geplanten Studie ist die noch unklare Finanzierung. Zunächst seien rund 300.000 Euro nötig. Sowohl Lehr als auch Manfred Saar, Präsident der Apothekerkammer des Saarlandes sind aber optimistisch, das Geld noch aufzutreiben. |

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