Aus der Hochschule

Festkolloquium für Prof. Dr. Hans Maurer

Verabschiedung nach 38 Jahren in der Experimentellen und Klinischen Toxikologie in Homburg*

Am 9. Dezember 2016 gab es gleich zwei Anlässe, den Weg nach Homburg (Saar) zu gehen: den Dienst­antritt von Markus Meyer als W3-­Professor und Leiter der Abteilung Experimentelle und Klinische Toxikologie der Universität des Saar­landes in Homburg (Saar) und die Verabschiedung von Prof. Dr. Hans Maurer in den Emeritus-Stand. Beide Ereignisse wurden in einem Festkolloquium auf dem Campus der Universitätskliniken gewürdigt.

Für starken Andrang sorgten sicher auch die im Festprogramm angekündigten Vorträge über Sex, Drugs and Rock ’n’ Roll bzw. Hexensalben und Liebestränke. Und dennoch war für viele sicher die Verabschiedung von Hans Maurer der Hauptattraktor des Tages. Er hat in immerhin 38 Jahren die Abteilung für Experimentelle und Klinische Toxikologie zu einer weltweit geachteten Adresse gemacht und dabei selbst für nicht wenige die Position eines Doyen der klinischen Toxikologie, nicht nur in Deutschland, erworben. Mit Markus Meyer wurde, nach Karl Pfleger und Hans Maurer wieder ein „saarländisches Eigengewächs“ als Abteilungsleiter verpflichtet. Zuvor war Meyer am Karolinska Institut in Stockholm und an der Universität Heidelberg dem Ruf der weiten Welt gefolgt.

Foto: Armin Weber
Zahlreiche Besucher waren zum Festkolloquium erschienen, um Prof. Dr. h. c. Hans Maurer zu verabschieden.

Sex, Drugs, and Rock ’n’ Roll

Die Einführung in das Festkolloquium und die Vorstellung des neuen und des scheidenden Abteilungsleiters übernahm der Dekan der Medizinischen Fakultät Prof. Dr. Michael Menger, der das Wort dann an den „Neuen“ übergab. Markus Meyer sprach, Höhepunkte der Rock ’n’ Roll-Ära streifend, über „Sex, Drugs, and Rock ’n’ Roll – Drogenkonsum Gestern, Heute, Morgen“. Während es natürlich Drogenkonsum auch schon früher gab (z. B. im Opiumzeitalter oder im Absinthzeitalter), wurde mit dem Aufkommen des Rock ’n’ Roll und der „Befreiung“ der Jugend von den Normen und Zwängen der „alten Zeit“ der Drogenkonsum aus den Hinterzimmern in die Öffentlichkeit getragen und weiter verbreitet, im Vergleich zu heute allerdings auf wenige Substanzen und Darreichungsformen beschränkt. Welche Drogen heute konsumiert werden, untersuchte Meyer anhand von Urin- und Bodenanalysen („Pinkel­ecken“) vom Musikfestival 2014 in Roskilde (Dänemark), wobei neben den Klassikern Alkohol und Cocain insbesondere Ecstasy und weitere Amphetamin­derivate besonders häufig gefunden wurden. Waren Alkohol, Opiate und LSD die tödlichen Gifte für viele Musiker des Rock ’n’ Roll, könnten es nun neue psychoaktive Substanzen sein, wie der Fentanyl-Tod des Popstars Prince zeigt.

Hexensalben und Liebestränke

Nach einer Kaffeepause fasste Professor Menger die Meilensteine im Lebenslauf von Hans Maurer zusammen, um dann das Wort an Maurer zu übergeben. Dieser nutzte die Gelegenheit, um einen kurzen Abriss seiner Tätigkeit in Homburg zu entwerfen und sich bei seinen vielen Wegbegleitern, nicht nur aus der eigenen Abteilung, sondern auch aus der Administration des Universitätsklinikums Homburg und der Universität des Saarlandes, zu bedanken. Besondere Dankesworte richtete er an seinen langjährigen Mitarbeiter Armin Weber, den „Mann, der alles kann“ und der auch an diesem Abend wie stets im Hintergrund die Organisationsfäden bündelte. Schließlich dankte Maurer mit roten Rosen seiner Familie für deren Unterstützung und Verständnis, die ein unverzichtbares Fundament für seine Tätigkeit in Homburg (und der Welt) waren.

Blumen spielen nicht selten eine titelgebende Rolle in Kunst, Literatur und Oper. Damit war der Übergang zum Festvortrag „Hexensalben und Liebstränke in Kunst, Literatur und Oper“ geschafft. Maurer fokussierte seinen Vortrag auf die für Hexen­salben und Liebestränke wichtigen Hauptkomponenten Atropin, ein (±)-Hyoscyamin-Racemat z. B. aus der Tollkirsche (Atropa belladonna L.) und Scopolamin z. B. aus dem Schwarzen Bilsenkraut (Hyoscyamus niger L.). Mit Atropin befasste sich Maurer schon als junger Stabsapotheker, der u. a. Atropinampullen als Gegengift für Phosphorsäureester-Kampfmittel verwalten musste.

Foto: Armin Weber
Der Alte und der Neue. Dekan Prof. Dr. Michael Menger verabschiedete Prof. Dr. Dr. h. c. Hans Maurer und begrüßte Prof. Dr. Markus Meyer (v.l.)

Scopolamin war offenbar jahrhundertelang eine Komponente des Bieres, bis es, über das Verbot der Beigabe von Bilsenkraut zu Bier (1516), aus den Gebräuen verbannt wurde. Von den vielfältigen, konzentrationsabhängigen Wirkungen der beiden Tropanalkaloide (S)-(-)-Hyoscyamin und (S)-(-)-Scopolamin sind die halluzinatorischen für Hexensalben und Liebestränke besonders interessant. Wie sie appliziert wurden, welche Wirkungen sie auslösen sollten und wie das in Literatur, Kunst und Oper rezipiert wurde, illustrierte Maurer anhand von Stichen, Programmseiten und vor allem Einspielungen von Sequenzen aus Opern und Theaterstücken.

Foto: Armin Weber
Gebäude der Pharmakologie / Toxikologie auf dem Campus der Universitäts­kliniken.

Von Alcina und Dulcamara

So könnte der Pudel in Goethes „Faust“ auf eine Halluzination von Dr. Faustus nach Einnahme einer nicht letalen Dosis des Todestranks zurückzuführen sein. Die Verwandlung von jungen Männern in Schweine in Georg Händels „Alcina“ oder der Mord an Hamlets Vater im gleichnamigen Stück von Shakespeare durch in das Ohr applizierte Bilsenkraut-Tinktur sind Beispiele für dieses Thema. Weitere Opernausschnitte entführten das Auditorium in die Zauberwelt der Oper. Darunter waren „Lakmé“ (Léo Delibes) inklusive Suizid mit Engelstrompeten (Brugmansia spec. Pers.), „Tristan und Isolde“ von Richard Wagner und „L‘elisir d‘amore“ von Gaetano Donizetti mit beeindruckenden Placeboeffekten nach Anwendung eines von einem Quacksalber namens Dulcamara vertriebenen Liebestranks. Dulcamara? Da war doch was! Solanum dulcamara L., der Bittersüße Nachtschatten – jene Solanaceae, die kein Scopolamin und Hyoscyamin produziert.

Der Abend endete nach ungefähr drei Stunden mit einem Büffet im Hörsaalgebäude. Und spätestens dann wurde manchem klar, dass es weitere Gründe gibt, das Saarland zu bereisen: zum Beispiel das gute Essen.

Möge die Schicksalsgöttin Atropos den Aktiven und Zuhörern des Abends gewogen sein und möge „With a little help from your friends“ allen im Jahr 2017 vieles gelingen. |

Prof. Dr. Torsten Arndt, Bioscientia Ingelheim

*Gekürzte Fassung eines Beitrages in Toxichem Krimtech 2017;84(1):49-51

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