DAZ aktuell

Gericht muss erneut über Metoprolol-Vertragsstrafe entscheiden

Bundessozialgericht weist Musterstreit zwischen AOK und einer Apothekerin an Vorinstanz zurück

BERLIN (ks) | Viele Apotheker dürften sich an den Sommer 2011 erinnern, als der AOK-Exklusiv-Vertragspartner Betapharm das Rabattarzneimittel Metoprolol Succinat Beta 47,5 und 95 nicht liefern konnte. Damit die Patienten nicht unversorgt blieben, mussten sie ein wirkstoffgleiches Präparat abgeben. Einige Apotheken bedruckten das Rezept trotzdem mit der PZN des Rabatt-Arzneimittels. So machte es auch eine Apothekerin, gegen welche die AOK daraufhin eine Vertragsstrafe verhängte und nun einen Musterstreit führt. Dieser soll klären, ob die Vertragsstrafe rechtens war. Nachdem die Vorinstanzen dies verneinten, war nun das Bundessozialgericht am Zug.

So wie die Apothekerin, gegen die die AOK Baden-Württemberg das Musterstreitverfahren führt, machten es im Juni und Juli 2011 auch rund 1200 andere Apotheken. Kommen auf sie nun im Nachhinein noch Vertragsstrafen zu? Bisher lief es in dem Rechtsstreit mit der AOK gut für die Apothekerin. Zunächst scheiterte der Versuch der Kasse, strafrechtlich gegen die Pharmazeutin vorzugehen. Das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren wurde eingestellt, weil nicht hinreichend wahrscheinlich war, dass ein zu einer Verurteilung führendes strafbares Verhalten vorliegt.

Danach korrespondierte die AOK mit dem Deutschen Apothekerverband und dem Landesapothekerverband Baden-Württemberg (LAV) über ihr beabsichtigtes weiteres Vorgehen: Es ging um Verwarnungen und die Verhängung von Vertragsstrafen wegen Falschabrechnungen und deren Berechnung auf der Grundlage des Rahmenvertrages über die Arzneimittelversorgung. Im November 2012 forderte die AOK dann von der Apothekerin die Zahlung einer Vertragsstrafe von 6560 Euro. Die Begründung: Sie habe mit Falschabrechnungen in 44 Fällen schwerwiegende Pflichtverletzungen begangen und dadurch das Vertrauensverhältnis zur Klägerin schwer und nachhaltig beschädigt.

Sie stützte sich dabei auf § 11 Abs. 1 Rahmenvertrag. Dieser sieht bei Verstößen gegen Abgabebestimmungen nach § 129 Abs. 1 SGB V neben der Verwarnung, eine Vertragsstrafe bis zu 25.000 Euro sowie bei gröblichen und wiederholten Verstößen den Ausschluss des Apothekenleiters von der Versorgung der Versicherten bis zur Dauer von zwei Jahren vor. Bei Mitgliedsapotheken eines Apothekerverbands muss sich die Kasse der Regelung zufolge zuvor mit dem entsprechenden Verband – hier dem LAV – ins „Benehmen“ setzen.

Verwaltungsakt statt Klage?

Die Apothekerin wollte die Strafe nicht zahlen, so dass die AOK vor dem Sozialgericht Klage erhob und das Geld samt Zinsen einforderte. Doch sowohl in der ersten als auch in der zweiten Instanz blieb die Kasse erfolglos. Die Gerichte hielten die Klage bereits für unzulässig, weil die AOK die Strafe per Verwaltungsakt hätte festsetzen können. Daher fehle ihr für die Klage das Rechtsschutzbedürfnis. Das Sozialgericht Mannheim führte zudem aus, warum die Klage aus seiner Sicht auch unbegründet wäre: Zum einen mangele es an der wirksamen vertraglichen Vereinbarung einer Vertragsstrafe. Die Regelung im Rahmenvertrag sei zu unbestimmt. Zum anderen fehle das notwendige „Benehmen“ mit dem LAV – dafür wäre nämlich der Versuch einer einvernehmlichen Lösung erforderlich gewesen. Schließlich sei die eingeklagte Vertragsstrafe unverhältnismäßig.

Nächste Station war Ende Juni das Bundessozialgericht (BSG). Die schriftlichen Entscheidungsgründe liegen noch nicht vor. In einem Terminbericht stellt der 3. Senat aber klar, dass er nicht davon ausgeht, dass die Vertragsstrafe im Wege eines Verwaltungsaktes hätte festgesetzt werden müssen. Er verweist vielmehr auf seine eigene gefestigte Rechtsprechung zu ähnlichen Konstellationen bei Streitigkeiten über Inhalt und Befugnisse der Krankenkassen aus öffentlich-rechtlichen Verträgen mit nichtärztlichen Leistungserbringern. Nach dieser besteht zwischen den Parteien des Rahmenvertrages – also Apotheken und Krankenkassen – ein Gleichordnungsverhältnis. Und damit gerade keine Situation, die einen Verwaltungsakt im Über-Unterordnungsverhältnis erfordere.

Überdies gibt der Senat im Hinblick auf die bezweifelte Verhältnismäßigkeit der Vertragsstrafe zu bedenken, dass vorliegend nicht über die gravierendste im Rahmenvertrag vorgesehene Strafe zu entscheiden sei, also den Ausschluss von der Versorgung in der GKV bis zu zwei Jahren. Diese könnte tatsächlich ein schwerer Eingriff in die Berufsfreiheit sein – die Vertragsstrafe habe hingegen keine so starke Eingriffsintensität.

Dem Landesozialgericht Stuttgart, also seiner Vorinstanz, hat das BSG nun aufgegeben, noch verschiedene Feststellungen zu treffen und zu würdigen: Wurde das Benehmen der AOK mit dem LAV den rechtlichen Vorgaben entsprechend hergestellt? Und steht die konkrete Vertragsstrafe mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in Einklang? Nun heißt es abwarten, wie das Landessozialgericht im zweiten Anlauf entscheidet. |

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