DAZ aktuell

GKV-Spitzenverband vertraut DocMorris

Kassen lehnen Sanktionen wegen Verletzung des Rahmenvertrags weiterhin ab

BERLIN (ks) | Der GKV-Spitzenverband will DocMorris und die Europa Apotheek Venlo auch weiterhin nicht mit Mitteln des Rahmenvertrags sanktionieren, weil sie deutschen Versicherten Rx-Boni gewähren. Dass DocMorris mit falschen Zuzahlungsquittungen arbeitet, stört die Kassen dabei nicht. Der GKV-Spitzenverband verweist darauf, dass DocMorris versichert habe, seine Rechnungen umzugestalten.

Der Leipziger Rechtsanwalt Fabian Virkus ist überzeugt: Der GKV-Spitzenverband müsste DocMorris und die Europa Apotheek Venlo dafür sanktionieren, dass sie deutschen Versicherten Rx-Boni gewähren. Denn trotz des EuGH-Urteils zur Rx-Preisbindung verstoße die Boni-Gewährung gegen den Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung. Der GKV-Spitzenverband könnte die Apotheken daher sogar von der Versorgung ausschließen. Diese Rechtsauffassung hatte der Anwalt dem GKV-Spitzenverband bereits im November 2016 mitgeteilt. Hinter ihm steht eine Initiative von rund 180 Apothekern sowie Apotheken-Kooperationen wie Elac (Guten-Tag-Apotheken).

Doch der GKV-Spitzenverband antwortete im Februar, dass er dies anders sieht: Der Rahmenvertrag müsse nach dem EuGH-Urteil europarechtskonform ausgelegt werden – und deshalb seien die Rx-Boni kein Problem. Der Kassenverband schrieb damals auch, dass DocMorris eigenen Angaben zufolge nicht darauf verzichte, gesetzlich vorgesehene Zuzahlungen einzuziehen. Sie würden vielmehr mit den Kassen verrechnet.

Daraufhin legte Virkus im März nach. Die Behauptung, der niederländische Versender ziehe Zuzahlungen ordnungsgemäß ein, sei „nachweislich falsch“. Vielmehr verletze DocMorris nicht nur die ihr durch Gesetz und Rahmenvertrag auferlegte Verpflichtung, Zuzahlungen einzuziehen – sie täusche die Krankenkassen auch vorsätzlich über die Einziehung der Zuzahlungen, „um ihr Preismodell auf deren Kosten zu finanzieren“, schrieb der Anwalt und verwies zum Beleg seiner Behauptungen auf Testkäufe.

Gerichte bestätigen unzulässige Methoden

Mittlerweile hat sich auch das Oberlandesgericht Stuttgart mit DocMorris’ fragwürdigem Umgang mit Zuzahlungen beschäftigt und das Ausstellen von Quittungen über nicht geleistete Zuzahlungen für unzulässig befunden. Denn mithilfe dieser Quittungen könne der GKV-versicherte Kunde schneller die Belastungsobergrenze erreichen, ab der er von der Zuzahlung freigestellt ist. Zudem könne er eine außergewöhnliche Belastung beim Finanzamt geltend machen, also seine Einkommensteuer verkürzen.

Virkus hatte in seinem Schreiben vom März überdies auf das im Eilverfahren ergangene Urteil des Landgerichts Stuttgart verwiesen, mit dem DocMorris untersagt wurde, Freibriefumschläge zur Rezepteinreichung zu verwenden, die nicht die Telefonnummer des Patienten für eine möglicherweise nötige Kontaktaufnahme abfragen. Damit sah der Anwalt die Arzneimittelsicherheit und die Gesundheit der Patienten „vorsätzlich und in erheblicher Weise gefährdet“.

DocMorris verspricht Abhilfe

Nun hat der GKV-Spitzenverband mit einem weiteren Schreiben reagiert. Darin beharrt er auf seiner Rechts­position. Den Hinweisen zum Zuzahlungserlass sei man nachgegangen: „Auch uns ist an einer transparenten Gestaltung der Quittungen (…) gelegen“, heißt es dazu im Brief. Doch ein Problem sieht der Spitzenverband deshalb nicht: DocMorris habe mittlerweile „versichert, dass sie in Reaktion auf die Ausführungen des Oberlandesgerichts Stuttgart die Rechnungspapiere derzeit in der Form anpasst, dass auf diesen künftig neben den Preisen für die einzelnen Produkte auch die geleistete Zuzahlung, die sonstigen ­Kundenvorteile (Boni) und der Zahlbetrag ausgewiesen werden“. Aufgrund des größeren Programmieraufwandes für diese Änderung sei die Umstellung auf die neue Rechnung für das 3. Quartal 2017 geplant.

Auch dem Hinweis auf eine fehlende Abfrage der Telefonnummer auf Werbemitteln von DocMorris ist der GKV-Spitzenverband nachgegangen. Man habe DocMorris um Stellungnahme gebeten, schreibt der Verband – und die Versandapotheke habe erklärt, bei einer Bestellung nun stets verpflichtend auch die Mitteilung einer Telefonnummer für eventuelle Rückfragen zu verlangen. Zudem habe DocMorris gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart Berufung eingelegt.

Der GKV-Spitzenverband sieht angesichts von DocMorris Versprechen, die Rechtsverstöße abzustellen, weiterhin keinen Anlass, aktiv zu werden.

Virkus verlangt dagegen weitere Aufklärung und „Akteneinsicht“ beim GKV-Spitzenverband. Schließlich habe DocMorris eingeräumt, die Kassen in Sachen Zuzahlung belogen zu haben. Dennoch räume der GKV-Spitzenverband der Versandapotheke eine Schonfrist ein. Virkus fragt sich: Was muss man in diesem Land machen, um gestoppt zu werden? „Das hat mit Rechtsstaat nicht mehr viel zu tun“, sagt er. ­Einen positiven Aspekt sieht der Anwalt aber doch: Das bislang von DocMorris praktizierte Bonus-Modell, das auf einem Zuzahlungserlass basiert, könne auf Dauer nicht fortgeführt werden. Künftig müsse die Apotheke die Boni wohl auf OTC-Käufe anrechnen. |

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