Arzneimittel und Therapie

Was Phytoestrogene leisten können

Sieben Fragen zur Selbstmedikation in den Wechseljahren

dm | Fenchel im Klimakterium? Ob das sinnvoll ist, fragten wir Priv.-Doz. Dr. Kristina Jenett-Siems. Sie forschte an der Freien Uni­versität Berlin an traditionellen Heilpflanzen und ist dort aktuell in der Lehre tätig. Weiterhin beschäftigt sie sich mit der Strukturaufklärung von Naturstoffen und arbeitet in einer Apotheke. Für die DAZ schreibt sie regelmäßig Beiträge über Phytopharmaka.
Priv.-Doz. Dr. Kristina Jenett-Siems

DAZ: Liest man vom breiten Einsatz des Fenchels, klingt das fast nach einem „Allheilmittel“?

Jenett-Siems: Wunder- bzw. Allheilmittel gibt es nicht. Eine gewisse Indikationslyrik findet sich aber bei praktisch jeder Arzneipflanze. Dennoch sollte man nicht von Vornherein alles infrage stellen, sondern schauen, was sich im Licht moderner Erkenntnisse belegen lässt und was nicht.

DAZ: Wie werden Phytoestrogene de­finiert? Ist Anethol aus Fenchel ein Phytoestrogen?

Jenett-Siems: Phytoestrogene sind sekundäre Pflanzenstoffe, die eine strukturelle Ähnlichkeit mit Östrogenen aufweisen und mit Östrogenrezeptoren interagieren. Häufig beobachtet man gewebespezifisch sowohl agonistische als auch antagonistische Effekte. Insbesondere in den Stoffklassen der Isoflavone und Lignane findet man Phytoestrogene. Angesichts seiner Struktur halte ich es für schwer vorstellbar, dass das Anethol aus dem Fenchel mit ­Östrogenrezeptoren interagiert. Bei Dimeren sieht die Situation möglicherweise anders aus. Dies ließe sich durch Bindungsstudien klären.

DAZ: Wie beurteilen Sie die neuen iranischen Studien zur Wirkung von Fenchel im Klimakterium?

Jenett-Siems: Auf Basis dieser sehr kleinen und über einen kurzen Beo­bachtungszeitraum durchgeführten Studien kann man nicht zu einer abschließenden Bewertung kommen. Das Ergebnis ist interessant, aber weitere Untersuchungen müssten es an größeren Patientenkollektiven bestätigen.

DAZ: In der Apotheke wünscht sich eine Patientin eine „pflanzliche Alterna­tive“ zur Hormon-Therapie. Was nun?

Jenett-Siems: Hier gibt es drei Möglichkeiten. Als Arzneimittel zugelassen sind Extrakte aus Traubensilberkerze und Rhapontikrhabarber, daneben gibt es Nahrungsergänzungsmittel mit Isoflavonen aus Soja oder Rotklee. Die Studienlage ist für alle drei Alternativen leider äußerst unbefriedigend.

„Die Präparate kommen nur für Frauen infrage, die prinzipiell ­Hormone einnehmen könnten, aber eine pflanzliche Alternative bevorzugen.“

DAZ: Wie würden Sie zwischen Arzneimitteln und entsprechenden Nahrungs­ergänzungsmitteln unterscheiden? Ist es sinnvoller, Phytoestrogene mit der Nahrung aufzunehmen?

Jenett-Siems: Aufgrund der strengeren Zulassungskriterien würde ich die Arzneimittel bevorzugen. Aus einigen Studien gibt es auch Hinweise, dass Sojaisoflavone einen leichten Einfluss auf die Parameter Hitzewallungen und vaginale Trockenheit besitzen. Eine generelle Empfehlung ist aber nicht möglich. Es würde eine recht spezielle Ernährung erfordern, eine äquivalente Menge an Phytoestrogenen mit der Nahrung aufzunehmen. Für die meisten Frauen wäre das schwer zu realisieren.

DAZ: Wie sicher sind pflanzliche Präparate, die hormonähnlich wirken sollen?

Jenett-Siems: Im Fenchel ist das Estragol toxikologisch nicht unproblematisch. Ältere Arbeiten deuten im Tierversuch auf einen estrogenen Effekt des Fenchels hin. In Anbetracht der jahrhundertelangen Verwendung ist aber davon auszugehen, dass Fenchel bei Zufuhr üblicher Mengen sicher ist. Ähnliches gilt nach derzeitigem Wissensstand auch für Lebensmittel oder Nahrungsergänzungsmittel auf Soja- bzw. Rotkleebasis. Über mögliche Langzeitfolgen der Phytoestrogene ist allerdings immer noch zu wenig bekannt.

DAZ: Sind pflanzliche Präparate, mit hormonähnlicher Wirkung risikoärmer als eine Hormon-Therapie?

Jenett-Siems: In der Tat sind Präparate aus Rhapontikrhabarber für Frauen, die an hormonabhängigen Tumoren leiden oder litten, kontraindiziert. Und auch die Einschätzung der EFSA (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit) zur Sicherheit von Isoflavonen gilt ausdrücklich nicht für Risikogruppen. Insofern kommen die entsprechenden Präparate nur für Frauen infrage, die prinzipiell Hormone einnehmen könnten, aber eine pflanzliche Alternative bevorzugen. Bei Cimicifuga-haltigen Präparaten, die keine klassischen Phytoestrogene enthalten, gibt es keine absolute Kontraindikation für die Anwendung bei Brustkrebs in der Vorgeschichte. Hier findet sich im Beipackzettel die Empfehlung, Cimicifuga in dieser Situation nur unter ärztlicher Kontrolle zu verwenden.

DAZ: Vielen Dank für das Gespräch! |

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