DAZ aktuell

Neue Regeln für die Substitutionstherapie

Überarbeitete BtMVV bringt Neues für Ärzte, Patienten und Apotheker – aber nicht sofort

BERLIN (ks) | Die Regelungen zur Substitutionstherapie Opioidabhängiger, die schon vor 20 Jahren in der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV) verankert wurden, sind vom Verordnungsgeber aktualisiert worden. Apotheker können sich auf Mehraufwand gefasst machen – und auf eine neue Form von „Mischrezepten“.

Am 30. Mai 2017 ist die Dritte Verordnung zur Änderung der BtMVV in Kraft getreten. Ihrer Begründung zufolge dient die Verordnung dem Ziel, die betäubungsmittelrechtlichen Regelungen zur Substitutionstherapie Opioidabhängiger an den wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritt und aktuelle praktische Bedürfnisse anzupassen. Auch sollen Ärzte motiviert werden, Menschen, die durch den Missbrauch illegal erworbener Opioide abhängig geworden und schwer erkrankt sind, mithilfe der Substitutionstherapie zu behandeln. Dazu hat der Verordnungsgeber die BtMVV grundlegend überarbeitet. Es geht zum einen darum, die Verantwortung der Ärzte zu stärken, zum anderen soll Betroffenen besser und wohnortnäher geholfen werden.

Neue Verordnung in Kraft, doch noch gilt altes Recht

Unter anderem soll die Bundesärztekammer (BÄK) Regelungen zu Sachverhalten, die unmittelbar ärztlich-therapeutische Bewertungen betreffen, künftig selbst in einer Richtlinie regeln. Das ist auch der Punkt, warum die neue BtMVV zwar formal in Kraft getreten ist, vorerst aber noch die Vorschriften der alten Verordnung gelten. Denn eine Übergangsvorschrift besagt, dass die bisherige Fassung weiter Anwendung findet bis diese Richtlinie im Bundesanzeiger bekanntgemacht ist. Das ist noch nicht der Fall. Die neue BtMVV gibt jedoch vor, dass die BÄK die von ihr verabschiedete Richtlinie dem Bundesgesundheitsministerium spätestens bis zum 31. August 2017 zur Genehmigung vorzulegen hat. Es ist also absehbar, dass die neuen Regelungen im Laufe des Jahres in Kraft treten werden. Es kann daher nicht schaden, schon jetzt einen Blick auf sie zu werfen.

Neue Ausnahmen von der Regel

Grundsätzlich sollen Opioidabhängige ihr Substitutionsmittel auch künftig nur im Beisein von Fachpersonal einnehmen. Die neue Verordnung erweitert aber die Ausnahmen von diesem Grundsatz. Für Apotheken von Interesse ist nicht zuletzt die Ausweitung von Take-home-Verschreibungen. So wird die bisherige Zwei-Tage-Ausnahmeregelung beibehalten, der Überbrückungszeitraum aber ausgedehnt, wenn einem Wochenende Feiertage vorausgehen oder folgen, auch wenn ein Brückentag dazwischenliegt (bis zu maximal fünf Tage). Der Arzt muss eine solche Verschreibung nach dem Buchstaben „S“ zusätzlich mit dem Buchstaben „Z“ kennzeichnen.

Ferner soll der Arzt neben der bisherigen Sieben-Tage-Regelung künftig in begründeten Einzelfällen Substitutionsmittel für bis zu 30 Tage verordnen können. Dies soll die Patientenautonomie stärken und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, insbesondere dem Erwerbsleben, fördern. Bei derartig großen Take-home-Verordnungen kann der substituierende Arzt zudem festlegen, dass das Substitutionsmittel dem Patienten in Teilmengen zu bestimmten Zeitpunkten zum unmittelbaren Verbrauch in der Apotheke oder der Arztpraxis (Sichtvergabe) zu überlassen ist. Die Verschreibungen für bis zu sieben oder bis zu 30 Tage sind zudem nach dem Buchstaben „S“ ­zusätzlich mit dem Buchstaben „T“ zu kennzeichnen.

Bedenken der Apotheker

Die ABDA hatte bereits im Vorfeld eine sachgerechte Weiterentwicklung der Vorschriften grundsätzlich begrüßt. Doch die Kritik liegt im Detail – etwa bei den neuen Nachweispflichten. So ist im Falle des Überlassens eines Substitutionsmittels zum unmittelbaren Verbrauch der Verbleib nicht mehr zwingend vom Arzt patientenbezogen nachzuweisen. Diese Pflicht wird auf weitere Fachkreise erweitert – darunter auch Apotheken, wenn der substituierende Arzt mit ihnen eine Vereinbarung getroffen hat. Der Arzt, der die Nachweisführung nicht selbst vornimmt, muss dabei sicherstellen, dass diese andere Person ihn bis zum Ende jedes Kalendermonats über die Prüfung und Nachweisführung schriftlich oder elektronisch unterrichtet.

Zudem fürchtet die ABDA erheblichen Mehraufwand für die Apotheken, wenn der Arzt bei den 30-Tage-Verordnungen nun patientenindividuelle Verabreichungs- bzw. Abgabezeitpunkte festlegt. So muss man sich über die Lagerung des Anbruchs des Substitutionsmittels Gedanken machen – vor allem aber werden mehr Abgaben und damit mehr Dokumentationen auf die Apotheken zukommen. Ohnehin mangelt es an Verständnis für das neue „Mischrezept“ für Take-home-Bedarf und Substitutionsmittel zum Sichtbezug im Rahmen der Take-home-Verschreibungen für bis zu 30 Tage. Die ABDA sieht in einem solchen Konstrukt im Bereich der betäubungsmittelrechtlichen Substitutionsvorschriften einen „Fremdkörper“, dessen therapeutische Rationale nicht erkennbar ist: Entweder ist der Patient stabil genug, um ihm das Substitutionsmittel zur eigenverantwortlichen Einnahme auch über den Bedarf von sieben Tagen hinaus zu verordnen – oder eben nicht. Im ersteren Fall ist aber ein zwischenzeitlicher Sichtbezug nicht notwendig. |

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