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Warum Paris nicht die Arzneimittelsicherheit retten kann

BAK-Präsident Kiefer eröffnete Pharmacon Meran mit Ausflug in griechische Mythologie

MERAN (du) | Strahlender Sonnenschein, ein wunderschönes Ambiente im Kurhaus Meran und ein Präsident der Bundesapothekerkammer, dem bei der Eröffnung des Pharmacon in Meran einfach nur das Herz aufging. Doch BAK-Präsident Andreas Kiefer schlug auch nachdenkliche Töne an und bemühte die griechische Mythologie, um zu verdeutlichen, welches Chaos droht, wenn Regierung und Politik sich vor wichtigen Entscheidungen drücken.

Auch wenn in diesem Jahr die traditionelle Diskussionsrunde zur Berufspolitik nicht auf der Meraner Tagesordnung stand und neben der wissenschaftlichen Fortbildung ein Blick in die Katastrophenpharmazie geplant ist, konnte das EuGH-Urteil zur Rechtmäßigkeit der Gewährung von Rx-Boni durch ausländische Versandapotheken nicht ausgeklammert werden. Kiefer nutzte seine Eröffnungsrede dazu, noch einmal zu betonen, dass aus berufspolitischer Sicht nur ein Rx-Versandverbot das bestehende System retten kann. Dazu müsse aber die verantwortliche Regierung zwingend Stellung beziehen und die Entscheidung nicht anderen überlassen.

Foto: DAZ/ck
Traditionell wird der Pharmacon vom BAK-Präsidenten eröffnet. In diesem Jahr machte Dr. Andreas Kiefer dabei einen Abstecher in die griechische Mythologie.

Der „Zank“apfel

Warum, dafür entführte Kiefer das Auditorium in die griechische Sagenwelt und rief das Urteil von Paris in Erinnerung: Alle Götter sind zur Hochzeit von Peleus und Thetis geladen, nur Eris, die Göttin der Zwietracht nicht. Ihrer Funktion gerechtwerdend wirft sie einen goldenen Apfel mit der Aufschrift „Der Schönsten“ in die Runde und löst zwischen den anwesenden Göttinnen Hera, Aphrodite und Athene einen Streit um den Apfel aus. Göttervater Zeus drückt sich vor der in seinen Händen liegenden Entscheidung und überlässt sie Paris, dem verstoßenen Sohn des trojanischen Königs Priamos. Die drei Göttinnen buhlen mit ganz unterschiedlichen Versprechungen um seine Gunst: Hera verspricht ihm die Herrschaft über die Welt, Athene Weisheit und Aphrodite schließlich die Liebe der schönsten Frau der Welt. Paris entscheidet sich für Aphrodite. Nur ist Helena, die schönste Frau der Welt, schon verheiratet – und zwar mit Menelaos, dem König von Sparta. Zur Erfüllung des Versprechens muss sie geraubt werden, was letztlich den Trojanischen Krieg ausgelöst hat.

Die schönen Göttinnen der Apothekenwelt

Zurück in unsere Apothekerwelt: In den Augen von Kiefer ist

  • Aphrodite, die Göttin der Liebe und des Versandes. Sie besticht mit übergroßen Boni und Rabatten.
  • Hera, die Göttin der Macht über die Welt und des Fremdbesitzes. Sie besticht mit Aufhebung der Apothekenpflicht und gigantischen anderen Versprechungen, und
  • Athene, die Göttin der Weisheit und der freiberuflich geführten Apotheke. Sie besticht mit unabhängigen Beratungen, vermeidet Fehl- und Mehrgebrauch von Arzneimitteln und garantiert Arzneimittelsicherheit.

Der Weg ins Chaos

Und nun kommt Paris ins Spiel, den Kiefer mit dem unschuldigen Patienten und Verbraucher gleichsetzte. Paris bzw. der Patient, der jetzt die Verlockungen gewichten soll und im Zweifel nur den kurzfristigen Preisvorteil sieht, aber nicht erkennt in welche Qualitätsfalle er langfristig tappt. Zu Ende gedacht bedeutet das für Kiefer: wenn die Politik bzw. die Regierung nicht ihrer Pflicht nachkommt zu entscheiden, landen wir in puncto Arzneimittelversorgung und Arzneimittelsicherheit im Chaos.

Zwar habe Gesundheitsminister Gröhe (CDU) einen Gesetzesentwurf zum Rx-Versandverbot vorgelegt. Dieser habe auch die Zustimmung SPD-geführter Bundesländer erhalten und den Bundesrat passiert. Doch letztlich sei er am Widerstand der SPD auf Regierungsebene gescheitert. Die ausländischen Versandapotheken schaffen derweil mit gigantischem Werbeaufwand Fakten und steigern ihren Marktanteil. Die Maßstäbe verschieben sich. Kiefer warnte: Kurzfristig werde mit niedrigen Preisen geworben, um Marktanteile zu generieren. Das för­dere den Fehl- und Mehrgebrauch von Arzneimitteln.

Zudem beklagte Kiefer, dass vor gezieltem Rechtsbruch nicht haltgemacht werde, Stichwort Abgabeautomat im Odenwald (Hüffenhardt). Rechtsbruch werde bewusst eingesetzt, um neue Geschäftsfelder für Investoren zu erschließen. Dabei ist unstrittig: „Ein Abgabeautomat ist keine genehmigungsfähige Apotheke!“ Kiefer forderte die zuständigen Behörden auf, per Sofortvollzug auch die Abgabe von apothekenpflichtigen Arzneimitteln zu untersagen, denn die Apothekenpflicht sei kein Selbstzweck, sie diene der Arzneimittelsicherheit und dem Patientenschutz. Und: „Die Apothekerschaft darf vom Staat erwarten, dass er sie vor solchen Machenschaften schützt.“

Abschließend forderte Kiefer die Sicherstellung nachfolgender Versorgungsziele:

  • Diskriminierungsfreier Zugang zu Arzneimitteln: Unabhängig von Einkommen, Bildung und sozialem Status muss jeder Bürger mit den Arzneimitteln versorgt werden, die er benötigt. Das bedeutet letztlich den Erhalt der Gleichpreisigkeit.
  • Flächendeckende Versorgung: jeder Bürger erhält eine persönliche Beratung zu dem Arzneimittel, das ihm ausgehändigt wird. Er benötigt keine Online-Beipackzettel, keine Computer-übersetzte videoeingespielte Gebrauchsanweisung. Denn mit dem Produkt in der Hand treten Fragen auf, die nur im persönlichen Gespräch zu beantworten sind. Zum Beispiel: wie bekomme ich das Produkt aus dem Blister, wie dosiere ich 17,5 ml, warum sind die blauen Tabletten jetzt rot?
  • Indikationsgesteuerte und bedarfsgerechte Arzneimitteltherapie auch in der Selbstmedikation,
  • Sicherheit durch freiberufliche Entscheidung,
  • Schutz vor Mehr- und Fehlgebrauch,
  • Schutz vor Fälschungen.

Zurück in die Welt der Olympioniken: In unserer demokratischen Gesellschaft regiert, so Kiefer, zum Glück nicht Zeus alleine: „Wir, die Bürgerinnen und Bürger sind der höchste Olympionik! Wählen wir als Gesellschaft gemeinsam die sichere Arzneimittelversorgung, küren wir die Göttin der Weisheit und Freiberuflichkeit zur Schönsten!“ |

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