Arzneimittel und Therapie

Azithromycin unschuldig?

Arrhythmie-Risiko ähnlich wie unter Amoxicillin

Das Antibiotikum Azithromycin soll das Risiko für Arrhythmien durch eine Verlängerung des QT-Intervalls erhöhen. Doch möglicherweise ist die Infektion dafür verantwortlich.

Dem Breitbandantibiotikum Azithromycin werden unter anderem lebensbedrohliche Nebenwirkungen wie QT-Intervall-Verlängerungen und ventrikuläre Arrhythmien zugeschrieben. Unter anderem zeigten amerikanische Studien ein bis zu 2,9-fach erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Todesfälle unter Azithromycin im Vergleich zur Behandlung mit Amoxicillin und unbehandelten Personen [1, 2]. In einer dänischen Studie war das Risiko erhöht, wenn unbehandelte Patienten als Vergleichsgruppe dienten, aber nicht beim Vergleich zwischen Azithromycin und Penicillin V [3].

In einer großangelegten Fall-Kon­trollstudie Aritmo (Arrhythmogenic Potential of Drugs) mit sieben teilnehmenden Zentren aus fünf europäischen Ländern und einer Laufzeit von 13 Jahren wurde nun diese kontroverse Fragestellung anhand der Daten von 28 Millionen Versicherten erneut analysiert [4].

Erfasst wurden Patienten unter 85 Jahren, die neu mit einem Antibiotikum behandelt wurden und ein Jahr lang keine Antibiotika eingenommen hatten. 48% der ausgewählten Versicherten erfüllten diese Kriterien. 12.874 (0,1%) entwickelten ventrikuläre Arrhythmien, 1221 unter der Einnahme eines Antibiotikums, von denen wiederum 30 Azithromycin erhalten hatten.

Im Vergleich mit der nicht mit Antibiotika behandelten Kontrollgruppe zeigte sich ein signifikant erhöhtes Risiko unter der Azithromycin-Einnahme (OR 1,97; KI 95% 1,35–2,86). Wurde als Vergleich die Gruppe der Patienten herangezogen, die Amoxicillin erhalten hatten, war Azithromycin mit keinem signifikant erhöhten Arrhythmie-Risiko (OR 0,94; KI 95% 0,50–1,77) asso­ziiert.

Die Gegenüberstellung mit anderen Antibiotika zeigte, dass auch deren Einnahme mit einem erhöhten Risiko verbunden war, wobei dieses etwas geringer ausfiel (OR 1,83; KI 95% 1,71–1,97). Aus all diesen Daten folgerten die Wissenschaftler, dass wahrscheinlich nicht das Antibiotikum selbst, sondern die zugrunde liegende Infektion der entscheidende Risikofaktor für die Arrhythmien sei.

Die Stärke der Aritmo-Studie liegt in der großen Teilnehmerzahl. Außerdem ermöglichte das Design die Analyse einzelner Antibiotika. Die Studie steht im Widerspruch zu den Ergebnissen der amerikanischen Studien, bestätigt aber die Resultate der dänischen Studie. Für die Praxis gilt wohl damit weiterhin die Kontraindikation bei Patienten mit Veränderung des QT-Intervalls. |

Quelle

[1] Ray WA et al. Azithromycin and the risk of cardiovascular death. N Engl J Med 2012;366:1881-90.

[2] Rao GA et al. Azithromycin and levofloxacin use and increased risk of cardiac arrhythmia and death. Ann Fam Med 2014;12:121-7

[3] Svanström H Pasternak B, Hviid A. Use of azithromycin and death from cardiovascular causes. N Engl J Med 2013;368:1704-12.

[4] Trifirò G et al. Use of azithromycin and risk of ventricular arrhythmia. CMAJ 2017 April 18;189:E560-8.

Apothekerin Janine Naß

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