Wirtschaft

Rabattverträge – Goldgrube der Krankenkassen

Herstellerrabatt und Apotheken-Rohertrag im Vergleich

Uwe Hüsgen | Mit Inkrafttreten des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes (GKV-WSG) zum 1. April 2007 wurden die Rabattverträge zwischen Herstellern und gesetzlichen Krankenkassen „scharf gestellt“. Schon im Startjahr waren 17,5 Prozent aller zulasten der Krankenkassen abgegebenen Arzneimittel rabattbegünstigt – 2016 lag der Anteil jenseits der 50-Prozent-Marke. Auch die Höhe der vereinbarten Rabatte schoss steil nach oben. Im Gegensatz dazu stieg der Apotheken-Rohertrag eher zögerlich. Von daher lohnt es sich, beide Entwicklungen parallel zu betrachten.

Die Zahl der zulasten der GKV abgegebenen Fertigarzneimittel stieg von 2008 bis 2016 um 9,0 Prozent (von 623,0 Mio. auf 679,0 Mio. Packungen). Der Anteil der verschreibungspflichtigen Arzneimittel nahm dabei stetig zu (s. Abb.), und zwar von 89,4 Prozent (2008) auf 91,2 Prozent (2016).

Grafik: DAZ/ekr; Quelle: Insight Health
Abb. 1: Entwicklung der rabattbegünstigten Arzneimittel. (GKV-FAM: zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegebene ­Fertigarzneimittel)

Nachdem im Startjahr 106,4 Mio. rabattbegünstigte Arzneimittel zulasten der GKV abgegeben worden sind, stieg ihre Zahl im ersten vollen Jahr (2008) auf beachtliche 259,2 Mio. Packungen an. Das waren schon 41,6 Prozent aller zulasten der GKV abgegebenen Fertigarzneimittel.

Sechs von Zehn Packungen rabattbegünstigt

Bis 2016 wuchs die Zahl der abgegebenen rabattbegünstigten Arzneimittel kontinuierlich auf 397,7 Mio. Packungen an. Während die Zahl der abgegebenen apothekenpflichtigen, rabattbegünstigten Arzneimittel von 2008 bis 2016 um 35,6 Prozent (von 15,2 auf 9,8 Mio. Packungen) zurückgegangen ist, nahm die Zahl der rabattbegünstigten rezeptpflichtigen Arzneimittel um 59,0 Prozent (von 243,9 auf 387,9 Mio. Packungen) zu. Insgesamt stieg die Zahl der abgegebenen rabattbegünstigten Arzneimittel um knapp 53,5 Prozent. Damit liegt der Anteil an allen zulasten der GKV verordneten rabattbegünstigten Arzneimitteln aktuell bei 58,6 Prozent.

Der Anteil der rabattbegünstigten Arzneimittel an allen zulasten der GKV abgegebenen verschreibungspflichtigen Arzneimitteln lag im Jahr 2016 bei 62,7 Prozent – eine Höchstmarke, die in den ersten Monaten 2017 bereits wieder überschritten wurde. Bei den apothekenpflichtigen Arzneimitteln sind immer noch 16,4 Prozent rabattbegünstigt. Dabei muss allerdings bedacht werden, dass es im Laufe der letzten Jahre beim Absatz mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln so gut wie keine Zuwächse gab.

Im Klartext bedeutet das, dass die rabattbegünstigten Arzneimittel aktuell den zulasten der GKV verordneten Fertigarzneimittelmarkt dominieren. So werden von zehn verordneten Arzneimitteln jetzt bereits annähernd sechs als rabattbegünstigt vereinbarte von den deutschen Apotheken abgegeben.

Ökonomische Bedeutung der Rabattverträge

Ob die Versorgungssicherheit und -qualität im Rahmen der Verträge nach § 130a Abs. 8 SGB V für die gesetzlichen Krankenkassen, auch angesichts der seit Langem feststellbaren Lieferengpässe von Produkten einzelner Hersteller, eine zentrale Rolle spielt, darf bezweifelt werden. Mit Sicherheit hat aber der finanzielle Wert dieser Verträge für die Krankenkassen eine enorme Bedeutung.

Konnten die Krankenkassen über die Rabattverträge 2008 „nur“ 310,2 Mio. Euro einnehmen (s. Tab.), so stieg dieser Wert bis 2016 auf 3852,3 Mio. Euro (vorläufiges Ergebnis des Bundesgesundheitsministeriums) an. Damit konnten die gesetzlichen Krankenkassen, mit „gesetzlich normierter Unterstützung der Apotheken“ und deren Mitarbeiter (vgl. § 129 Abs. 1 SGB V) im Jahre 2016 mehr als 12 mal so viel an vertraglich vereinbarten Rabatten verbuchen wie 2008 – ein Plus von mehr als 1140 Prozent!

Tab. 1: Herstellerrabatte gemäß § 130a Abs. 8 SGB V in Mio. Euro und je rabattbegünstigtem Fertigarzneimittel (FAM), im Vergleich zum Apotheken-Rohertrag (gemäß AMPreisV) je zulasten der GKV abgegebenem verschreibungspflichtigen Fertigarzneimittel (GKV-Rx-FAM)
Jahr
Rabatte in Mio. Euro gem. § 130 a Abs. 8 SGB V
Rabatt je rabattb. FAM
Apo.-Rohertrag je GKV-Rx-FAM (gem. AMPreisV)
2008
310,2
1,20 €
7,11 €
2009
846,2
2,66 €
7,62 €
2010
1.308,9
4,16 €
7,63 €
2011
1.720,5
4,96 €
7,38 €
2012
2.374,9
6,41 €
7,41 €
2013
2.972,4
8,47 €
7,89 €
2014
3.186,0
8,77 €
7,95 €
2015
3.655,0
9,57 €
8,02 €
2016¹⁾
3.852,3
9,69 €
8,05 €

1): Herstellerrabatt nach § 130a Abs. 8 SGB V für 2016: KV45; vorläufig

Quelle: Bundesministerium für Gesundheit (KJ1, KV 45), INSIGHT Health, und eigene Berechnungen; Hü. ©

Gesamtgesellschaftlich nicht unerwähnt bleiben darf: Das sind aktuell etwas mehr als 0,27 Beitragssatzpunkte des durchschnittlichen Beitragssatzes von 15,7 Prozent [einschl. der Zusatzbeiträge der Arbeitnehmer] der gesetzlichen Krankenkassen.

Der Apotheken-Rohertrag im Vergleich

Dass die Hersteller dabei jeden Euro auch nur ein Mal ausgeben können, spüren Apotheken (und Großhandel) seit Jahren schmerzlich und immer wieder aufs Neue. Besonders interessant wird die Analyse, wenn die kassenseitig erzielten Erlöse aus Rabattverträgen auf das einzelne rabattbegünstigte Arzneimittel heruntergebrochen und – in einem zweiten Schritt – dem durchschnittlichen Rohertrag der Apotheken gegenübergestellt werden.

Die Entwicklung des Herstellerrabatts je abgegebenem rabattbegünstigten Arzneimittel von 2008 bis 2016 ist mit fast + 810 Prozent mehr als beachtlich. Konnten die Krankenkassen mit den Herstellern im Jahre 2008 noch einen Durchschnittsrabatt von 1,20 Euro je abgegebenem Arzneimittel vereinbaren, so stieg der Wert – nicht zuletzt aus Wettbewerbs- bzw. aus Gründen der Marktverdrängung auf Herstellerseite – in den Folgejahren kontinuierlich an, um in 2016 mit 9,69 Euro einen (bisherigen) Höchstwert zu erreichen. Glaubt man Kennern der Szene, so werden von pharmazeutischen Unternehmen für einzelne Produkte teilweise Rabatte vereinbart, die dazu führen, dass selbst die Herstellungskosten unterschritten werden. Über die Motivation auf Herstellerseite kann man nur spekulieren; vielleicht will man sich einen Namen im Markt machen oder mit seiner gesamten Produktvielfalt im Markt präsent bleiben.

Ein Vergleich der Entwicklungen des Rabatts je rabattbegünstigtem Fertigarzneimittel mit dem Apotheken-Rohertrag je verschreibungspflichtigem Fertigarzneimittel lässt einem jedenfalls den Atem stocken. Einer Zunahme der Rabatte von rund 710 Prozent steht ein Plus von 13,3 Prozent beim Apotheken-Rohertrag je verschreibungspflichtigem Fertigarzneimittel gegenüber.

Bedenkt man zudem, dass die Einkaufsvorteile der Apotheken – nicht zuletzt aufgrund der Rabattverträge – heute längst nicht mehr so sprudeln wie vor Jahren, muss man angesichts des Informations- und Beratungsaufwandes in den Apotheken die Frage stellen dürfen, ob bei den Rabattverträgen alles mit rechten Dingen zugeht. Interessierte Leser seien an dieser Stelle auf den DAZ-Beitrag „Aufwand honorieren“ (DAZ 2013, Nr. 8, S. 24) verwiesen. |

Autor

Dipl.-Math. Uwe Hüsgen war lange Jahre Geschäftsführer des Apothekerverbands Nordrhein. Heute ist er vornehmlich als Autor, u. a. des regelmäßigen „Roh­ertrags-Monitors“ in der AZ, tätig.

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