Arzneimittel und Therapie

Das individuelle Risiko zählt

Maßnahmen zur Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind nach wie vor die häufigste Ursache für vorzeitige Invalidität und Tod. Mithilfe des ESC-SCOREs lässt sich das persönliche Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen ermitteln. Für die Verringerung der Risikofaktoren spielt Prävention eine wichtige Rolle.

Trotz großer Fortschritte in der Diagnosestellung und Therapie von kardiovaskulären Erkrankungen zählen Herzinfarkt, Schlaganfall und periphere Gefäßerkrankungen zur Todesursache Nummer eins. Dieser Tatsache liegt häufig eine ungesunde Lebensweise zugrunde, die zudem mit erheblichen Kosten für die Volkswirtschaft einhergeht. Um das persönliche Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen zu ermitteln, eignet sich der ESC-SCORE (Systematic Coronary Risk Estimation, Abb.), bei dem das kardiovaskuläre 10-Jahres-Risiko für den Einzelnen abgeschätzt werden kann.

Abb.: ESC-Score Hier kann eindrucksvoll abgelesen werden, dass das Risiko eines 40-jährigen Rauchers mit erhöhtem Cholesterol-Spiegel und Bluthochdruck dem Risiko eines gesunden 60-jährigen Mannes entspricht, d. h., der 40-jährige Raucher verliert zwanzig Jahre, wenn er an den bestehenden Risikofaktoren nichts ändert. Diese Tatsache motiviert möglicherweise zu einer Lebensstilveränderung.

Wer profitiert?

Ein systematisches Risiko-Screening empfiehlt sich für alle Personen mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen aufgrund positiver Familienanamnese sowie bestimmter Risikofaktoren (Hypertonie, Diabetes, Hyperlipidämie, Rauchen) und/oder besonderer Komorbiditäten (u.a. rheumatische Arthritis oder erektile Dysfunktion). Neben der Berücksichtigung von bestehenden Erkrankungen, Geschlecht, Alter, Raucherstatus, Blutdruck und Cholesterol sollten darüber hinaus frauenspezifische Erkrankungen (Präklampsie, Frühgeburten, Gestationsdiabetes und polyzystisches Ovarialsyndrom) Beachtung finden.

Grenzen des SCORE-Systems

Bei jüngeren Menschen unter 40 besteht die Gefahr, dass ein geringes absolutes Risiko ein womöglich sehr hohes relatives Risiko verschleiern kann und notwendige Lebensstil-Änderungen nicht umgesetzt werden. In diesen Fällen empfiehlt es sich, alternative Risiko-Analysen wie „relative Risk Chart“ bzw. „Risk Age“ oder „Liftime CVD Risk“ heranzuziehen. Ungeeignet bzw. nur mit Einschränkung nutzbar ist der SCORE aufgrund ethnischer Besonderheiten bei Migranten u. a. aus Indien, Pakistan und Schwarzafrika.

Die Rolle des Apothekers

Die Risiko-Stratifizierung mittels ESC-SCORE soll dazu dienen, das Bewusstsein für ein ggf. erhöhtes Gesamtrisiko zu schärfen und die Motivation für eine Lebensstiländerung zu fördern. Da die Umsetzung von Präventionsmaßnahmen für Patienten oft schwierig ist, eröffnet sich insbesondere für Apotheker aufgrund ihrer fachlichen und sozialen Kompetenz sowie ihrer flächendeckenden Organisationsstruktur eine Chance, sich in diesem Bereich zu etablieren. Durch individuelle Beratung zu Ernährung, Bewegung, Gewichtsmanagement, Raucherentwöhnung etc. haben Apotheker die Möglichkeit, Einstellungen und Verhalten der Patienten positiv zu beeinflussen. Konkrete Empfehlungen und realistische Zielsetzungen sind hierbei essenziell. Positive Veränderungen lassen sich anhand des SCOREs problemlos ablesen.

Zu finden ist der SCORE in der neuen ESC-Leitlinie für kardiovaskuläre Prävention [1]. Nach Ansicht der Autoren wären durch Präventionsmaßnahmen wie Lebensstil- bzw. Verhaltensänderungen 80% der Herz-Kreislauf-Erkrankungen und 40% der Krebserkrankungen vermeidbar. Prävention lohnt sich also.  |

Quelle

[1] Piepoli FM et al. European Guidelines on cardiovascular disease prevention in clinical practice Eur Heart J 2016;37(29):2315–2381

Apothekerin Damaris Mertens-Keller, PharmD

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