Interpharm 2017 – ApothekenRechtTag

Wenig Licht im Dickicht der Zugaben

Das Zugabeverbot des Heilmittelwerbegesetzes beschert Anwälten zuverlässig Arbeit

ks | § 7 Heilmittelwerbegesetz (HWG) bestimmt, welche Zuwendungen und sonstige Werbegaben im Zusammenhang mit Arzneimitteln und Medizinprodukten gewährt werden dürfen und welche nicht. Er ist wohl eine der komplexesten und widersprüchlichsten Regelungen, die das Wettbewerbsrecht zu bieten hat. Zahlreiche Rechtsstreitigkeiten ranken sich um das Verbot, das mit seinen Ausnahmen und Rückausnahmen selbst für Juristen eine echte Herausforderung ist. Dass sich dies in absehbarer Zukunft ändert, glaubt Rechtsanwalt Dr. Timo Kieser nicht.

Zahlreiche Gerichte aller Instanzen beschäftigen sich immer wieder mit den verschiedenen Facetten des § 7 HWG. Was dabei zu vermissen ist, ist ein klare Linie – das machte Kieser bei seinem Vortrag auf dem ApothekenRechtTag deutlich. Dabei fangen die Probleme schon bei der Frage an, ob das Heilmittelwerbegesetz überhaupt anwendbar ist. Nach § 1 HWG ist das insbesondere bei Arzneimitteln und Medizinprodukten der Fall.

Produktbezogene, Sortiments- oder Imagewerbung?

Der Bundesgerichtshof (BGH) zeigt hier eine schwankende Linie, während die Instanzgerichte bei der Anwendbarkeit zuletzt eher großzügig entschieden. Dabei startete der BGH 2002 in einem der ersten Apotheken-Urteile zunächst recht klar: Ein Zugabenbündel einer Apotheke im Wert von einem bis zwei Euro für die Rezepteinlösung verstoße nicht gegen § 7 HWG, weil es sich um Apothekenwerbung handele und nicht um Werbung für ein Arzneimittel. In einem Urteil aus dem Jahr 2006, in der es um eine Prämie für Neukunden ging, die Gleitsichtgläser kauften, nahm der BGH dann jedoch einen Verstoß an, hier sah er eine Produktwerbung. In einer in der Rechtsprechung viel zitierten weiteren Entscheidung (DeguSmiles & more) ging der BGH bei Prämienpunkten, die für den Einkauf bei einem Zahnersatzhersteller gewährt wurden und die auch für den Erwerb von Nicht-Medizinprodukten verwendet werden konnten, ebenfalls von einer Anwendbarkeit des § 7 HWG aus. Eine Zuwendung könne den Absatz eines Medizinprodukts auch bei einer Sortimentswerbung unsachlich beeinflussen. Das 2010 ergangene Urteil zu von Apotheken ausgegebenen Boni ging dann wiederum eher davon aus, dass ein konkreter Produktbezug vorliegen müsse, setzte sich aber nicht näher mit der bisherigen Rechtsprechung auseinander, da hier zuvörderst ein Verstoß gegen das Arzneimittelpreisrecht vorlag. Derzeit wartet man gespannt auf die Urteilsgründe zum Fall des Zuzahlungsverzichts eines Online-Diabetesbedarf-Händlers für Hilfsmittel. Hier wendet der BGH das Heilmittelwerbegesetz offenbar an, hält den Verzicht auf die Zuzahlung aber für einen zulässigen Geldrabatt. Anders als bei Arzneimitteln könne der Anbieter bei Hilfsmitteln auf die Zuzahlung verzichten, so der BGH. In diesem Fall sieht Kieser übrigens schon das nächste Problem nahen: Viele Berufsordnungen verbieten Apotheken generell, auf Zuzahlungen zu verzichten – sie differenzieren nicht nach Arzneimitteln und Medizinprodukten. Hier müsse sich nun zeigen, ob ein solcher Verzicht durch eine Apotheke künftig berufsrechtlich verfolgt wird.

Foto: DAZ/Chris Hartlmaier
Dr. Timo Kieser

10-Euro-Gutschein versus 10 Euro Barrabatt

Für Irritationen sorgen weiterhin Entscheidungen zu Gutscheinen für Fremdanbieter, eigene Gutscheine oder Barrabatte. So sah es etwa das Oberlandesgericht Köln als Verstoß gegen das Zugabeverbot, wenn eine Apotheke für den Erwerb eines Blutdruckmessgerätes einen Amazon-Gutschein im Wert von 5 oder 10 Euro anbot (abhängig vom Preis des gekauften Geräts). Dabei handele es sich nämlich nicht um einen Barrabatt – der nach § 7 Abs. 1 Ziff. 2 HWG bei einem Medizinprodukt zulässig wäre – sondern um einen Gutschein mit einer höheren Anlockwirkung. Für Kieser ist nicht nachvollziehbar, warum die Ausgabe dieses Gutscheins eine Ordnungswidrigkeit sein soll, der Barrabatt von gleichem Wert aber kein Problem sein soll – in beiden Fällen sei der Verbraucher schließlich wirtschaftlich gleichgestellt.

Gesamtpaket oder Gratis-Zugabe?

Ein weiteres Beispiel für die Feinheiten des Heilmittelwerbegesetzes ist die Bewerbung eines Haarwuchsmittels (Arzneimittel) zusammen mit ­einer Bürste. Mit Variationen dieser Werbung setzten sich verschiedene Gerichte auseinander. Stets ging es um ein „Spitzenpaket“, für das ein bestimmter Rabatt angepriesen wurde. In manchen Fällen gab es zudem eine Grundpreisangabe für das Haarwuchsmittel – per Dreisatz hätte der Kunde dadurch ausrechnen können, ob der Rabatt auch die Bürste umfasst oder nicht. Ein Gericht sah die beiden Produkte als einheitliches Angebot mit Gesamtpreis, mit der Folge, dass die Bürste keine Zugabe sei. Auch sei es „lebensfremd“, dass der Verbraucher zunächst vom Grundpreis den Rabatt berechnet. Dabei umschiffte das Gericht das Problem, dass bei einem Gesamtpaket auch die Bürste apothekenüblich sein müsste. Jedenfalls im Zusammenhang mit dem Haarwuchsmittel ging es davon aus, dass dies der Fall ist.

Ein anderes Gericht nahm dagegen kein Gesamtpaket an. Dagegen sprächen Werbezusätze wie „inklusive“ und ein Pluszeichen. Zudem ging es davon aus, dass der Verbraucher den Dreisatz beherrsche und so errechnen könne, dass die Bürste eine kostenlose Zugabe ist – und zwar eine zu teure. Hier wurde die Werbung also verboten. Ein Verbot sprachen diverse Landgerichte auch in der Variante der Werbung aus, in der die Bürste ausdrücklich als „gratis“ beworben wurde. Wobei sich hier das nächste Problem auftut: Wie wertvoll darf eine Zugabe sein, wenn sie nicht im Zusammenhang mit Rx-Arzneimitteln gewährt wird? Die Literatur nimmt hier eine Wertgrenze zwischen 2,50 und 5 Euro an. Die Gerichte gingen bei der Bürste, die einen Wert von etwa 2,80 Euro gehabt haben dürfte, durchgängig davon aus, dass der Wert zu hoch sei. Selbst der auf der Bürste vorhandene Werbeaufdruck vermochte den Wert nicht ausreichend zu mindern, um eine zulässige Zugabe anzunehmen.

Wenig problematisch sind laut Kieser hingegen Werbeaktionen, bei denen Arzneimittel mit Gratis-Zugaben wie einem Schal oder einem Quietsche-Entchen beworben werden. So lange die beiden Produkte nicht körperlich verbunden sind, nicht wie ein Gesamtpaket erscheinen (dann müsste die Beigabe apothekenüblich sein) und die Wertgrenze nicht überschritten ist, seien solche Zugaben zulässig.

Arzneimittelmuster an Apotheken sind ein weiteres noch nicht abschließend geklärtes Problem, wie Kieser erläuterte. Das Oberlandesgericht Hamburg entschied 2015, es sei nicht zulässig, Apothekern Muster zu Demonstrationszwecken auszuhändigen, weil diese nicht zum Adressatenkreis gehörten, dem nach § 47 Abs. 3 Arzneimittelgesetz Muster gewährt werden dürfen. Die Revision ließ es nicht zu. Für Kieser ist nicht verständlich, warum Apotheker hier anders behandelt werden sollten als Ärzte. Er verweist dazu unter anderem auf einen Erwägungsgrund zum EU-Humanarzneimittelkodex: Danach sollen Gratismuster von Arzneimitteln „an die zur Verschreibung oder Abgabe von Arzneimitteln berechtigten Personen abgegeben werden können, damit sich diese mit neuen Arzneimitteln vertraut machen und Erfahrungen bei deren Anwendung sammeln können“. Kieser setzt nun auf ein beim BGH anhängiges Revisionsverfahren in einem anderen Fall, in dem das Oberlandesgericht Frankfurt/M. ebenso wie Hamburg entschieden hatte.

Und so gibt es noch zahlreiche weitere Problemfelder, die sich im Zusammenhang mit Zuwendungen und Zugaben, Bar- und Naturalrabatten, handels­üblichen Nebenleistungen etc. auftun. Dass der Gesetzgeber zu mehr Klarheit ansetzt, ist nicht erkennbar. Kieser erwartet daher weiterhin eine hohe Entscheidungsdichte – und schließt mit der Erkenntnis: „§ 7 HWG ist Anwalts Liebling“. |

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