DAZ aktuell

DocMorris muss Kunden nach Telefonnummer fragen

Landgericht Stuttgart: Auch niederländischer Versender muss Apothekenbetriebsordnung beachten

BERLIN (ks) | Die niederländische Versandapotheke DocMorris kämpft weiter mit dem deutschen Recht. In einem neuen Streit geht es um die Frage, inwieweit die Apothekenbetriebsordnung auf sie anwendbar ist. Soweit diese vorsieht, dass eine Versandapotheke von ihren Kunden eine Telefonnummer für Rückfragen zu erfragen hat, müsse DocMorris sie beachten, entschied nun das Landgericht Stuttgart in einem Eilverfahren. (Urteil vom 6. Februar 2017, Az.: 44 O 6/17 KfH)

Eine Apothekerin aus Baden-Württemberg bekam Ende 2016 einen Werbe­flyer der niederländischen Versandapotheke DocMorris in die Hände, dem ein Freibriefumschlag für Rezepte beigefügt war. Was ihr auffiel und sie stutzig machte: Nirgends wurde eine Telefonnummer des potenziellen Kunden erfragt. Dabei schreibt die Apothekenbetriebsordnung vor, dass Versandapotheken diese Telefonnummer abzufragen haben. Nach § 17 Abs. 2a Nr. 7 Apothekenbetriebsordnung hat der Apothekenleiter beim Versandhandel sicherzustellen, „dass die behandelte Person darauf hingewiesen wird, dass sie als Voraussetzung für die Arzneimittelbelieferung mit ihrer Bestellung eine Telefonnummer anzugeben hat, unter der sie durch pharmazeutisches Personal […] beraten wird“.

Die Apothekerin war jedoch überzeugt, wegen des Verstoßes gegen die Vorgabe der Apothekenbetriebsordnung einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch geltend machen zu können. Sie wurde aktiv und mahnte DocMorris ab. Doch die Holländer unterzeichneten erwartungs­gemäß keine Unterlassungserklärung. Sie sehen sich im Recht: Die Verpflichtung, eine Telefonnummer anzugeben, diene letztlich nur der Abschottung des deutschen Apothekenmarktes, da Verbraucher ungern persönliche Daten preisgäben, argumentieren sie. Überhaupt sei zweifelhaft, ob die Apothekenbetriebsordnung auf eine in den Niederlanden ansässige Apotheke anwendbar ist.

Telefon-Hotline kein Ersatz

Die Apothekerin gab jedoch nicht nach und zog vor Gericht. Sie beantragte eine einstweilige Verfügung gegen DocMorris vor dem Landgericht Stuttgart – und bekam sie nach einer mündlichen Verhandlung. Der Tenor: DocMorris ist nun untersagt, mit einem Flyer und Freiumschlag zu werben, ohne zugleich dem Verbraucher mitzuteilen, dass für Einlösung der Verschreibung die Telefonnummer anzugeben ist. Die Richterin fand sehr wohl, dass sich der EU-Versender hier an die Apothekenbetriebsordnung halten muss. Sie hatte keinen Zweifel, dass DocMorris der fraglichen Vorgabe des § 17 Abs. 2a Nr. 7 ApBetrO zuwidergehandelt hat. Die Regelung sei sachgerecht, um eine gute Erreichbarkeit des Patienten zu gewährleisten. Anders als DocMorris meine, werde die Beratung nicht durch die eingerichtete kosten­lose Telefon-Hotline sichergestellt – denn hier müsse die Initiative vom Verbraucher ausgehen. Zwar sei DocMorris zuzugestehen, dass ein von der Apotheke ausgehender Beratungsbedarf nur selten auftreten mag. „Da es vorliegend jedoch um den Umgang mit gefährlichen Substanzen, nämlich Medikamenten, geht, erscheint es sachgerecht, dass der Gesetzgeber auch diese wenigen Fälle zu erfassen gedenkt, in denen im Interesse der Gesundheit des Patienten von Seiten der Apotheke eine Kontaktaufnahme geboten erscheint.“

Die Richterin hält die Vorschrift der Apothekenbetriebsordnung auch auf die in den Niederlanden ansässige Versandapotheke anwendbar. Es gebe zunächst keine Ungleichbehandlung – die Vorgabe gelte für deutsche wie niederländische Apotheken gleichermaßen. Im Übrigen sei die Vorschrift, die die Art und Weise der Berufsausübung regelt, in jedem Fall gerecht­fertigt. Denn sie bezwecke den Schutz der Gesundheit.

EuGH-Urteil zur Preisbindung nicht einschlägig

Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu den einheitlichen Abgabepreisen ist aus Sicht der Richterin in diesem Fall nicht einschlägig. Denn die Abfrage einer Telefonnummer vor der Versendung verschreibungspflichtiger Arzneimittel könne das Ziel des Gesundheitsschutzes ohne Weiteres erreichen. Auch handele es sich um einen weniger starken Eingriff als bei einer Festlegung von Preisen, bei der in das Marktgeschehen selbst eingegriffen werde.

Nicht zuletzt habe der fehlende Hinweis, dass die Telefonnummer anzugeben ist, wettbewerbsrechtliche Relevanz. Denn auch hier geht es darum, dass das Schutzgut der menschlichen Gesundheit gefährdet sein kann, wenn der Kunde telefonisch nicht erreichbar ist.

Es ist absehbar, dass der Streit mit diesem Urteil nicht beendet ist. DocMorris ist schließlich nicht bekannt, Niederlagen vor Gericht kampflos wegzustecken. Das Eilverfahren wird also weitergehen – und auch ein Hauptsacheverfahren, das sich eingehender mit den Rechts­fragen befassen muss, ist sicherlich wahrscheinlich. |

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