Wirtschaft

Apotheker verursachen Lieferengpässe

Hersteller Astellas: Vesicur® wird im großen Stil ins Ausland verkauft

STUTTGART (jb) | Seit der Anpassung des Preises von Vesikur® an den Festbetrag ist der Verkauf des Urospasmolytikums ins Ausland sehr lukrativ geworden. Das nutzen laut Angaben des Herstellers Astellas ­öffentliche Apotheken mit Großhandelserlaubnis und verur­sachen so Lieferengpässe in Deutschland.

Vor Kurzem erreichte ein Schreiben der Firma Astellas die Apotheker. Darin heißt es, dass es aufgrund der gestiegenen Nachfrage seit der letzten Festbetragsanpassung derzeit Engpässe beim Vertrieb des Urospasmolytikums Vesikur® über den Großhandel gebe. Um die Patienten im Notfall zu versorgen, verschicke man aber direkt an Apotheken. Allerdings nur kontingentiert, bestellt werden muss per Fax.

Die Apotheker sind verärgert. Wieder ein Hersteller, der den Großhandel übergeht und direkt vertreibt. Und noch nicht einmal über die zwar ungeliebte, aber mittlerweile zähneknirschend hingenommene Pharmamall, sondern über den eigenen Dienstleister. Mehr Aufwand, höhere Kosten und der Patient erhält sein Arzneimittel nicht innerhalb von zwei Stunden, sondern frühestens am nächsten Tag. Was soll das? Warum kann die Firma an Apotheken liefern, an den Großhandel aber nicht?

Doch nicht nur die Apotheker sind mit der aktuellen Situation unglücklich. Auch Hersteller Astellas ist es. „Alles, was wir wollen, ist, die Patienten in Deutschland mit Vesikur® zu versorgen!“ erklärt ein Sprecher gegenüber DAZ.online. Warum das derzeit nicht klappt? „Die Ware wird im großen Stil ins Ausland verkauft, wo man höhere Preise erzielen kann. Und zwar von Apothekern. Besitzen diese eine Großhandelserlaubnis, ist das völlig legal“, sagt der Unternehmenssprecher.

Absatz hat sich seit der Preissenkung verdoppelt

Astellas bestätigte dementsprechend, dass der Großhandel selbstverständlich beliefert werde und die Direktlieferung nur eine Sicherstellung der Patientenversorgung darstelle. Im April 2016 wurde der Festbetrag erstmals fest­gesetzt und der Verkaufspreis entsprechend angepasst – er hat sich nahezu halbiert. Der Absatz hingegen hat sich seitdem verdoppelt. Wurden vorher 40.000 Packungen im Monat verkauft, stieg der ­Absatz auf 83.000 Packungen. Die Zahl der Verordnungen, die ja über die Herstellerrabatte nachvollziehbar ist, nahm bei Weitem nicht im gleichen Ausmaß zu. Und beim Patienten kam am Ende häufig nichts mehr oder aber zu spät an. Wo die Arzneimittel hingehen? In den Export! „Vermutlich nach Skandinavien oder Großbritannien“, heißt es von Astellas.

Direktvertrieb zur Sicherung der Versorgung im Inland

Im Direktvertrieb mit Kontingentierung sehe man derzeit die einzige Möglichkeit, die Patienten in Deutschland noch sicher zu versorgen, erklärt die Firma. Kaufmännisch lohne sich das nicht. Bestellt ein Apotheker eine einzelne Packung, sei das aufgrund der ­Logistikkosten ein Nullsummenspiel, heißt es. Aber man habe schließlich einen Ruf zu verlieren. Es solle auf keinen Fall der Eindruck entstehen, man sei grundsätzlich gegen Exporte, aber wenn für den deutschen Markt nichts mehr bleibt, werde es schwierig.

Astellas arbeitet nach eigener Aussage an einer Lösung für das Vesi­kur®-Problem – und zwar gemeinsam mit dem pharmazeutischen Großhandel. Auch sei man zu Gesprächen mit den Apothekerverbänden bereit. Denn über diesen Weg – Großhandel und Apotheke – wolle man die Arz­neimittel vertreiben.

Grundsätzlich bedarf es aber einer politischen Lösung, um den Export in den Griff zu bekommen, vielleicht mit einer maximalen Export-Quote, um die nationale Versorgung zu sichern, so der Vorschlag von Astellas. Momentan ist nur die Quote für Parallelimporte durch den Gesetzgeber geregelt.

Empfehlung: Lagerhaltung für sensible Produkte

Es müsse öffentlich ein Bewusstsein für das Problem geschaffen werden, findet die Firma. Bis dahin könne man nur an das Gewissen der etwa 100 Apotheker-Kollegen appellieren, die allen anderen das Leben schwer machen, und darauf hinweisen, dass eine zwischenzeitliche Lagerhaltung für diese sensiblen Produkte durchaus Sinn machen würde.

Der Vorwurf an sich, dass die ­Lieferengpässe auch hausgemacht sind, ist nicht neu. Er wurde bereits aus den eigenen Reihen erhoben: von Fritz Becker, dem Vorsitzenden des LAV Baden-Württemberg und des Deutschen Apothekerverbands. Er räumte bei der LAV-Mitgliederversammlung im vergangenen Jahr in Stuttgart ein, dass dieses Problem unter anderem von Apothekern (und pharmazeutischen Großhändlern) verursacht werde. Und zwar von jenen, die diese Ware ins Ausland verkaufen. Die Hersteller könnten beweisen, dass sie den Markt überversorgen, ­erklärte Becker damals. |

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