Recht

Knöllchen für das Apothekenauto

Bei Verkehrsdelikten richtig reagieren

Abhängig von der Größe, ver­fügen Apotheken über ein oder mehrere Firmenfahrzeuge. Dabei kann ein Fahrzeug ent­weder nur einem Mitarbeiter als Dienstwagen zur Verfügung gestellt oder von mehreren Mitarbeitern genutzt werden. Verkehrsordnungswidrigkeiten sind hierbei nicht ausgeschlossen, z. B. wegen Falschparkens oder Geschwindigkeitsüberschreitung.

Begeht ein Mitarbeiter eine Verkehrsordnungswidrigkeit mit einem Dienstfahrzeug, erhält der Halter einen Fragebogen, soweit die Personalien nicht gleich an Ort und Stelle festgestellt wurden. Das kann ein Zeugenfragebogen oder ein Anhörungsbogen sein. Beide Bögen enthalten alle wichtigen Informationen zum Tatbestand, z. B. Art, Zeit und Ort des Verstoßes, Höhe des Bußgelds, Zeugen und Beweismittel. So hat man Anhaltspunkte, wer intern das Fahrzeug im Besitz hatte. Nutzt das Fahrzeug nur ein Mitarbeiter, steht der Fahrer fest. Bei Firmenfahrzeugen, die verschiedene Personen nutzen, reicht i. d. R. ein Blick in das Fahrtenbuch oder in Unterlagen der Apotheke wie z. B. den Dienstplan, um zu erkennen, wer gefahren ist.

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Sowohl der Anhörungsbogen als auch der Zeugenbefragungsbogen müssen immer an eine natürliche Person gerichtet werden, da eine juristische Person nicht selbst „aussagen“ kann. Anderenfalls liegt ein Formfehler vor und das Unternehmen ist nicht verpflich-tet, Angaben zu machen.

Foto: Lars Kimpel – stock.adobe.com
Erwischt Mag eine Lieferung auch noch so eilig sein – wer sich nicht an die Geschwindigkeitsbegrenzung hält, kriegt einen Bußgeldbescheid. Was tun, wenn es den Firmenwagen trifft?

Anhörungsbogen

Ein Anhörungsbogen wird verschickt, wenn die Behörde meint, sie hätte den Fahrer gefunden. Die Behörde versendet den Anhörungsbogen innerhalb von drei Monaten nach der Tat. Sonst verjährt der Vorgang.

Beispiel: Apothekenbote F hat am 15. September 2017 eine Verkehrsordnungswidrigkeit begangen. Diese verjährt, wenn der Anhörungsbogen nicht bis zum 14. Dezember 2017 eingeht.

Der Vorwurf im Anhörungsbogen richtet sich gegen den Halter (Inhaber der Apotheke). Dieser erhält damit die Gelegenheit, sich innerhalb einer bestimmten Frist zu dem Tatvorwurf schriftlich zu äußern. Wird der Name des Mit­arbeiters genannt, der sich aus den internen Unterlagen ergibt, ist der Vorgang für den Halter abgeschlossen. Rechtlich verpflichtet ist der Halter dazu aber nicht (Schweigerecht).

Erfolgt keine Antwort, so muss der Empfänger des Anhörungsbogens damit rechnen, dass ihm der Bußgeldbescheid zugeht.

Aber auch nach Erhalt eines Bußgeldbescheids kann noch dagegen vorgegangen werden. Es ist dann aber ratsam, den Vorgang durch einen auf Verkehrs- und Ordnungswidrigkeitenrecht spezialisierten Rechtsanwalt prüfen zu lassen. Dieser kann Akteneinsicht bei der Bußgeldbehörde nehmen und eine auf die Ermittlungsakte abgestimmte Verteidigungsstrategie ausarbeiten. Er prüft auch, ob das Bußgeldverfahren an formalen oder technischen Mängeln im Ermittlungsverfahren scheitern kann, z. B. bei einer fehlerhaften Geschwindigkeitsmessung oder einem unzureichend aufgenom­menen Blitzerfoto.

Wenn ein Mitarbeiter gefahren ist, stellt sich die Frage, welche Verhaltensmöglichkeiten für den Arbeitgeber bestehen.

  • Ist der Fahrer bekannt, z. B. aufgrund eines Fahrtenbuchs, so kann dessen Name im Anhörungsbogen eingetragen und dieser an die Behörde zurückgesendet werden. Damit wird dem Mitarbeiter ein Großteil seiner Verteidigungsmöglichkeit ge-nommen.
  • Wird der Wagen von verschiedenen Mitarbeitern genutzt und kommen daher mehrere Fahrer infrage, kann der Kreis von Mitarbeitern benannt werden, ohne den Fahrer zu „outen“. Gelingt der Behörde nicht innerhalb der Frist, den Fahrer zu ermitteln, ist die Tat verjährt – der Fahrer kann nicht mehr belangt werden.
  • Das bloße Weiterreichen des Anhörungsbogens (oder Zeugenfragebogens, s. u.) an den Mitarbeiter kann für den Arbeitgeber ungeschickt sein. Denn es ist nicht sicher, dass der Mitarbeiter den Fragebogen zurückschickt. Im schlimmsten Fall kann dies zu einer Fahrtenbuchauflage für den Halter führen (mehr dazu unten).

Werden mehrere Mitarbeiter als mögliche Fahrer genannt oder kann aus einem anderen Grund kein Verdächtiger ermittelt werden, kommt es möglicherweise zu weiteren Ermittlungen durch die Polizei. Denkbar sind u. a. ein Abgleich des Blitzerfotos mit den Fotos auf der Homepage der Apotheke oder auch kurzfristige Ermittlungsmaßnahmen im direkten Umfeld. Dazu kann die Polizei in den Geschäftsräumen erscheinen und Mitarbeiter befragen oder sogar Nachbarn ansprechen. Zutritt zu den Unternehmensräumlichkeiten muss nicht gewährt werden. Für die Nachforschungen hat die Polizei wieder drei Monate Zeit.

Eine weitere Ermittlungsmethode wäre die Vorladung des Halters oder der genannten Mitarbeiter. Einer polizeilichen Aufforderung muss nicht nachgekommen werden, einer Vorladung durch die Bußgeldstelle als Verfolgungsbehörde (wie auch einer Vorladung durch die Staatsanwaltschaft bei einem Strafverfahren) hingegen schon.

Zeugenfragebogen

Wenn der Fahrer auf dem Blitzerfoto offensichtlich vom abgefragten Fahrzeughalter abweicht (z. B. Mann statt Frau), erhält dieser einen Zeugenfragebogen von der Bußgeldbehörde. Mit dem Zeugenfragebogen versucht die Bußgeldbehörde, den Fahrer festzustellen.

Hat der Halter den Zeugenfragebogen bekommen, kann er die Aussage unter Umständen verweigern. Das Zeugnisverweigerungsrecht steht einem Zeugen nur zu, wenn Familienangehörige das Fahrzeug gefahren haben oder er selbst. Dagegen besteht kein Zeugnisverweigerungsrecht, wenn es „nur“ ein Mitarbeiter war. In gar keinem Fall darf gelogen, also ein möglicher Fahrer genannt werden, von dem der Zeuge weiß, dass er nicht der Fahrer war.

Praxishinweis

Der Grundsatz lautet, dass die Bußgeldbehörde dem Fahrer die Tat nachweisen muss. Durch Schweigen auf den Anhörungsbogen geschieht dieses nicht. Zur Mithilfe ist man nicht verpflichtet.

Auflage zum Führen eines Fahrtenbuchs

Wird kein Fahrer angegeben oder lässt sich keiner ermitteln, droht dem Apothekeninhaber die Auflage eines Fahrtenbuchs.

Dabei kann eine Fahrtenbuchauflage nicht beim kleinsten Vergehen erfolgen. Erforderlich ist eine gewisse Schwere des Verkehrs­delikts: Entweder konnte wiederholt der Fahrer des Apothekenfahrzeugs nicht festgestellt werden oder bei dem Verstoß wäre ein Fahrverbot die Folge gewesen. Dabei muss die Auflage verhältnismäßig, darf also nicht zu lang sein. Im schlimmsten Fall kann diese Maßnahme für alle vorhandenen und auch zukünftige Firmenfahrzeuge auferlegt werden.

Hinweis

Das Fahrtenbuch muss im jeweiligen Fahrzeug mitgeführt und mindestens sechs Monate nach der festgesetzten Zeit aufbewahrt werden.

Wird ohnehin ein Fahrtenbuch aus steuerlichen Gründen geführt, kann es gleichzeitig für die Erfüllung der behördlichen Auflage verwendet werden. Wichtig ist, dass die geforderten Angaben (§ 31a StVZO) enthalten sind, wie z. B. die Anschrift des Fahrzeugführers. Entsprechende Vorlagen, die beide Vorgaben erfüllen, gibt es im Buchhandel zu kaufen. Die Daten müssen dann aber nicht nur durch den Fahrer richtig, vollständig und leserlich eingetragen werden, sondern der Halter muss auch kontrollieren, dass dies erledigt wurde. Die Fahrtenbuchauflage führt somit zu einem zusätzlichen organisatorischen Verwaltungsaufwand.

Hinweis

Es kann zu unangemeldeten Überprüfungen des Fahrtenbuchs vor Ort kommen. Fehler bei der Fahrtenbuchauflage stellen selbst einen Verstoß dar und können mit einer Geldbuße belegt werden.

Entwicklung von Strategien

Werden im Arbeitsleben Dienstfahrzeuge von Mitarbeitern genutzt, können Verkehrsordnungswidrigkeiten nicht ausgeschlossen werden.

Gesetzlich ist es nicht notwendig, dass im Arbeitsvertrag oder bei Fahrzeugüberlassung geregelt wird, wer bei einem Verkehrsdelikt zahlt: Dies betrifft immer den Fahrer (Ausnahme besteht bei Falschparken, hier haftet der Halter). Eine schriftliche Erwähnung bei Fahrzeugüberlassung ist aber angebracht, damit es später nicht zur unnötigen Missstimmung kommt.

Wird der Fahrer im Anhörungs-/Zeugenfragebogen nicht preisgegeben, sollten die Mitarbeiter in der Apotheke auf einen möglichen Polizeibesuch vorbereitet werden. Befragte Mitarbeiter müssen keine Aussage machen. Es reicht, wenn sie sagen: „Ich möchte keine Angaben dazu machen.“ Allerdings hat die Polizei das Recht, die Personalien festzustellen. Wird der Mitarbeiter befragt, der gefahren ist, darf er ebenfalls die Aussage verweigern bzw. die Tat abstreiten. Strafbar wäre, wenn absichtlich eine andere Person als der Fahrer benannt würde, um die Polizei auf eine falsche Spur zu locken.

Rechtsanwaltskosten des Bußgeldverfahrens, die durch Hinzuziehung eines Anwalts entstehen, können durch Abschluss einer Verkehrsrechtsschutzversicherung abgedeckt werden. Es ist erlaubt, dass Arbeitgeber Geldbußen, Ordnungs- und Verwarnungsgelder der Mitarbeiter übernehmen. Allerdings stellen diese keine Betriebsausgaben dar, auch muss der Mitarbeiter die übernommenen Zahlungen versteuern. |

Björn Fleck

Ass. jur. Björn Fleck M.A. arbeitet als Jurist in Hannover und beschäftigt sich seit Jahren mit den rechtlichen Belangen der Werbung und des Vertriebs.

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