Gesundheitspolitik

Zyto-Prozess startet

BERLIN (ks) | Diesen Montag beginnt am Landgericht Essen der Strafprozess gegen den Bottroper Zyto-Apotheker Peter S. Am ersten Tag wird die Anklageschrift ver­lesen werden – und Peter S. erhält Gelegenheit, sich zu äußern. Fast ein Jahr sitzt der Bottroper Zyto-Apotheker bereits in Unter­suchungshaft – zu den Anschuldigungen gegen ihn hat er sich bislang nicht geäußert. Ob er dies am 13. November tun wird, nachdem die Hauptverhandlung in seinem Strafverfahren eröffnet und die umfangreiche Anklageschrift verlesen wurde, bleibt abzuwarten. Bislang hat das Gericht 14 Verhandlungstermine angesetzt.

AMG-Verstöße, versuchte Körperverletzung und Betrug

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Apotheker vor, von Januar 2012 bis November 2016 in einem Reinraum zubereitete Krebsarzneimittel abweichend von den ärzt­lichen Verordnungen dosiert zu haben. Auch soll er gegen Hygiene- und Dokumentationsvorschriften verstoßen haben. Fast 62.000 straf­bare Verstöße gegen das Arzneimittelgesetz zählt die Staatsanwaltschaft. In 27 dieser Fälle wirft sie Peter S. zudem versuchte Körperverletzung vor: Für 27 Patienten wurden vor gut einem Jahr Infusionsbeutel sichergestellt, die der Angeklagte eigenhändig hergestellt haben soll, und die sich als unterdosiert erwiesen haben sollen. Die Staatsanwaltschaft hält dem Apotheker weiterhin vor, die zu gering dosierten und damit wertlosen Arzneimittel mit den gesetzlichen Krankenkassen ab­gerechnet zu haben. Sie klagt ihn deshalb auch des Betrugs in 59 Fällen an. Der Gesamtschaden soll bei etwa 56 Mio. Euro liegen. Neben der Staatsanwaltschaft gehen auch zunehmend Betroffene bzw. deren Angehörige gegen Peter S. vor. Sprach das Gericht zunächst von neun Nebenklägern, so waren es vergangene Woche schon 17.

Allerdings ist weiterhin nicht bekannt, wie viele Patienten tatsächlich betroffen sind. In den Medien kursierten Zahlen von 4000 oder 3700. Eine Sprecherin der zuständigen Staatsanwaltschaft Essen erklärte: „Von uns stammt diese Zahl nicht“. Die Zahl der Betroffenen bezieht sich offenbar auf die Liste der laut Anklage fehlerhaften Rezepturen, wobei viele Patienten mehrfach aufgeführt sind. Doch hat die Staatsanwaltschaft selber nicht gezählt, um wie viele es sich handelt. „Das haben wir nicht getan, weil wir das für die Anklage nicht brauchen“, so die Sprecherin auf Nachfrage.

Wer sind die Betroffenen?

NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) erklärte vergangenen Mittwoch, dass „der Verdacht eines ungeheuerlichen Verbrechens“ im Raum stehe. Diejenigen, die als Patienten womöglich von dem Skandal betroffen sind und das wissen wollen, hätten ein Recht, das zu erfahren, so Laumann. Das Ministerium könne aus Datenschutzgründen nicht informieren. Die behandelnden Ärzte seien hingegen verpflichtet, ihren fragenden Patienten „sämtliche für die Behandlung wesentlichen Umstände zu erläutern“, erklärte der Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, Theodor Windhorst. Dazu gehörten auch nachträgliche Erkenntnisse über eine möglicherweise oder tatsächliche fehlerhafte Zubereitung von Onkologika durch die Apotheke. Die Ärztekammern in NRW hatten eine Untersuchung angestoßen, um herauszufinden, inwiefern dies geschehen ist.

Außerdem entwickelt eine Arbeitsgruppe mögliche Lehren aus dem Skandal. Die Apothekerkammern Nordrhein und Westfalen-Lippe erarbeiten aktuell in enger Kooperation mit der Ärzteschaft zusätzliche Maßnahmen, wie ähnlichen Fällen zukünftig vorgebeugt und das Vertrauen in eine ordnungs­gemäße Arzneimittelversorgung wiederhergestellt werden kann.

Verstärkte Kontrollen

Derweil hat die Stadt Essen die Kontrollen der fünf Zyto-Apotheken in den Städten Mülheim an der Ruhr, Essen und Oberhausen verstärkt. „Es ist sichergestellt, dass die patientenindividuell hergestellten, aber nicht angewendeten Onkologika für einen Probenzug zur Verfügung stehen“, erklärt eine Pressesprecherin. Die vor­gesehenen stichprobenartigen Kontrollen würden im Rahmen der Überwachung gemäß Arzneimittelgesetz vorgenommen. „Für die bei den Überprüfungen entstehenden Kosten geht die Stadt Essen zunächst in Vorleistung und stellt diese dann den einzelnen Apotheken in Rechnung.“ |

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