Gesundheitspolitik

Selbstmedikation – Perspektive 2025

Beratung in der Apotheke ist unverzichtbar

BERLIN (ks) | Selbstmedikation ist eines der großen Themen des Bundesverbands der Arzneimittel-Hersteller (BAH). Sie individuell, gesellschaftlich und politisch weiterzuentwickeln und nachhaltig zu stärken, bringe sowohl dem Einzelnen als auch der Gesellschaft Vorteile. Und so stand die Perspektive „Selbstmedikation 2025“ am 28. September im Mittelpunkt einer Diskussionsrunde beim „BAH im Dialog“. Dabei wurde deutlich, dass die Selbstmedikation aber auch ihre Tücken hat. Besonders gefordert sind die Apotheker.

Stefan Meyer von der Bayer Vital AG und BAH-Vorstandsmitglied verwies zur Einführung auf eine der Empfehlungen, die die G20-Staaten dieses Jahr in Hamburg zum Gesundheitswesen beschlossen haben: Die Staaten sollen ihre Bürger zu „self-care“ und „health literacy“ ermutigen – zu Selbstmedikation und Gesundheitskompetenz. Das ist ganz im Sinne des BAH, wo man überzeugt ist, dass die Selbstmedikation weiter an Bedeutung gewinnen wird. Schon jetzt, so Meyer, führe jeder zweite Kundenkontakt in der Apotheke zur Abgabe eines Arzneimittels für die Selbstmedikation. Und um diese weiterzuentwickeln, bedarf es einer gestärkten Gesundheitskompetenz. Denn klar ist: An Informationen rund um die Gesundheit mangelt es in Zeiten von Dr. Google nicht. Aber: Neben guten und richtigen gibt es auch viele falsche Informationen – und diese zu unterscheiden, ist nicht immer einfach. 2016 publizierte die AOK eine Studie der Universität Bielefeld, der zufolge sich mehr als die Hälfte der Deutschen von der Informationsflut zu Gesundheitsthemen überfordert fühlt. Die Industrie würde daher auch gerne selbst über ihre Arzneimittel informieren. Doch daran hindert sie das Heilmittelwerberecht. Nicht zuletzt deshalb setzen die Unternehmen auf eine gute Zusammenarbeit mit Ärzten und Apothekern. Überdies betonte Meyer die Bedeutung von Arzneimittelmarken, die Patienten Orientierung böten, stünden sie doch für Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit.

Kritische Marken

In der Diskussionsrunde konnte der Bremer Versorgungsforscher Professor Gerd Glaeske die Ideen aus dem BAH nicht sämtlich unterschreiben. Grundsätzlich findet aber auch er die Selbstmedikation – dazu zählt er auch den Waden­wickel – richtig und wichtig. Dabei seien die Apotheker als Ratgeber „unverzichtbar“. Kritisch sieht ­Glaeske jedoch den Wunsch, Arzneimittelmarken zu stärken. Bei Testkäufen habe sich gezeigt, dass ein Patient, der nach einer Marke fragt, schlechter beraten wird, als wenn er ein Krankheitsbild schildert. Die Frage nach der Marke verstehe der Apotheker so, als kenne der Kunde das Produkt und brauche keine Beratung. Auch von mehr Information durch die Hersteller hält Glaeske nichts: Er verwies auf ein neues Buch der Stiftung Warentest zur Selbstmedikation, das im Oktober erscheinen wird. In diesem würden 29% der viel verkauften Selbstmedikations-Arzneimittel abgewertet. Dennoch: Informationen bräuchten die Bürger, um ihre Gesundheitskompetenz zu stärken – da stimmt er dem BAH zu. Aber diese müssten möglichst wissenschaftlicher Art sein.

Der Mediziner Professor Klaus Weckbecker, Direktor des Instituts für Hausarztmedizin an der Universität Bonn, verwies darauf, dass auch rezeptfreie Arzneimittel nicht immer unproblematisch sind. Zudem sei das Problem eher, dass die Menschen, vor allem ältere, zu viele statt zu wenige Arzneimittel einnehmen. Dies könne durch die Selbstmedikation noch verstärkt werden – dabei müsse es eigentlich das Ziel sein, die Zahl der Arzneimittel zu reduzieren. Doch er habe die Erfahrung gemacht, dass Patienten, die mit leichten Erkrankungen in die Apotheke gingen, oft – wenn auch nicht immer – mit mehreren Arzneimitteln herauskommen.

Stefan Fink, Vorsitzender des Thüringer Apothekerverbands, betonte, dass die Apotheker gerade in der Selbstmedikation ihr Bestes geben, gut – und so weit möglich: evidenzbasiert – zu beraten. Sie könnten Hausmittel empfehlen, OTC anbieten oder den Patienten zum Arzt schicken. Hier nähmen die Apotheken eine wichtige Rolle ein. Weckbecker gab allerdings zu bedenken: „Welches Interesse hat denn ein Apotheker in der jetzigen Systematik, ein Arzneimittel nicht zu verkaufen?“

Honorar auch fürs Abraten!

In der Schlussrunde, in der sich die Diskussionsteilnehmer einmal als neuer Gesundheitsminister fühlen sollten, war es denn auch der Arzt Weckbecker, der das Apotheken­honorar als einen der wichtigen Punkte für die neue Legislaturperiode hervorhob. Neben der Etablierung eines Primärarztsystems müsse eine Beratungshonorierung für Apotheker geschaffen werden, sagte er. Glaeske schloss sich dem an. Er hätte zudem gerne eine unabhängige Informations-Plattform für rezeptfreie Arzneimittel. Fink hatte die Honorarfrage hingegen zuvor nicht angesprochen: Er würde als Gesundheitsminister die Digitalisierung und ein E-Patientenfach vorantreiben wollen. Hier müssten alle Rx, OTC und am besten auch Nahrungsergänzungsmittel eines Patienten gespeichert sein – und zwar so, dass der Patient sie nicht löschen kann. „Wir brauchen diese Informationen, sie können helfen Patienten vor Schaden zu bewahren“, sagte Fink. Die Apotheker wollten hier als verantwortungsvolle Heilberufler handeln. |

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