Gesundheitspolitik

DocMorris und die Rezepturen

Mit welchen Begründungen die Versandapotheke die Anfertigung ablehnt

STUTTGART (jb) | Vor-Ort-Apotheken in Deutschland sind aufgrund des Kontrahierungszwanges verpflichtet, auf ärztliche Verschreibung Rezepturen herzustellen – und zwar in angemessener Zeit. Lohnt sich nicht, zu viel Aufwand – diese Argumente spielen keine Rolle. Doch wie sieht es bei DocMorris aus? Noch im Oktober 2016 erklärte die Versandapotheke, dass sie Medikamente, die nach individueller Rezeptur zubereitet werden müssen, weder anfertigen noch versenden könne. Patienten, die ihre Rezeptur-Rezepte in die Niederlande schickten, bekamen dies schriftlich mitgeteilt. Mittlerweile erklärt die Versandapotheke in ihrer aktuellen Broschüre zu den „Mythen und Fakten“ zum Rx-Versandhandel, dass sie Rezepturen anfertige – bis auf „wenige Ausnahmen“.

Weiter heißt es: „DocMorris bietet seinen Kunden an, Details vorab mit dem pharmazeutischen Kundenservice des ­Unternehmens telefonisch zu besprechen.“ Rezepturen sind nun also die Regel bei DocMorris? Patientenbeschwerden und Testkäufe zeigen, dass es nach wie vor abgelehnte Rezepturaufträge gibt. Möglicherweise sind es Ausnahmen –aber mit welcher Begründung? DAZ.online lagen verschiedene Fälle vor, in denen DocMorris Rezepturen ablehnte. Wir haben uns die Begründungen genauer angeschaut.

Beispielsweise wurde eine Ablehnung im Januar 2017 damit erklärt, dass es in diesem speziellen Fall nicht möglich sei, die Patientin so schnell mit ihren Medikamenten zu versorgen, wie es den eigenen Qualitätsstandards entspricht. Die gleiche Erklärung findet sich in einem Schreiben aus dem Mai 2017. Hier ging es um Mometasonfuroat in Basiscreme – eine Standardrezeptur. Die Aussage: DocMorris fertigt grundsätzlich schon Rezepturen, aber in diesem speziellen Fall nicht.

Apothekerin Petra Verhoeven aus Stralsund wollte sich selbst ein Bild machen. Sie ließ sich eine Rezeptur auf Privatrezept verordnen und schickte es an DocMorris. Einige Tage später erhielt sie das Rezept zurück. Dabei ein Schreiben, das ebenfalls die oben genannte Erklärung enthielt. Sie wurde zudem gebeten, bei weiteren Bestellungen neben einer Telefonnummer zur Kontaktaufnahme einen Hinweis beizufügen, bis wann das Arzneimittel benötigt wird. Gesagt, getan. Ein zweites Rezept wurde mit dem Hinweis eingesandt, dass das Arzneimittel erst in drei Wochen benötigt werde. Nach zwei Tagen war das Rezept wieder da – mit dem gleichen Antwortschreiben. Ein dritter Versuch endete mit dem gleichen Ergebnis.

Obsolete Rezeptur?

Auf Nachfrage bekam Verhoeven folgende Antwort: „Wir haben uns den Vorgang angeschaut. Der Grund, warum wir die Rezepturen nicht herstellen konnten, liegt im niederländischen Recht. Gerne würden unsere Experten Ihnen dies am Telefon ausführlich erklären.“ Beim Telefonat hieß es dann, dass die gewünschte Iod-haltige Mundspüllösung und die Zubereitung mit Ammoniumbituminosulfonat nicht hergestellt würden, weil Ammoniumbituminosulfonat und Jod in den Niederlanden für Rezepturen nicht verwendet werden. Sie würden hier als obsolet betrachtet bzw. eine negative Nutzen/Risiko-Relation aufweisen. Dies bestätigte eine DocMorris-Sprecherin auf Nachfrage gegenüber DAZ.online. Warum die Ablehnung erst aus Gründen der Qualitätssicherung erfolgte und die fachliche Erklärung erst auf Nachfrage, dazu gibt es keine konkrete Erklärung.

Verhoeven hat indessen einen weiteren Versuch gestartet und hydrophile Prednisolonacetat-Creme lt. NRF11.35 – definitiv nicht obsolet – bestellt. Auf dem Rezept ist vermerkt, dass die Behandlung am 1. Oktober beginnen soll. Am 16. September lehnte DocMorris die Rezeptur mit der bekannten Begründung zu den Qualitätsstandards ab. Ein Anruf erfolgte nach Aussage der Apothekerin zumindest bis zum 20. September nicht.

Problem Alter: Rezeptur für dreijähriges Kind abgelehnt

Über einen weiteren Fall mit widersprüchlichen Rezeptur-Absagen berichtet die Apothekerkammer in Thüringen. Hier ging es um eine Verordnung über Triamcinolonacetonid und Paraffinum liquidum in Unguentum emulsificans aquosum für ein Kind. Die Bestellung wurde mit der Begründung abgelehnt, dass nur über 18-jährige Personen Arzneimittel bestellen dürfen. Ein volljähriger Besteller sei nicht zu ermitteln gewesen, da von ihm kein Geburtsdatum vorlag. Telefonische Kontaktaufnahme sei nicht möglich gewesen, daher müsse man die Bestellunterlagen zurücksenden. Was auf den ersten Blick im Sinne der Arzneimittelsicherheit als löblich erscheint, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als absurd: Das fragliche Kind ist zum Zeitpunkt der Bestellung drei Jahre alt und die Wahrscheinlichkeit, dass es diese Bestellung selbst aufgegeben hat, deswegen gleich Null. Bei der erneuten Einsendung des Rezepts mit der Erklärung, dass nicht das dreijährige Kind sondern die Mutter die Bestellerin ist, wird die Rezeptur abgelehnt – und zwar mit den bereits bekannten Worten. |

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