Gesundheitspolitik

Auch Versender brauchen Vorrat

Mehrmalige Belieferung am Tag durch Großhandel reicht nicht

BERLIN (ks) | Apotheken müssen laut Apothekenbetriebsordnung mindestens den durchschnitt­lichen Wochenbedarf eines Arzneimittels vorrätig halten. Diese Vorgabe gilt nach einem aktuellen Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück auch für Versandapotheken. (Verwaltungs­gericht Osnabrück, Urteil vom 19. Juli 2017, Az.: 6 A 251/15)

Ein Apotheker aus dem Landkreis Osnabrück, der auch einen Versandhandel mit Arzneimitteln betreibt, erhielt im Herbst 2014 Besuch von Mitarbeitern seiner Aufsicht, der Apothekerkammer Niedersachsen. Sie nahmen die ausgelagerten Betriebsräume in Augenschein, aus denen der Apotheker seinen Arzneimittelversand betrieb. Dabei stellten sie fest, dass zu drei Fertigarzneimitteln – allesamt Insulinanaloga – kein dem Wochen­bedarf entsprechender Vorrat vorhanden war. Die wenigen vorhandenen Packungen waren einem Apothekenmitarbeiter zufolge für vorliegende Rezepte reserviert. Dass es keinen Vorrat für diese Arzneimittel gab, wurde nicht in Abrede gestellt.

Vorratsregelung vs. Zwei-Tages-Regel für Versand

Die Kammer kündigte dem Apotheker daraufhin schriftlich an, sie werde eine Vorratshaltung ­anordnen, wie sie § 15 Abs. 1 Satz 1 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) vorschreibt. Danach hat der Apothekenleiter die Arzneimittel und apothekenpflichtigen Medizinprodukte, die zur ­Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung notwendig sind, in einer Menge vorrätig zu halten, die mindestens dem durchschnittlichen Bedarf für eine Woche entspricht.

Der Apotheker hielt dem entgegen, dass hier die Sonderregelung in § 11a Nr. 3 lit. a des Apotheken­gesetzes (ApoG) zu beachten sei. Dort ist geregelt, dass beim Arzneimittelversandhandel sicherzustellen ist, dass der Versand innerhalb von zwei Arbeitstagen nach Eingang der Bestellung erfolgt. Diese Frist halte er ein, da er zehn bis zwölf Mal täglich durch sechs unterschiedliche Großhändler beliefert werde.

Die Kammer erließ daraufhin den angekündigten Bescheid: Der Apotheker unterliege auch für seinen ausgelagerten Betrieb der Pflicht zur Vorratshaltung. Die Einführung der Versandmög­lichkeit durch den Gesetzgeber im Jahr 2004 rechtfertige keine andere Beurteilung.

Gegen diesen Bescheid erhob der Apotheker Klage vor dem Verwaltungsgericht Osnabrück. Dieses hat die Klage nun jedoch in erster Instanz abgewiesen. Die Richter sehen wie die Kammer einen Verstoß gegen die Regelung zur Vorratshaltung in der Apothekenbetriebsordnung.

Versandapotheke keine eigenständige Apothekenform

Diese Pflicht treffe Inhaber einer Erlaubnis zum Arzneimittelversand ebenso wie einen Apothekenleiter, der nur eine Präsenzapotheke unterhält. Dafür spreche zunächst der Wortlaut des § 15 Abs. 1 Satz 1 ApBetrO, der auf den Apothekenleiter und damit auf seine öffentliche Apotheke Bezug nehme. Die Versandapotheke gebe es nicht als eigenständige Apothekenform. Die Versanderlaubnis knüpfe vielmehr an die Präsenzapotheke an – somit gelte die Regelung auch dann, wenn der Versand an einem ausgelagerten Standort betrieben wird.

Auch die Gesetzessystematik lasse keine andere Auslegung zu: Der genannte § 11a ApoG lege in seiner Nr. 1 nämlich fest, dass die Versandapotheke nach den für die öffentliche Apotheke geltenden Vorgaben zu betreiben ist. Damit sei auch § 15 Abs. 1 Satz 1 ApBetrO einzuhalten. Dass hier eine Sonderregelung bestehe, sei nicht erkennbar. Die Richter verweisen darauf, dass sich in der Apothekenbetriebsordnung durchaus Ausnahmetatbestände für den Versand finden (z. B. § 17 Abs. 2a ApBetrO) – doch mit Blick auf § 15 ApBetrO habe der Verordnungs­geber gerade keine bestimmt.

Auch sei die gesetzliche Zwei-­Tages-Frist für die Versendung keine spezielle Regelung für die Versandapotheke, die die Bestimmung zur Vorratshaltung verdränge. Schon der Wortlaut zeige, dass die Vorschrift im Apothekengesetz den zügigen Versand der Arzneimittel gewährleisten soll. Zu einer etwaigen Vorratshaltung sage die Regelung hingegen nichts.

„Kein Warenlager auf der Straße“

Auch bei einer Auslegung nach Sinn und Zweck kommt das Gericht zum gleichen Ergebnis. § 15 ApBetrO wolle verhindern, dass einzelne Apotheken ihre Vorratshaltung ausschließlich oder überwiegend auf eine täglich oder gar mehrmals täglich erfolgende Belieferung durch den Großhandel abstellen („kein Warenlager auf der Straße“). Eine solche Handhabung wäre nämlich mit dem Erfordernis einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung nicht in Einklang zu bringen.

Somit gebe es keine Veranlassung, § 15 Abs. 1 Satz 1 ApBetrO in Bezug auf die Versandapotheke nicht anzuwenden. Dies würde den klagenden Versandapotheker im Vergleich zu Inhabern, die nur eine Präsenzapotheke betreiben, auch ungerechtfertigt be­vorzugen.

Rechtskräftig ist das Urteil des Verwaltungsgerichts bislang nicht. Die Rechtsmittelfrist läuft noch bis Ende August. |

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