Gesundheitspolitik

Zu wenig Cannabis für Apotheken

Bedarf sprunghaft gestiegen / Fertigarzneimittel als Alternative

REMAGEN (hb) | Seit Inkrafttreten des „Cannabis-Gesetzes“ am 10. März ist der Bedarf an medizinischem Cannabis sprunghaft angestiegen, die wenigen Lieferanten kommen nicht mehr nach. Bundesweit sitzen Apo­theken auf dem Trockenen.

Hat sich die Politik wegen der Umsetzung des vielgelobten „Cannabis-Gesetzes“ zu wenig Gedanken gemacht? Das Gesetz sei ein Schnellschuss gewesen, beklagen Kritiker. Fünf Monate nach Inkrafttreten spitze sich die aktuelle Versorgungslage für viele Schmerzpatienten zu. Infolge der sprunghaft angestiegenen Nachfrage sollen in Apotheken momentan nur Restbestände von medizinischem Cannabis erhältlich sein.

Eigentlich soll die neue Cannabis-Agentur beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sicherstellen, dass Cannabis für die medizinische Verwendung in standardisierter Qualität angebaut wird. Die Agentur soll diesen dann kaufen und an Hersteller und Apotheken ab­geben. So weit ist es aber noch nicht. Vor 2019 oder 2020 werden wohl keine Cannabis-Blüten aus Deutschland auf den Markt kommen. Bis dahin soll auf Importe zurückgegriffen werden.

Apotheken beziehen die Produkte derzeit von zertifizierten Importeuren aus den Niederlanden und Kanada. In Deutschland gibt es vier Importeure, die von der niederländischen Firma Bedrocan beliefert werden: ACA Müller ADAG Pharma in Überlingen, Canna­medical Pharma in Köln, Fagron Deutschland in Barsbüttel und Pedanios in Berlin. Cannabis-Blüten des kanadischen Herstellers Tweed werden von dem Unternehmen MedCann in St. Leon-Rot (bei Heidelberg) importiert und Blüten von Peace Naturals, ebenfalls aus Kanada, von Pedanios.

Die Bezugsquellen sind demnach überschaubar, und so hätte der Engpass vielleicht vorausgesehen werden können. Die Berliner Morgenpost lässt den Geschäftsführer der Pedanios GmbH, Florian Holzapfel, zu Wort kommen: „Wir haben im Mai fünf Mal so viel verkauft wie im Februar.“ Obwohl Pedanios sich auf die höhere Nachfrage vorbereitet habe, komme man derzeit mit der Lieferung nicht hinterher.

Der niederländische Hersteller Bedrocan könne derzeit keine ausreichenden Mengen liefern. Stockungen der Versorgung aus Kanada führt Holzapfel auf die schleppende Bewilligung von Importanträgen durch das BfArM zurück. David Henn, von Cannamedical in Köln, die von Bedrocan bezieht, teilte dem Focus mit: „Ich habe den Hersteller gefragt, wann er unsere Firma wieder beliefern kann. Spätestens Anfang nächster Woche, sagte man mir. Auch un­sere Lager sind leer. Sobald was da ist, wird es uns aus den Händen gerissen.“ Henn fügt an: „Als Grund für die Verzögerung wurde uns die um 300 Prozent gestie­gene Nachfrage genannt.“

ABDA vertröstet auf September

Die ABDA sieht laut Berliner Morgenpost einen bundesweiten Lieferengpass, der bei den meisten Sorten noch bis September anhalten könnte.

DAC/NRF weist aktuell darauf hin, dass der derzeitige Defekt bei Cannabis-Blüten aller Sorten als Ausgangsstoff für Rezepturarzneimittel dennoch nicht automatisch eine medizinische Mangelversorgung der (Schmerz-)Patienten bedeute. Als ohnehin bessere Alternative zu Cannabis-Blüten seien Cannabis- und Cannabinoid-Fertig­arzneimittel sowie Cannabinoid-Rezepturarzneimittel mit Drona­binol und Cannabidiol in guter Qualität und mit sofortiger Verfügbarkeit verordnungsfähig. |

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