Gesundheitspolitik

Mehr Zyto-Kontrolle gefordert

Nach Anklage im Bottroper Zyto-Skandal stellen Kassen und Patienten Forderungen auf

BERLIN (ks) | Der Fall des Bottroper Zyto-Apothekers, der In­fusionen gestreckt und damit Krankenkassen betrogen haben soll, beschäftigt nicht nur die Justiz, sondern auch Patienten und Krankenkassen.

Vergangene Woche gab die Staatsanwaltschaft Essen bekannt, worauf sie ihre am 11. Juli erhobene Anklage stützt. Sie wirft dem Apotheker in erster Linie Verstöße gegen das Arzneimittelgesetz sowie Betrug vor. Tötungsdelikte klagt sie nicht an, lediglich versuchte Körperverletzung. Der Apotheker soll zwischen dem 1. Januar 2012 und seiner Festnahme am 29. November 2016 bei der Herstellung von Zubereitungen für die Chemotherapie von den Herstellungsregeln und ärztlichen Verordnungen abgewichen sein. Von 61.980 Fällen ist in der 820 Seiten umfassenden Anklageschrift die Rede.

Der Apotheker soll seine Beschaffungspraxis systematisch so ausgerichtet haben, dass es von vornherein unmöglich war, die von ihm abgegebenen Zubereitungen mit den verschriebenen Mengen herzustellen. Er soll die Zubereitungen daher mit deutlich weniger Wirkstoff als verordnet in den Verkehr gebracht haben. Zudem wird ihm vorgeworfen, sich nicht an die für ein Reinraumlabor geltenden Hygienevorschriften gehalten und gegen Dokumentationspflichten (z. B. Vier-Augen-Prinzip, Prüf­protokolle) verstoßen zu haben. Wohl aber soll er die Zubereitungen als ordnungsgemäß erbrachte Leistungen abgerechnet haben. Die Staatsanwaltschaft geht derzeit von einem Schaden von etwa 56 Millionen Euro für die Krankenkassen aus.

Mittlerweile hat sich eine der geschädigten Krankenkassen, zu Wort gemeldet. 16 Versicherte der mhplus sollen von dem Bottroper Apotheker Zubereitungen erhalten haben. Offenkundig beschere die Gesetzeslage Apothekern bei der Herstellung und Abgabe von Zytostatika „gefährliche Freiräume“, meint Kassenchef Winfried Baumgärtner. Zukünftig sei mehr Transparenz und Kontrolle nötig.

Das sehen auch diverse Patientenorganisationen so, die sich zu­sammengetan und eine Petition erarbeitet haben, die nun dem Bundestag zugeleitet werden soll. Unter anderem wollen sie unangekündigte Kontrollen der Apotheken zur Regel machen. Dies erhöhe für den Apotheker das Risiko „erwischt zu werden“ und diene zudem dem Whistleblower-Schutz. Damit die Kontrollen zu passenden Zeiten durchgeführt werden können, sollen die Herstellungszeiten bekannt gegeben werden. Es sollen Plausibilitätskontrollen des Warenein- und -ausgangs durch das Finanzamt stattfinden, damit Diskrepanzen frühzeitig auffallen. Nicht verwendete Zubereitungen sollen stichprobenartig untersucht werden, zudem müssten mehr Schwerpunktapotheken zugelassen werden, um Monopole zu vermeiden. Nicht zuletzt fordern die Patientenvertreter „eine Dokumentationspflicht wie beim Betäubungsmittelgesetz“.

Der Präsident des Verbands der Zyto­statika herstellenden Apothekerinnen und Apotheker (VZA), Dr. Klaus Peterseim, erklärte gegenüber der AZ, gegen diese Forderungen sei grundsätzlich nichts einzuwenden. Allerdings würden einige bereits erfüllt. Andere dagegen seien nicht ganz einfach umzusetzen. |

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.