Gesundheitspolitik

„Untaugliche Vorschläge“

Apotheker-Funktionäre kritisieren AOK-Forderungen zum Apothekenmarkt

BERLIN (ks/bro) | Der AOK-Bundesverband hat jüngst seine ­Positionen für die kommende Legislaturperiode vorgestellt und dabei auch die Apotheker ins Visier genommen: So wollen die AOKen – die laut Bundesverband geschlossen hinter dem ­Positionspapier stehen – das Fremd- und Mehrbesitzverbot kippen und den Arzneimittelversandhandel durch Selektivverträge befördern. Für ABDA-Präsident Friedemann Schmidt offenbart dies „ein völliges Unverständnis für die tägliche Arbeit der Apothekerinnen und Apotheker als heil- und freiberufliche Leistungserbringer“.

Schmidt beklagte gegenüber DAZ.online, dass die Kassen einiges ausblendeten: Apotheker setzten Rabattverträge um, leiteten Zuzahlungen weiter und sicherten damit Milliardeneinnahmen für die Krankenkassen. Zudem gab er zu bedenken: „Wer ausländische Versandhändler fördern und das deutsche Fremdbesitzverbot abschaffen will, stellt die flächendeckende Arzneimittelversorgung seiner eigenen Versicherten zur Disposition.“ Schmidt weiter: „Statt immer wieder gleiche, untaugliche Vorschläge zu machen, sollten die Krankenkassen besser auf ihre Versicherten hören, die ihre Apotheke vor Ort schützen und stärken wollen.“

Auch Dr. Hans-Peter Hubmann, Vorsitzender des Bayerischen Apothekerverbandes und Vize-Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbandes, zeigte kein Verständnis für die Forderungen: „Einerseits will der AOK-Bundesverband den Wettbewerb für sich selbst im Kassenlager minimieren. Andererseits fordert er maximalen Wettbewerb in einigen Versorgungsbereichen“. Was die Forderungen nach Apothekenketten betreffe, sei es „schlichtweg eine falsche Annahme, dass der Einfluss des Fremdkapitals keine Auswirkungen auf die Versorgung hat“. Die Kassen würden sich wundern, wie schnell kleine, aber für die Versorgung wichtige Apotheken wegbrechen würden, sagte Hubmann gegenüber DAZ.online.

„Griff in die Mottenkiste“

Peter Froese, Vorsitzender des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein, sprach von einem „Griff in die Mottenkiste“, dem er keine Chancen gibt: „Was soll denn für die Kassen rauskommen wenn es Ketten gibt?“ Die Preisregulierungsmaßnahmen liefen bereits zugunsten der Kassen – man denke an die hochwirksamen Rabattverträge. „Wo sollten sich Kettenkonzerne in einem solchen Markt noch etwas abschneiden?“, fragt Froese. In anderen Ländern mit weniger Sparinstrumenten seien Ketten vielleicht möglich, hierzulande machten sie keinen Sinn. Zudem ist auch Froese überzeugt: „Wenn Direktverträge mit einzelnen Versendern kommen, dann ist die Flächendeckung definitiv tot.“ Und angesichts der bestehenden Mechanismen zur Ausgabenkontrolle seien sie ohnehin „überflüssig“.

Für Lutz Engelen, Präsident der Apothekerkammer Nordrhein, ist das Kassen-Gebaren „auf reine Machtpolitik zurückzuführen“. Es gehe den Kassen darum, die Versorgung für sie besser steuerbar zu machen. „Bei Apothekenketten haben sie einen Ansprechpartner und erhoffen sich da die größere Einflussmöglichkeit was Rabatte und Preise betrifft“, mutmaßt Engelen. Er sieht hinter den Forderungen der Kassen aber auch ein grundsätzlicheres, gesellschaftliches Problem und zwar einen Werteverfall: „Jeder denkt immer mehr an sich, das Prinzip ‚Leben und leben lassen‘ wird immer unwichtiger. Es geht heutzutage immer häufiger nur noch um die Effizienz, die Qualität und die Erhaltung bestehender Werte sind nicht mehr gefragt.“ |

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