Gesundheitspolitik

Streit um Mischpreise geht weiter

OLG Berlin-Brandenburg mahnt Regelung durch Gesetzgeber an

BERLIN (ks) | Ein im Eilverfahren ergangener Beschluss des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg sorgte im März für Unruhe in der Pharmabranche. Der Auslöser: Der GKV-Spitzenverband war juristisch gegen die – aus seiner Sicht zu hohe – Festsetzung eines Erstattungsbetrags für ein neues Arzneimittel durch die Schiedsstelle vorgegangen. Und zwar erfolgreich. Nun stand die Entscheidung in der Hauptsache an, sie fiel ebenfalls zugunsten des GKV-Spitzenverbands aus.

Es ging zum einen um Albiglutid (Eperzan® von GSK), ein GLP-1-Analogon, das hierzulande in der Versorgung kaum Bedeutung hat, zum anderen um das Zytostatikum Idelalisib (Zydelig® von Gilead). Für beide hatte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) verschiedene Patientenpopulationen differenziert, aber keinesfalls in allen einen Zusatznutzen festgestellt. Das Problem war nun, für ein solches Arzneimittel einen einheitlichen Preis zu bilden. Dass ein Wirkstoff nicht allen Patienten gleich viel Zusatznutzen verspricht, ist kein Einzelfall. Die Schiedsstelle suchte die Lösung über den „Mischpreis“. Dieser soll sicherstellen, dass der Arzt diese Arzneimittel im Rahmen seiner Therapiehoheit stets wirtschaftlich verordnen kann. Dieses Konzept missfällt den Kassen seit geraumer Zeit. Und so zog der GKV-­Spitzenverband vor Gericht.

Da Klagen gegen Entscheidungen der Schiedsstelle keine aufschiebende Wirkung haben, wollte der GKV-Spitzenverband diese zunächst in einem Eilverfahren wiederherstellen. Was ihm auch gelang: Im Fall von Eperzan® befand der 9. Senat des LSG im März, die Mischpreisbildung sei rechtswidrig, wenn der G-BA bei einer Patientengruppe einen Zusatznutzen erkannt und zugleich bei einer oder mehreren Gruppen einen solchen verneint hat.

Nun hat der gleiche Senat in den Hauptsacheverfahren zu Eperzan® und Zydelig® entschieden, beide Schiedssprüche aufzuheben. Die schriftlichen Urteilsgründe liegen noch nicht vor, aber laut Gerichts-Pressestelle begründet der Senat die Stattgabe der Klage im Wesentlichen gleich.

Demnach ist der Schiedsspruch rechtswidrig, weil er an einem Begründungsmangel leidet. Grundsätzlich sei von Schiedssprüchen dieser Art zu fordern, dass sie den der Bildung des Erstattungsbetrages zugrunde liegenden Rechenweg mit allen seinen Implikationen nachvollziehbar und transparent aufzeigen. Dem werde der Eperzan®-Schiedsspruch nicht gerecht. Der darin mit 1200 Euro bezifferte Wert des Zusatznutzens sei nicht nachvollziehbar, sondern scheine frei „gegriffen“. Im Fall von Zydelig® hat der Senat den formellen Aspekt der Begründungspflicht noch stärker betont. Hier sei nicht einmal ansatzweise zu erkennen gewesen, wie sich der Rechenweg zum Erstattungsbetrag gestaltet habe, so das Gericht.

Zur Rechtmäßigkeit der Mischpreisbildung hat sich das OLG nur im Rahmen eines die Entscheidung nicht tragenden „obiter dictums“ geäußert. Danach bestünden erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der praktizierten Mischpreisbildung, weil der Mischpreis keine nutzenadäquate Vergütung darstelle und er keine Grundlage im Gesetz finde. Dringend notwendig sei daher eine gesetzliche Regelung, die die Mischpreisbildung in einem Fall wie dem vorliegenden zulasse. Zumindest aber müsse es eine Übereinkunft in der Rahmenvereinbarung zwischen GKV-Spitzenverband und Herstellerverbänden geben.

Die Pharmaverbände sehen nun den Gesetzgeber gefordert. Hoffnung, sich mit dem GKV-Spitzenverband im Rahmenvertrag einigen zu können, besteht offenbar nicht. Ob der Gesetzgeber allerdings tätig wird, bevor ein höchstrichterliches Urteil fällt, ist fraglich. Das LSG hat die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen. |

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