Wirtschaft

„Private“ bringt 123,2 Mio. Euro mehr

Apotheken haben bei Privatversicherten mehr Einnahmen und weniger Aufwand – sagen die Privaten Krankenversicherungen

hb/wes | Für eine Apotheke macht es einen Unterschied, ob sie ein Arzneimittel an einen ­gesetzlich oder an einen Privatversicherten abgibt. Der Kassenabschlag fällt weg, und die an PKV-Versicherte abgegebenen Medikamente sind im Durchschnitt teurer. Hinzu kommt der deutlich geringere bürokratische Aufwand bei der Abgabe und Abrechnung. All dies spült den Apotheken über die PKV-­Patienten pro Jahr 123 Millionen Euro mehr in die Kassen, hat das Wissenschaftliche Institut der PKV ausgerechnet.

Grüne, Linke und SPD, fordern die Bürgerversicherung, die heutige Zweiteilung in gesetzliche und private Krankenversicherung finden sie ungerecht. Der PKV-Verband dagegen kämpft – verständlicherweise – für die Rechtfertigung des PKV-Systems. Eine Studie des Wissenschaftlichen Instituts der Privaten Krankenversicherung (WIP) zeigt nun, wie die Apotheken von der Versorgung der PKV-Versicherten profitieren. Hierzu wurden Arzneimittelabrechnungsdaten der PKV aus dem Jahr 2015 herangezogen.

Der größte Batzen kommt nach den Berechnungen des WIP dadurch zustande, dass die Apotheken der PKV den sogenannten Apothekenabschlag nicht bezahlen müssen. Dieser liegt seit 2015 bei 1,77 Euro je Packung eines verschreibungspflichtigen Medikamentes. Hierdurch habe die GKV ihre Arzneimittelausgaben im Jahr 2015 laut Arzneiverordnungsreport 2016 um insgesamt 1,088 Milliarden Euro senken können. Nach PKV-Rechnungsdaten sind im Jahr 2015 insgesamt 58,9 Millionen Packungen zulasten der PKV an deren Versicherte abge­geben worden. Multipliziert mit dem Apothekenabschlag brachte das für die Apotheken Mehreinnahmen von 104,3 Millionen Euro.

Hinzu kämen Preiseffekte durch unterschiedliche Versorgungsstrukturen, so das WIP. So erhielten Privatversicherte bei patentfreien Wirkstoffen häufiger Originalpräparate und weniger Generika. Zudem sei der Anteil von neuen und in der Regel teureren Präparaten höher. Für den Durchschnittspreis eines verschreibungspflichtigen Medikamentes in der PKV gibt die Kurzanalyse einen Betrag von 68,79 Euro an (nach PKV-Rechnungsdaten aus 2015), gegenüber 53,22 Euro in der GKV (laut Arzneiverordnungs-Report 2016).

Bei einem höheren Durchschnittspreis schlägt natürlich auch der prozentuale Apothekenzuschlag von 3 Prozent auf den Apothekeneinkaufspreis stärker zu Buche. Für die Berechnung der hieraus resultierenden Mehreinnahmen wurde auf Basis der Durchschnittspreise entsprechend der Arzneimittelpreisverordnung auf die Herstellerabgabepreise zurückgerechnet und auf diesen Differenzbetrag von PKV und GKV 3 Prozent Apothekenzuschlag angerechnet. Nach Multiplikation mit der Gesamtzahl der im Jahr 2015 an PKV-Versicherte abgegebenen Packungen rezeptpflichtiger Medikamente wurde daraus für die Apotheken insgesamt eine Mehreinnahme von 18,9 Millionen Euro ermittelt. Dem stehen aber – das verschweigt das WIP – auch höhere Beschaffungskosten und ein höheres Lagerrisiko gegenüber.

Weitere finanzielle Wirkungen, deren genaue Beträge sich jedoch mit den vorliegenden Daten nicht kalkulieren ließen, werden nach der Analyse durch die Modalitäten rund um die Abrechnung und Erstattung ausgelöst. Hier fallen bei GKV-Versicherten die Stichworte Retaxrisiko bis hin zur Verweigerung von Zahlungen durch die Krankenkassen mit all dem bürokratischen Aufwand, der damit verbunden ist, um solche unliebsamen Folgen zu verhindern. Durch das Kostenerstattungsprinzip stelle sich eine derartige Problematik bei PKV-Versicherten nicht.

Außerdem müssten die Apotheken im GKV-System Steuerungsinstrumente wie Rabattverträge, die Importarzneimittelquote und die Abgabe von wirtschaftlichen Einzelmengen befolgen. Die Einhaltung dieser Regularien berge nicht nur ein Haftungsrisiko, sondern führe auch zu höheren Kosten, z. B. bei der Lagerhaltung und Logistik. Ganz zu schweigen von dem erhöhten Beratungsbedarf, vor allem, wenn Patienten wegen der Umsetzung der Rabattregelungen auf ein anderes Präparat umgestellt werden müssten. Privatver­sicherte würden deutlich seltener umgestellt. Last but not least müssen die Apotheken bei den GKV-Versicherten auch noch für die Kosten für das Inkasso der Herstellerabschläge aufkommen, die über die Apotheken eingefordert werden. Bei Privatversicherten würden diese von der PKV und der Beihilfe getragen.

Verschwiegen wird in der Kurzstudie allerdings das Inkasso-Risiko bei den Privatpatienten selbst, die eben nicht immer sofort und bar bezahlen. Auch Kreditkarten- und andere Gebühren wurden offenbar nicht berücksichtigt.

Summa summarum ergaben sich nach der WIP-Kurzanalyse für 2015 allein aus dem nicht zu zahlenden Kassenabschlag und dem 3-Prozent-Zuschlag bei Privatversicherten Mehreinnahmen von insgesamt 123,2 Millionen Euro für die Apotheken. Das sind im Durchschnitt mehr als 6000 Euro pro Apotheke. |

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