Gesundheitspolitik

Kommentar: Total hinterher

Dr. Benjamin Wessinger

Der GKV-Spitzenverband hat vor der Bundestagswahl alte Forderungen zum Apothekenmarkt erneuert: Das Fremd- und Mehrbesitzverbot gehöre abgeschafft. Begründung: Das sei „aus Wettbewerbsgründen geboten“. Schon dieser lapidare Satz ist eine Unverschämtheit. Noch dreister ist, dass über allen Forderungen zum Arzneimittelmarkt steht, dieser müsse „zukunftsfähig und patienten­orientiert“ weiterentwickelt werden – als ob die deutsche Apotheke das nicht wäre!

Unverschämt sind die Forderungen auch, weil sich die gesetzlichen Krankenkassen selbst dem Wettbewerb lieber nicht stellen wollen. Den Morbi-RSA etwa, der nach einem komplizierten Verfahren Gelder zwischen den Krankenkassen umverteilt, wollen sie nicht etwa abschaffen, sondern umgestalten. Der Wettbewerb habe auch Grenzen, meint der AOK-Bundesverband dazu. Und hat ja Recht, im Gesundheitswesen ist kein Platz für zügellosen Wettbewerb! Nur gilt das für die Leistungserbringer genauso wie für die Kostenträger.

Daneben zeugen die Forderungen auch von einem mangelnden Blick über den Tellerrand. Andere Länder, deren Apothekensysteme weitgehend dereguliert wurden, sind heute wieder auf dem Weg zurück. Schweden beispielsweise beklagt, dass nach Aufhebung des Staatsmonopols zwar viele neue Apotheken gegündet wurden – nur leider nicht in den schlecht versorgten Gebieten. Ungarn machte ähnliche Erfahrungen und genehmigt seit 2011 keine Apotheken in Fremdbesitz mehr – Polen hat gerade ähnliches beschlossen. Offenbar hinken die Kassen mit ihrer Wettbewerbsfreudigkeit bei den Apotheken mindestens zehn Jahre hinterher.

Dr. Benjamin Wessinger


Lesen Sie hierzu den Artikel "GKV-Spitzenverband schießt gegen Apotheken" in dieser AZ.


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.