Gesundheitspolitik

Denn er wusste nicht, was er tat ...

Freispruch für niederländischen Apotheker: Verschieben von Rezepten zwischen Deutschland und Holland war kein Steuerbetrug

BERLIN (hfd/ks) | Der niederlän­dische Apotheker Eugene E., der auch im Erzgebirge Apotheken betrieb, hatte Einnahmen seiner Versandapotheke postpills.com über mehrere Jahre in den Niederlanden statt in Deutschland versteuert. Im Januar 2011 hatte die Staatsanwaltschaft Anklage wegen unrichtiger oder unvollständiger Angaben – teilweise im großen Ausmaß – erhoben. Anfang März sprach die Große Strafkammer des Landgerichts Chemnitz den Niederländer frei. Warum, zeigen die nun vorliegenden Urteilsgründe. (Urteil des Landgerichts Chemnitz, 4. Große Strafkammer, Az.: 4 KLs 920 Js)

32 Seiten umfasst das Urteil, das Eugene E. freispricht. Demnach unterhielt der Pharmazeut ein Firmengeflecht aus 17 Unternehmen in vier Ländern – Niederlande, Deutschland, Frankreich und Schweiz. Wie es im Urteil heißt, betrieb er „trotz der allgemein ablehnenden Haltung der Apotheker in Deutschland“, teils von Deutschland, teils von den Niederlanden aus auch die Versandapotheke postpills.com. Diese operierte von den Niederlanden aus, um Kunden finanzielle Vorteile anbieten zu können. Zwischen 20 und 50 Millionen Euro soll der Angeklagte mit seinen Unternehmen jährlich umgesetzt haben.

Betriebswirtschaftlich, steuerlich und buchhalterisch war der Pharmazeut jedoch nicht ausgebildet, wie das Gericht zur Kenntnis nahm. In diesen Bereichen ließ er sich von zehn spezialisierten Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsfirmen beraten, darunter vier in Deutschland, etwa die Treuhand Hannover.

Was seine niederländische Versandapotheke betrifft, wollte Eugene E. laut Gericht „anders als der Betreiber der Versandapotheke ‚Doc Morris‘“ nicht mit jeder in Deutschland bestehenden Krankenkasse Vereinbarungen über die Abrechnungsmöglichkeit von rezeptpflichtigen Arzneimitteln schließen. Er wollte vielmehr die VSA „als Abrechnungsstelle der deutschen Apotheken“ nutzen. Aus diesem Grund beantragte er in Deutschland ein Institutionskennzeichen. Dafür benötigte er einen Sitz der abrechnenden Apotheke. Diesen fand er in Räumlichkeiten über seiner Apotheke in Chemnitz.

Auch verlangte die VSA einen Mindestwarenumsatz im Umfang von etwa einer Million Euro pro Jahr, was Eugene E. „trotz Bewerbung der Versandapotheke mit Flyern“ nicht erzielte. Deshalb griff er zu „Schieberezepten“: ­Insbesondere teure onkologische Arzneimittel, die sonst durch die Chemnitzer Apotheke bearbeitet worden wären, rechnete er der Versandapotheke zu. Hierzu sah sich der Angeklagte laut Urteil ­berechtigt, weil er Alleineigner sämtlicher beteiligter Unternehmen war, und dachte, dass ein wirtschaftlicher Ausgleich durch entsprechende Buchführung erfolgen werde. „Die spezifischen steuerrechtlichen Fragen der damit einhergehenden Auslandberührung stellten sich dem fachkundig beratenen Angeklagten überhaupt nicht“, stellen die Richter fest.

Nachdem das Regierungspräsidium nach einer Inspektion im Jahr 2007 die Versandapotheke aus den Räumlichkeiten in Chemnitz verbannte, ließ Eugene E. die Arzneimittel aus den Niederlanden verschicken – und auch die Buchhaltung von dort aus erledigen. Um die Besteuerung der Umsätze aus der Versandapotheke wollte sich die Treuhand kümmern, doch Eugene E. überließ diese Aufgabe einem Steuerberater aus den Niederlanden. Hierdurch wollte er jedoch keine Steuer hinterziehen, sondern verhindern, „dass die einzelnen Beratungsgesellschaften einander die Verantwortlichkeiten und etwaige Fehler zuschieben konnten“, wie die Richter urteilten. Erst im Herbst 2007 sei erkannt worden, dass die Umsätze nicht in den Niederlanden, sondern in Deutschland zu versteuern wären.

„Der Angeklagte hat Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag, Gewerbe- und Umsatzsteuer in den Veranlagungszeiträumen 2005 bis 2007 durch unvollständige oder nicht rechtzeitige Erklärungen objektiv verkürzt“, stellt das Gericht fest – es geht um insgesamt knapp 2 Millionen Euro. Aber: Es fehlte Eugene E. das Bewusstsein, Unrecht zu tun, er ging davon aus, sich rechtskonform zu verhalten. Seine Steuerberater, die umfassend über seine Geschäftstätigkeit informiert waren, hätten ihn nicht darauf hingewiesen, dass Teile seines Umsatzes in Deutschland statt in den Niederlanden zu versteuern gewesen wären. Die Richter kommen zu dem Schluss: Dem Angeklagten sei es nie darum gegangen, den deutschen Fiskus zu betrügen. Vielmehr habe er einen Wettbewerbsvorteil auf dem deutschen Markt durch Nutzung der Rabattmöglichkeit auf Medikamente in den Niederlanden angestrebt. Die steuerlichen Konsequenzen habe er nicht gesehen bzw. seinen Beratern überlassen.

Das Gericht berücksichtigte bei seinem Urteil, dass Eugene E. viel zur Aufklärung des Sachverhaltes beigetragen und die Steuern inzwischen nachgezahlt hat. Ausgestanden ist der Rechtsstreit allerdings noch nicht. Die Staatsanwaltschaft hat Revision eingelegt. |

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