Gesundheitspolitik

DocMorris verkauft wieder OTC in Hüffenhardt

Niederländer wehren sich gegen Schließungsverfügung

BERLIN (ks) | Im baden-württembergischen Hüffenhardt haben sich die Ereignisse in den vergangenen zwei Wochen überschlagen: Am 19. April eröffnete die niederländische Versandapotheke DocMorris dort ihre lange angekündigte Videoberatung mit Arzneimittel-Abgabeterminal. Am 21. April musste sie nach einer Ordnungsverfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe wieder schließen.

Gegen diese Verfügung zog DocMorris vor das Verwaltungsgericht und startete am 26. April wieder den Betrieb seiner Videoberatung – allerdings reduziert auf die Abgabe von OTC. Nun muss das Gericht entscheiden: Zum einen über DocMorris’ Klage gegen die Ordnungsverfügung insgesamt, zum anderen über einen Eilantrag, der sich auf das für sofort vollziehbar angeordnete Verbot der Abgabe von rezeptpflichtigen Arzneimitteln bezieht. Mit Letzterem will DocMorris erreichen, dass ihr auch die Rx-Abgabe wieder zugestanden wird, bis eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung vorliegt.

Nun hat DocMorris in Hüffenhardt keine Woche nach der Schließungsverfügung doch wieder geöffnet. Zwei Tage nach der Erst-Eröffnung hatte das Regierungspräsidium zwar interveniert und die Arzneimittel-Abgabestelle geschlossen. Am 26. April teilte DocMorris jedoch mit, die Videoberatung „im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten wieder in Betrieb genommen“ zu haben. Was steckt dahinter? Wie zu erwarten war, hat DocMorris gegen die Verfügung Klage eingelegt mit der Konsequenz, dass die Abgabe von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln bis zu einer gerichtlichen Entscheidung gestattet ist. Denn die Klage hat aufschiebende Wirkung in diesem Punkt der Verfügung. Anders sieht es aus, soweit verschreibungspflichtige Arzneimittel betroffen sind. Hier hatte die Behörde ihre Verfügung unter Sofortvollzug gestellt – das bedeutet, dass ein Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hat, die Verfügung also trotz Klage bestehen bleibt. Hiergegen geht DocMorris nun gesondert vor. Die Niederländer beantragten, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage wiederherzustellen. Diese Entscheidung ergeht im Eilverfahren – bis letzten Freitag war sie aber noch nicht gefallen. DocMorris stellt sich offenbar im Wesentlichen auf den Standpunkt, dass das Hüffenhardter Modell eine zuläs­sige Form des Versandhandels ist. Eine Apotheke will und kann die Kapitalgesellschaft nicht sein.

© Kai Felmy

DocMorris: „Innovation zum Wohle der Menschen“

DocMorris hat für das behördliche Vorgehen kein Verständnis: „Wir sehen unser Angebot nach wie vor als sinnvollen und gewünschten Beitrag zur Sicherung der Daseinsvorsorge in Hüffenhardt. Wir werden daher in Abstimmung mit der Gemeinde und dem Bürgermeister alle Schritte unternehmen, die für die vollständige Umsetzung unseres alternativen und digitalen Versorgungskonzeptes für die Hüffenhardter notwendig sind“, erklärte der DocMorris-Vorstandsvorsitzende Olaf Heinrich.

Es sei „vollkommen unverständlich, dass Gerichte über Innovationen entscheiden müssen, die zum Wohle der Menschen sind“.

Der Bürgermeister von Hüffenhardt, Walter Neff, bleibt zuversichtlich: „Alles, was neu ist, braucht etwas Zeit. Über kurz oder lang wird sich das meiner Meinung nach durchsetzen“, sagte er im Interview mit DAZ.online. Er würde sich jedenfalls freuen, wenn das Konzept insgesamt funktionieren würde. Dies sei auch eine Frage des politischen Willens. „Wenn man Telemedizin propagiert oder ärztliche Sprechstunden per Live-Video durchführt, muss meines Erachtens auch dieses Vorhaben, das DocMorris in Hüffenhardt geplant hat, möglich sein“, sagte Neff.

Das Regierungspräsidium sieht das Vorgehen von DocMorris nüchtern. Zwar sei die Grundaussage der Verfügung ein Abgabeverbot für alle Arzneimittel, erklärte ein Sprecher. Das bedeute: „Wir tolerieren es nicht – wir haben es verboten.“ Dennoch: Bei der Abgabe nicht rezeptpflichtiger Arzneimittel bewege DocMorris sich im Rahmen des Gesetzes. „Die Rechtsmittel schaffen einen ge­wissen rechtlichen Rahmen – den hat DocMorris ausgeschöpft“, erklärte der Sprecher.

Den Geschäftsführer der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg Dr. Karsten Diers ärgert dies: „Auch nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel haben Wirkungen und oft genug auch Nebenwirkungen. Deshalb gibt es strenge Regelungen, in welchem Rahmen Arzneimittel abgegeben werden dürfen“, mahnt er. Alle Apotheker vor Ort hielten sich an die entsprechenden Gesetze, die auch für ausländische Kapital­unternehmen gelten müssten, so Diers. Für ihn ist daher klar, dass der Abgabeautomat auch weiterhin rechtlich nicht zulässig ist. |

Noweda will Klagen unterstützen

Der Video-Abgabeautomat in Hüffenhardt verärgert auch die Apotheker-Genossenschaft Noweda. In einem Schreiben an ihre Mitglieder erklärt sie, die Vorgehensweise von DocMorris sei „absolut inakzeptabel“ und zeige einmal mehr das „zweifelhafte Rechtsverständnis“, mit dem DocMorris seine Interessen durchsetzen wolle. „Fakten schaffen, Grenzen überschreiten, Behörden provozieren: All das gehört zur digitalen Welt, wie DocMorris sie offensichtlich versteht.“ Deswegen will Noweda Apothekern künftig im Ernstfall rechtlich beiseite stehen: „Sollte DocMorris weitere Abgabe-Terminals aufstellen und sollten die zuständigen Behörden im Einzelfall untätig bleiben, wird Noweda jedes Mitglied unterstützen, dessen Apotheke im Umkreis eines Medikamenten-Terminals liegt und gegen dieses rechtlich vorgehen will“, verspricht der Großhändler. Man werde sämtliche Gerichts- und Anwaltskosten über alle Instanzen übernehmen.

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