DAZ aktuell

„Wir müssen das Dispensierrecht der Tierärzte überprüfen“

Niedersächsischer Landwirtschaftsminister will den Antibiotikaverbrauch in der Tierhaltung senken

BERLIN (ks) | Angesichts zunehmender Antibiotikaresistenzen gerät auch die Antibiotikagabe in der Nutztierhaltung immer wieder in die Kritik. Der niedersächsische Landwirtschaftsminister Christian Meyer (Grüne) will den Einsatz eindämmen. Dazu sollten aus seiner Sicht Verordnungsanreize für die Tierärzte wie Mengenrabatte und das Dispensierrecht überprüft werden.

Antibiotikaresistenzen stehen derzeit auf so mancher Agenda. Im Raum stehen stets erschreckende Zahlen, wie viele Menschen an resistenten Keimen sterben – und künftig sterben könnten. Einlenken ist also angesagt – und dabei kann man die Human- und Tiermedizin nicht trennen, sagt Minister Meyer im Interview mit DAZ.online.

Durch die 16. Novelle des Arzneimittelgesetzes, in deren Folge seit 2014 der Antibiotikaeinsatz in der Tiermast systematisch erfasst wird, habe man vor allem bei Mastgeflügel und Schweinen „einen erschreckend hohen Antibiotikaeinsatz festgestellt“, so Meyer. Daher müsse man unbedingt zu einer Reduktion kommen. Erfreulicherweise sei ein Rückgang der Therapiehäufigkeit von 20 bis 30 Prozent bei Puten, Masthühnern und Mastschweinen zu verzeichnen, sagt der Minister des Bundeslandes, in dem ein Drittel der landwirtschaftlichen Nutztiere gehalten werden. Doch Meyer will mehr: Ziel müsse sein, die Haltebedingungen der Tiere zu verbessern. „Antibiotika dürfen nicht dazu dienen, Erkrankungen bei Tieren, die durch Mängel in der Tierhaltung und im Management hervorgerufen werden, zu kaschieren“. Und: „Man muss auch Anreize wie Mengenrabatte oder das Dispensierrecht der Tierärzte überprüfen“. Es könne nicht sein, dass Tierärzte vom Verkauf von Arzneimitteln und nicht von ihrem Know-how abhängig seien. Auch wenn weniger Antibiotika den Umsatz der pharmazeutischen Unternehmen schmälern würde – „der Schutz der menschlichen Gesundheit muss Vorrang haben, auch vor möglichen ökonomischen Interessen“, betont der Minister. Daher sei es nötig, zu einer anderen Vergütung der tierärztlichen Leistung zu kommen. Doch während die Länder sich bei den Mengenrabatten einig seien, traue der Bund sich da nicht ran. Auch beim Dispensierrecht berufe sich der Bund auf ein Gutachten mit Vor- und Nachteilen dieses Rechts. Meyer hingegen verweist auf Dänemark. Hier habe die Abschaffung des Dispensierrechts den Antibiotikaverbrauch innerhalb weniger Jahre deutlich gesenkt. Es zeige sich: Tierärzte könnten auch ohne Dispensierrecht einen guten tierärztlichen Gesundheitszustand erzielen. „Daher habe ich durchaus Sympathien für das dänische Modell, wo der Tierarzt sich die Arzneimittel beim Apotheker abholt“, so der Minister.

Auch wenn der Bund bislang blockiert – Meyer kann sich gut ein Bonus-Malus-System für die tierärztliche Ver­gütung vorstellen. Tierärzte könnten einen Anreiz bekommen, keine oder möglichst wenige Antibiotika zu verwenden – und wer besonders viele Antibiotika vergibt, könnte mit Maßnahmen belegt werden. In Niedersachsen mache man bereits Ähnliches: Bei Landwirten mit überdurchschnittlicher Antibiotika-Menge werde eine gebührenfinanzierte Kontrolle durch Amtstierärzte durchgeführt. |


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