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Laudatio: Professor Joachim Richter wird 90

Es gibt für mich keinen Mann, der so nachhaltig das Arzneimittelwesen der DDR prägte und wissenschaftliches Denken und Handeln in den Apotheken des Landes dank Ideenvielfalt, Kreativität und Klugheit förderte wie der Jubilar. Entscheidend für sein erfolgreiches Wirken erscheinen mir nicht nur die Beharrlichkeit zur Durchsetzung seiner Gedanken und Ziele, sondern ebenso diplomatisches Gespür für das Machbare zum richtigen Zeitpunkt. Darum etwas über die Vita meines jüngeren Kollegen:

Laudatio: Professor Joachim Richter wird 90


Joachim Richter

Foto: privat

Richter wurde am 2. März 1926 in Chemnitz geboren. Nach Schule, Abitur, Flakhelfereinsatz, Arbeitsdienst, Wehrmacht, englischer Gefangenschaft im Mai 1945 wurde er Praktikant in der Markus-Apotheke des Heimatortes. Er erinnert sich gern an die gute Ausbildungszeit zusammen mit dem späteren Lehrstuhlinhaber in Leipzig und Mitglied der Leopoldina Prof. Günther Wagner. Im Verlauf der Studienzeit ab 1947 in Leipzig wurde Prof. Boehm auf den strebsamen Studiosus aufmerksam, zeichnete ihn mit einer Urkunde „für hervorragende Leistungen“ aus, wurde sein Doktor­vater (Photometrie) und motivierte den jungen Mitarbeiter – inzwischen Oberassistent, Lehrbeauftragter (Analytik) und Lebensmittelchemiker –, 1954 die Leitung eines kleinen Arzneimittelinstitutes mit 7 Mitarbeitern in Berlin zu übernehmen; 1990 waren es nahezu 200, die zu seiner Freude fast alle vom BfArM übernommen wurden.

Das Institut erlangte zentrale Bedeutung nicht nur, weil Richter in vielen bedeutenden Gremien als Leiter, Stellvertreter oder Spiritus Rector vertreten war, sondern auch weil er mehrere Sekretariate (u. a. Arzneibuch-Kommission, Compendium Medicamentorum, PhG-DDR, ZGA) in seinem Haus etablierte und Leiter aus seinem Mitarbeiterstab mit verantwortungsvollen Aufgaben betraute (u. a. Kny, Gerecke, Wagler, Göthe, Ennet, Böhm).

Kontakte zu Ärzten ergaben sich im Koordinierungsrat der medizinisch-wissenschaftlichen Gesellschaften, deren letzter Vorsitzender er war, und der Akademie für ärztliche Fortbildung (Professur seit 1975).

Oberster Primat war Arzneimittelsicherheit. Der Information dienten standardisierte Beipackzettel und normiertes Informationsmaterial, ferner Meldesysteme bei Qualitätsmängeln, Verwechslungen und Nebenwirkungen.

Zur Qualitätsgarantie in der Apotheke gehörten erstmals Chargenangaben auf Standgefäßen und eine immer genauere Dokumentation sicherheitsrelevanter Arbeiten. Hier lässt sich schon erkennen, dass manches vom Damals später zum Heute entwickelt wurde (QMS).

Dem Patientenschutz dienten einheit­liche Chargennummern mit Herstel­lungsmonat/-jahr in allen Ländern des RGW. Für Substanzen gab es generelle Haltbarkeitsfristen. In letzter Konsequenz zur Transparenz wurde für Arzneifertigwaren und Rezepturen das „Verwendbar bis...“ obligatorisch.

Die Aufnahme der Labordiagnostik in unser Arzneibuch war eine wichtige Neuerung. Die Herstellung im Apothekenbereich erlangte zunehmend an Bedeutung. Generell hat die planmäßige Einbindung der Apotheken in die Ausarbeitung von Herstellungs- und Prüfvorschriften allen Beteiligten viel Freude bereitet.

Über all dies wird berichtet in „45 Jahre Pharmazie in Deutschland Ost“ speziell in zwei Kapiteln von Richter über die PhG, deren Vize er seit 1965 und Präsident über 8 Jahre war und über sein Institut als Direktor. Locker mit feinsinnigem Humor schildert er auch Politkuriositäten. Bei Staatsbesuchen hieß es „Raus aus den Laboren!“, um am Straßenrand Spalier zu stehen. „Strapazierbare Nerven“ waren erforderlich, um den obligatorischen Betriebskollektiv-Vertrag (1989 mit 25 Seiten + 13 S. Anhänge), die Regeln für den „sozialistischen Wettbewerb“ und weitere Extras politisch korrekt zu verfassen.

Formulierungsgewandt und präzise, wie in seinen fachlichen Schriften, so war Richter in Diskussionen, als Moderator, in Vorträgen. Mir imponierte die Fülle von Informationen, wobei er selbst Statistiken ohne Projektion in sonorem Bariton vermitteln konnte – trotz 30 Jahre Sachsen sine lingua saxonica.

Gern erinnere ich mich des lebhaften Gedankenaustausches. Auf Fragen und Anregungen – oft formlos, handschriftlich, „Erbitte Blitz-Antwort!“ ­gestempelt – reagierten er und seine Experten sofort. Die Kommunikation mit praktischen Apothekern war eine conditio sine qua non bis hin zur Absicherung richtigen Lateins der SR. Die Differenzierung dank der Definitionen „Arzneimittel, Gesundheitspflegemittel, Effekt- und Dekorativ-Kosmetika“ bewirkte Klarheit hinsichtlich Kriterien zu Qualitätssicherung, Überwachung, Vertrieb. Für klinische Prüfungen und im Zulassungsverfahren wurde ein „Pharmazeutisches Gutachten“ obligatorisch, was die Rolle der Pharmazie im Forschungsbereich wesentlich stärkte.

Die Umprofilierung des Fachapothekers für Versorgung in Allgemeinpharmazie mit Schwerpunkt Pharmakologie durch geschickten Schachzug habe ich miterlebt. Aus- und Weiterbildung u. a. im Rahmen der Ärztlichen Akademie für Fortbildung waren ihm Anliegen. Im von ihm als Chefredakteur neu konzipierten Zentralblatt für Pharmazie, Pharmakotherapie und ­Labordiagnostik als Nachfolgeblatt der „Pharmazeutischen Zentralhalle“ ­wurden 250 Zeitschriften aus aller Welt mithilfe vieler Helfer aus allen Bereichen des Gesundheitswesens ausgewertet. Seine Kompetenz wurde geschätzt im Beirat „Die Pharmazie“ und der Industriezeitschrift „medicamentum“. Er war Mitglied des WHO-Expert Advisory Panel on the International Pharmacopoeia and Pharmaceutical Preparations (1975 bis 1998), der Akademie der Wissenschaften der DDR, der Leibniz Sozietät Wissenschaften zu Berlin und Ehrenmitglied der Pharmazeutischen Gesellschaften von Ungarn, CSSR, Polen und Kuba.

Arbeitsam, diszipliniert wie ihr Jochen so auch seine 2006 verstorbene liebenswerte Gattin, kritisch begleitende Kollegin, Mitautorin mehrerer Bücher und Expertin in Literaturrecherchen für das Zentralblatt. Kinder und Enkel wählten vorwiegend Berufe im Gesundheitswesen, natürlich mehrheitlich Pharmazie. Richter verfolgt mit wachem Interesse die heutige Entwicklung unseres schönen Berufes, liest aber genauso gern Bücher zu ­Geschichte und Kunst.

Am Ende der Laudatio für den Wissenschaftler und Manager Hans Joachim Richter, Berlin vom Apotheker der ­Basis im Norden Hans Feldmeier sei als verbindendes Agens „Informare necesse est“ genannt. Möge es bei ­guter ­Gesundheit noch viele Jahre so sein: Die E-Mail-Verknüpfung macht es möglich.

OPhR Dr. Hans Feldmeier

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