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Hintergrund

Gesicherte Packungen

Delegierte Verordnung zu Sicherheitsmerkmalen regelt auch Anforderungen an Apotheken

Die Europäische Kommission hat die delegierte Verordnung zur Festlegung genauer Bestimmungen über die Sicherheitsmerkmale auf der Verpackung von Humanarzneimitteln veröffentlicht und damit auch den zeitlichen Rahmen für die Umsetzung gesteckt. In Deutschland müssen alle Packungen ab 2019 mit diesen Sicherheitsmerkmalen versehen sein. Ihre Überprüfung bei der Abgabe in der Apotheke soll Aufschluss über die Unversehrtheit der Packung und die Echtheit des Präparats geben. | Von Martin Wesch 

Die Europäische Kommission veröffentlichte am 9. Februar 2016 die delegierte Verordnung zur Festlegung genauer Bestimmungen über die Sicherheitsmerkmale auf der Verpackung von Humanarzneimitteln (nachfolgend nur: Verordnung, abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:32016R0161&from=EN). Darin sind die technischen Spezifikationen der Sicherheitsmerkmale enthalten, die auf der Verpackung von Arzneimitteln angebracht werden sollen. Diese sollen das Eindringen gefälschter Arzneimittel in die legale Lieferkette verhindern. Als Sicherheitsmerkmale sind ein individuelles Erkennungsmerkmal und eine Vorrichtung gegen Manipulationen vorgesehen. Diese sollen auf der Verpackung bestimmter Arzneimittel angebracht werden, damit diese besonders in der Apotheke auf ihre Identität und Echtheit überprüft werden können.

Anwendungsbereich

Die Verordnung der EU-Kommission soll für alle verschreibungspflichtigen Arzneimittel gelten, sofern sie nicht in der Liste im Anhang I dieser Verordnung aufgeführt sind (in dieser „White List“ sind u. a. homöopathische Arzneimittel, medizinische Gase und Radionuklidgeneratoren aufgeführt). Sie gilt darüber hinaus für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, die in der Liste im Anhang II der Verordnung aufgeführt sind (in dieser „Black List“ ist bisher lediglich der Wirkstoff Omeprazol enthalten). Außerdem können die Mitgliedstaaten den Anwendungsbereich des individuellen Erkennungsmerkmals oder der Vorrichtung gegen Manipulation auf weitere Arzneimittel ausdehnen. Vermutlich wird also zukünftig ein erheblicher Anteil verschreibungspflichtiger und nur eine sehr geringe Zahl nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel Sicherheitsmerkmale tragen müssen.

Prüfung in der Apotheke

Die Verordnung sieht ein System vor, das die Identifizierung und Feststellung der Echtheit von Arzneimitteln durch eine End-to-end-Überprüfung aller Arzneimittel, die die Sicherheitsmerkmale tragen, gewährleistet. Echtheit und Unversehrtheit der auf der Verpackung eines Arzneimittels angebrachten Sicherheitsmerkmale sollen am Ende der Lieferkette, vor Abgabe an die Öffentlichkeit, d. h. vor allem in Apotheken, systematisch überprüft werden. Bestimmte Arzneimittel, bei denen ein höheres Fälschungsrisiko besteht, sollen zusätzlich auf der Ebene des Großhandels überprüft werden. Hierzu zählen etwa Arzneimittelretouren oder Arzneimittel, die nicht direkt von Herstellern, Inhabern der Genehmigung für das Inverkehrbringen oder in deren Namen handelnde Personen vertrieben werden.

Die Überprüfung beider Sicherheitsmerkmale – individuelles Erkennungsmerkmal und Vorrichtung gegen Manipulation – ist erforderlich, um ihm Rahmen des End-to-end-Überprüfungssystems die Echtheit eines Arzneimittels zu gewährleisten. Die Überprüfung der Unversehrtheit der Vorrichtung gegen Manipulation zeigt, ob die Verpackung, seit sie den Hersteller verlassen hat, geöffnet oder verändert wurde; auf diese Weise wird gewährleistet, dass der Inhalt der Packung echt ist. Die Überprüfung der Echtheit des individuellen Erkennungsmerkmals zielt darauf ab, sicherzustellen, dass das Arzneimittel vom rechtmäßigen Hersteller stammt. Die Überprüfung der Echtheit eines individuellen Erkennungsmerkmals dient auch dazu, dass die Person, die die Überprüfung vornimmt, erkennt, ob das Produkt verfallen ist oder ob es zurückgerufen, vom Markt genommen oder als gestohlen gemeldet wurde.

Hierfür ist das individuelle Erkennungsmerkmal auf der Verpackung mit dem im Datenspeicher- und -abrufsystem gespeicherten individuellen Erkennungsmerkmal abzugleichen. Sind Produktcode und Seriennummer des im Datenspeicher- und -abrufsystem enthaltenen aktiven individuellen Erkennungsmerkmals mit denen des überprüften Arzneimittels identisch, gilt das Arzneimittel als echt. Individuelle Erkennungsmerkmale können deaktiviert werden und dürfen dann nur noch unter bestimmten Bedingungen weiter an die Öffentlichkeit vertrieben oder geliefert werden, wenn z. B. das Arzneimittel zum Zweck der Ausfuhr aus der Union vertrieben oder den nationalen zuständigen Behörden übergeben oder entsorgt werden soll. Auch die Rücksetzung des Status eines deaktivierten individuellen Erkennungsmerkmals darf nur unter bestimmten Umständen durch Hersteller, Großhändler und Apotheker erfolgen. Sie dürfen verkaufte und aus dem System ausgetragene Arzneimittelpackungen innerhalb von zehn Tagen wieder in das System zurückbuchen, wenn diese weiterhin verkehrsfähig sind und noch nicht an die Öffentlichkeit abgegeben wurden.

Apotheker müssen die Sicherheitsmerkmale – und zwar regelmäßig vor Abgabe – überprüfen. Sie deaktivieren das individuelle Erkennungsmerkmal jedes mit den Sicherheitsmerkmalen versehenen Arzneimittels zum Zeitpunkt der Abgabe an die Öffentlichkeit. Die Überprüfung dürfen sie auch durchführen, bevor das Arzneimittel an die Öffentlichkeit abgegeben wird. Hierzu müssen sich die Apotheker über den nationalen oder supranationalen Datenspeicher mit dem genannten Datenspeicher- und -abrufsystem verbinden. Gratismuster müssen die Apotheker nicht überprüfen und deaktivieren; im Falle der Abgabe von Arzneimitteln an die ­Öffentlichkeit durch nicht in einer Gesundheitseinrichtung oder einer Apotheke tätige befugte Personen kann die Pflicht zur Überprüfung und Deaktivierung nach nationalem Recht den Großhändlern auferlegt werden. Wenn Apotheker nur einen Teil einer Arzneimittelpackung abgeben, deren individuelles Erkennungsmerkmal nicht deaktiviert ist, müssen sie die Sicherheitsmerkmale überprüfen und das indivi­duelle Erkennungsmerkmal beim erstmaligen Öffnen der Packung deaktivieren.

Gibt es beim Apotheker technische Probleme und kann er deshalb zum Zeitpunkt der Abgabe des Arzneimittels ein Arzneimittel, das mit einem individuellen Erkennungsmerkmal versehen ist, nicht auf die Echtheit des individuellen Erkennungsmerkmals überprüfen und deaktivieren, muss er sich dasselbe notieren und die Überprüfung der Echtheit und die Deaktivierung des individuellen Merkmals vornehmen, sobald die technischen Probleme behoben sind. Ebenso wie die Hersteller dürfen die Apotheker im Falle einer mutmaßlichen Fälschung das Arzneimittel nicht an die Öffentlichkeit abgeben und müssen die zuständigen Behörden unverzüglich informieren.

Die Umsetzung in Deutschland

wes | In Deutschland übernimmt das SecurPharm-Konsortium die konkrete Umsetzung der Fälschungsschutzrichtlinie bzw. der delegierten Verordnung. Es wird von Pharma-Unternehmen, vertreten durch ihre Verbände Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH), Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) und Verband forschender Pharma-Unternehmen (vfa), dem pharmazeutischen Großhandel mit seinem Verband Phagro sowie den Apotheken, vertreten durch die ABDA, gebildet.

Das SecurPharm-Projekt befindet sich seit 2012 in der Testphase. Laut dem „Statusbericht 2015“ nehmen ak­tuell 25 pharmazeutische Unternehmer (Hersteller und Parallel­importeure), ein bundesweit tätiger pharmazeutischer Großhändler (Phoenix), fünf Anbieter von Apothekensoftware sowie rund 400 öffentliche Apotheken teil.

Im Juni 2015 trugen bereits 16 Millionen Packungen von rund 180 verschiedenen Arzneimitteln ein mit der Fälschungsschutzrichtlinie kompatibles Sicherheitsmerkmal. Wann immer eine solche Packung in einer der teilnehmenden Apotheken abgegeben wird, findet eine Überprüfung der Echtheit im so genannten Apothekensystem von SecurPharm statt. Bis Ende Juni 2015 wurden über 120.000 Packungen in den Pilotapotheken bzw. beim Großhandel verifiziert.

Für weitere Informationen zu SecurPharm siehe „Systematisch gegen Fälschungen“ in DAZ 2015, Nr. 36, S. 20.

Technische Spezifikationen

Das individuelle Erkennungsmerkmal enthält den Produktcode, die nationale Kostenerstattungs- und Identifizierungsnummer, die Chargennummer sowie das Verfalldatum. Auf diese Weise trägt das Erkennungsmerkmal zur Patientensicherheit bei, in dem Rückruf-, Rücknahme- und Rückgabeverfahren sowie die Pharmakovigilanz in diesem Bereich erleichtert werden. Die Seriennummern sollten nach spezifischen Randomisierungsregeln generiert werden, damit die Wahrscheinlichkeit, dass eine Seriennummer von Fälschern abgeleitet werden kann, vernachlässigbar ist. Außerdem sollte das individuelle Erkennungsmerkmal anhand einer standardisierten Datenstruktur und Syntax so kodiert werden, dass es überall in der Union mithilfe weit verbreiteter Lesegeräte korrekt erkannt und dekodiert werden kann. Hier können internationale Standards genutzt werden, wenngleich diese nicht verbindlich vorgeschrieben sind. Individuelle Erkennungsmerkmale sind auf der äußeren Umhüllung anzubringen oder – wenn das Arzneimittel keine äußere Umhüllung hat – auf der Primärverpackung.

Die Daten des individuellen Erkennungsmerkmals sollen in einem zweidimensionalen Barcode erfasst werden. Dieser kann mehr Informationen enthalten als die Datenelemente des individuellen Erkennungsmerkmals. Dessen Struktur und Druckqualität sollten eine schnelle Ablesung und die Minimierung von Ablesefehlern ermöglichen. Außerdem sollten die Datenelemente des individuellen Erkennungsmerkmals auf der Verpackung in einem vom Menschen lesbaren Format aufgedruckt sein, um die Überprüfung der Echtheit des individuellen Erkennungsmerkmals und seine Deaktivierung auch dann zu ermöglichen, wenn der zweidimensionale Barcode nicht lesbar ist. Das Anbringen von Datenelementen in einem vom Menschen lesbaren Format auf der Verpackung ist nicht erforderlich, wenn die Summe der beiden längsten Abmessungen der Verpackung zehn Zentimeter oder weniger beträgt. Mehrere Barcodes sollen indes nicht angebracht werden, um Verwirrung darüber zu vermeiden, welcher Barcode zum Zweck der Überprüfung der Echtheit und der Identifizierung des Arzneimittels abzulesen ist.

Die Identifizierung und Überprüfung der Echtheit jeder Einzelverpackung eines Arzneimittels sollte solange möglich sein, wie sich das Arzneimittel auf dem Markt befindet und darüber hinaus noch solange, bis die Packung nach Ablauf des Verfalldatums zurückgegeben oder entsorgt wurde. Die sich aus der Kombination von Produktcode und Seriennummer ergebende Zeichenfolge muss für jede Arzneimittelpackung während eines Zeitraums von mindestens einem Jahr ab dem Verfalldatum dieser Packung oder mindestens fünf Jahre ab dem Inverkehrbringen – maßgebend ist der jeweils längere Zeitraum – individuell verfügbar sein.

Datenspeicher- und -abrufsystem

Das Datenspeicher- und -abrufsystem besteht aus elektronischen Datenspeichern, und zwar aus einem zentralen Informations- und Datenrouter („Hub“) und Datenspeichern für das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats („nationale Datenspeicher“) oder für das Hoheitsgebiet mehrerer Mitgliedstaaten („supranationale Datenspeicher“). Diese Datenspeicher sind mit dem Hub verbunden. Das Datenspeicher- und -abrufsystem muss geeignet sein, um das Hoheitsgebiet jedes Mitgliedstaates von einem nationalen oder supranationalen Datenspeicher abzudecken bzw. die Identifizierung einer mit den Sicherheitsmerkmalen versehenen Einzelpackung eines Arzneimittels und die Überprüfung der Echtheit des individuellen Erkennungsmerkmals dieser Packung sowie dessen Deaktivierung an jeder Stelle der legalen Lieferkette zu ermöglichen. Die Kosten des Datenspeicher- und -abrufsystems müssen die Hersteller von Arzneimitteln, die die ­Sicherheitsmerkmale tragen, übernehmen.

Die nationalen und internationalen Datenspeicher des Datenspeicher- und -abrufsystems tauschen Daten mit dem Hub aus, und zwar unter Verwendung des Datenformats und entsprechend den Modalitäten für den Datenaustausch, die im Hub definiert sind. Nach Überprüfung der angefragten Daten übermittelt der Hub die Antwort an den Datenspeicher, von dem die Abfrage ausging. Ohne Berücksichtigung der Geschwindigkeit der Internetverbindung muss bei mindestens 95 Prozent der Abfragen die Antwortzeit unter 300 Millisekunden liegen. Jeder Datenspeicher des Datenspeicher- und -abrufsystems muss sich physisch innerhalb der europäischen Union befinden.

Inkrafttreten und Übergangsfristen

Der delegierte Rechtsakt tritt am zwanzigsten Tag nach seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union vom 9. Februar 2016 in Kraft. Die Sicherheitsmerkmale sind nach Ablauf einer dreijährigen Übergangsfrist ab dem Jahr 2019 in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union verbindlich vorgeschrieben. Ausnahmen gibt es lediglich für Mitgliedstaaten, die wie Belgien, Griechenland und Italien bereits über Systeme zur Überprüfung der Echtheit von Arzneimitteln und zur Identifizierung einzelner Packungen verfügten; sie müssen die Vorschriften des delegierten Rechtsakts erst ab dem Jahr 2025 anwenden.

Arzneimittel, die in einem Mitgliedstaat vor dem Geltungsbeginn der Verordnung in diesem Mitgliedstaat ohne die Sicherheitsmerkmale für den Verkauf oder Vertrieb frei­gegeben wurden und danach nicht neu verpackt oder neu etikettiert werden, dürfen in diesem Mitgliedstaat im Übrigen bis zu ihrem Verfalldatum in Verkehr gebracht, vertrieben und an die Öffentlichkeit abgegeben werden. |

Autor

Rechtsanwalt Dr. Martin Wesch ist Fachanwalt für Medizinrecht und Fachanwalt für Arbeitsrecht. Er ist Autor zahlreicher juristischer Artikel, auch in der DAZ.

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