DAZ aktuell

Abmahnfalle fliegt auf

OLG Düsseldorf: VENIApharm-Abmahnungen gegen Apotheker waren rechtsmissbräuchlich

BERLIN (ks) | Wettbewerbsrechtliche Abmahnungen sind ein gängiges Mittel, um unlauter handelnde Mitbewerber in die Schranken zu weisen. Doch manch einer versteht Abmahnungen als Geschäftsmodell und versucht, von zu Unrecht eingeschüchterten Mitbewerbern Abmahnkosten zu kassieren. Mehrere Apotheker, die Ziel eines solchen Angriffs wurden, haben nun vor dem Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf einen Erfolg verbuchen können. (Urteile des OLG Düsseldorf v. 15.12.2015 – I - 20 U 24/15 und v. 26. 01.2016 – I - 20 U 22/15, I - 20 U 25/15)

VENIApharm – ein Online-Anbieter von Nahrungsergänzungsmitteln – hat in den Jahren 2013 und 2014 einer Reihe von Apotheken und Herstellern von Nahrungsergänzungsmitteln Abmahnungen ins Haus geschickt. Die jüngst ergangenen Urteile des OLG Düsseldorf sprechen von „mindestens 160“. In den drei jetzt entschiedenen Fällen ging es um „Migra 3“, ein Produkt, das laut innenliegender Gebrauchsanweisung „zur diätetischen Behandlung der Migräne“ dient. Der VENIApharm-Geschäftsführer hatte es bei Versandapotheken bestellt. Die Apotheken beschafften ihm die gewünschten Packungen beim Großhandel – und bekamen daraufhin Anwaltspost. Ihnen wurde erklärt, sie vertrieben ein Produkt mit einer wissenschaftlich nicht nachgewiesenen Werbebehauptung. Dies sei wettbewerbswidrig. Der Anwalt verlangte im Auftrag von VENIApharm Unterlassung sowie die Erstattung von Abmahnkosten auf Basis eines Gegenstandswerts von 30.000 Euro.

Gegen Apotheker, die nicht zahlten, zog das Unternehmen vor Gericht. In der ersten Instanz wurde den Klagen stattgegeben. Doch nun entschied die Berufungsinstanz anders: Auch wenn dem fraglichen Produkt eine Wirkung beigemessen wurde, die es nicht hat und es daher nicht verkehrsfähig gewesen sein mag, bestand schon kein Unterlassungsanspruch gegen den Apotheker, sondern allenfalls gegen den Hersteller. Zudem sei der Klägerin Rechtsmissbrauch vorzuwerfen.

Apotheker nicht Normadressat

Ein Anspruch bestehe zum einen nicht nach dem Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch (LFBG). Die in § 11 Abs. 1 Nr. 1 LFBG (in der Fassung vom 13. Dezember 2014) normierte Verpflichtung, Lebensmitteln keine Wirkung beizumessen, die sie nicht besitzen, richtet sich nämlich nunmehr allein gegen den ­Lebensmittelunternehmer. Auch wenn die Abmahnung 2013 erfolgte, sei hier die im Zeitpunkt der Entscheidung geltende Rechtslage maßgeblich. Der Apotheker könnte zwar als Teilnehmer haften. Allerdings müsste er hierzu vorsätzlich gehandelt haben, wofür im vorliegenden Fall nichts spreche.

Auch ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch in Verbindung mit den Vorgaben der Diätverordnung liege nicht vor. Diese Verordnung diene der Umsetzung der EU-Richtlinie für diätetische Lebensmittel und sei in ihrem Sinne auszulegen. Auch so kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass nur der Hersteller für die Information verantwortlich ist. Von einem Apotheker könne nicht erwartet werden, dass er von allen erhältlichen diätetischen Lebensmitteln die Wirksamkeit kenne.

Ausführlich legt das Gericht zudem dar, warum der Apotheker VENIApharm den Missbrauchseinwand entgegen halten kann. Grundsätzlich handelt der Abmahnende rechtsmissbräuchlich, wenn er sachfremde, für sich gesehen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele verfolgt, und diese als die eigentliche Triebfeder der Verfahrenseinleitung erscheinen. Für einen Rechtsmissbrauch spricht zudem, wenn die Abmahntätigkeit in keinem vernünftigen Verhältnis zur gewerb­lichen Tätigkeit des Abmahnenden steht. Weiterhin ist es rechtsmissbräuchlich, wenn der Abmahnende auf unlautere Weise einen Wettbewerbsverstoß provoziert – das kann auch ein Testkauf sein, der darauf zielt, einen Mitbewerber „hereinzulegen“. Das Gericht hatte keine Mühe, das Verhalten des VENIApharm-Geschäftsführers unter mehreren Aspekten als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren. Er wusste – anders als die Apotheker –, dass die Werbeaussage wettbewerbswidrig war und beauftragte die Apotheken bewusst mit der Beschaffung des Produktes. Dieses Wissen unterscheide ihn von einem normalen Kunden. Überdies: VENIApharm hatte im Verfahren seine Umsätze ausweisen müssen. Dabei zeigte sich, dass die Rechts- und Gerichtskosten des Unternehmens mehr als die Hälfte des Umsatzes im Geschäftsjahr ausmachten. Dies täte kein anständiger Kaufmann ohne zwingenden Grund, so das Gericht. Er würde sich im Interesse einer Kostenminimierung auf ein Vorgehen gegen den Hersteller beschränken.

Weitere Verfahren anhängig

Die Revision hat das OLG nicht zugelassen. Die relevanten Rechtsfragen seien höchstrichterlich geklärt. Nun stehen in Düsseldorf noch zwei weitere Urteile zum gleichen Sachverhalt aus. Auch in München sind noch ­Verfahren anhängig. Rechtsanwältin Dr. Bettina Elles von der Frankfurter Kanzlei Schadbach, die die Apotheker vertreten hat, ist nun zuversichtlich, dass diese ebenfalls zugunsten ihrer Mandanten entschieden werden. |

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