Wirtschaft

Schon wieder durchwachsen

Die wirtschaftliche Lage der Apotheken 2016

wes | Auch wenn die endgültigen Zahlen für 2016 noch nicht vorliegen, zeichnet sich doch ein durchwachsenes Jahr für die deutschen Apotheken ab. Die eigentlich nicht so schlechten konkreten Zahlen werden immer wieder von aktuellen Ereignissen wie dem EuGH-Urteil überschattet, was sich vor allem auf die Stimmung und die Zukunfts­erwartung auswirkt.

Jeden Monat erhebt das Institut für Handelsforschung die Einschätzung von Apothekenleitern, wie diese ihre aktuelle wirtschaftliche Situation ­beurteilen und welche Entwicklung sie für die nächsten zwölf Monate erwarten. Betrachtet man die bisher vorliegenden Zahlen für 2016 in Abbildung 1 (die Dezember-Zahlen lagen bei Redaktionsschluss noch nicht vor), sieht man, dass die aktuelle Lage durchgehend besser bewertet wird als die Erwartung für die kommenden zwölf Monate. Doch wirklich rosig ist die Stimmung nicht: Der Index-Wert liegt durchgehend unter der 100-Punkte-Schwelle – die auch nur eine ausgeglichene Beurteilung bedeutet. Wenn die Zahl der Apotheken­leiter, die ihre Lage positiv bewertet, gleich groß ist wie die Zahl derer, die sie negativ bewertet, erreicht der APOkix 100 Punkte (u. a. „APOkix: Die Stimmung ist im Keller“, AZ 49, S. 5).

Abb. 1: APOkix Apotheken-Konjunkturindex für 2016 (bis einschließlich November). Der APOkix wird vom IFH unter Apothekenleitern erhoben. Der Deutsche Apotheker Verlag, bei dem die DAZ erscheint, ist Medienpartner des APOkix.

Erwartung stürzt ab

Wirklich bemerkenswert ist der Absturz der „Erwartungskurve“ im Oktober und November, sicherlich eine Folge des EuGH-Urteils. Das zeigt, welche großen Sorgen diese Entscheidung bei den deutschen Apothekern ausgelöst hat. Die Befürchtung, es könne zu einem Preiskampf und damit verbunden zu Ertragseinbußen kommen, überwiegt offenbar sogar, dass etwa zur gleichen Zeit immerhin Honorarerhöhungen in Höhe von ca. 90 Millionen Euro für die Rezepturherstellung und BtM-Dokumentation beschlossen wurden.

Bereit zu investieren

Der von der ABDA anlässlich des Apothekertags 2016 erstmals vorgestellte Apotheken-Klima-Index zeigte eindrücklich, dass die Apothekenleiter oft ihre eigene Situation zwar als gut bezeichnen, die wirtschaftliche Situation der Apotheken insgesamt aber deutlich schlechter bewerten. Dieses Phänomen könnte auch eine Erklärung für das seit Jahren zu beobachtende „Auseinanderfallen“ der Beurteilung der eigenen Situation und der Erwartung im APOkix sein. Laut den ABDA-Zahlen können die deutschen Apotheker für 2016 mit einem durchschnittlichen steuerlichen Betriebsergebnis von 136.000 Euro rechnen. Fast 60 Prozent planen, in den nächsten drei Jahren in die Betriebsausstattung zu investieren, rund die Hälfte möchte gerne weiteres Personal einstellen – 27 Prozent rechnen allerdings damit, dieses nicht zu finden.

Die größten Ärgernisse sind der Umfrage nach übrigens der bürokratische Aufwand (81%), die Retaxationen (72,6%), eine unzureichende Honorierung (71,5%) und der Aufwand bei der Hilfsmittelversorgung (62%) zu den größten Ärgernissen im Berufsalltag. Freude und Motivation schöpfen die Apotheker dagegen vor allem aus der Beratung und dem persönlichen Kontakt zu den Patienten, aus ihrer Freiberuflichkeit, der Zusammenarbeit mit dem Team und dem wirtschaftlichen Erfolg („So geht’s den deutschen Apotheken“, AZ 42, S. 5).

Rohertrag sinkt weiter

Der monatlich in der AZ erscheinende Rohertrags-Monitor ist eine Auswertung der vom Marktforschungsunternehmen Insight Health erhobenen Zahlen zu den in deutschen Apotheken abgegebenen Arzneimitteln. Aus diesen errechnet der Essener Mathematiker Uwe Hüsgen (ehemaliger Geschäftsführer des Apothekerverbands Nordrhein und Autor zahlreicher Fachartikel und -bücher zum Apothekenmarkt) auch die Roherträge und Handelsspannen der durchschnittlichen Apotheke. Diese sinken seit Jahren langsam aber stetig, ein Trend der sich auch 2016 fortgesetzt hat, wie Abbildung 2 zeigt. Grund dafür ist nicht zuletzt die immer weiter steigende Zahl der hochpreisigen Arzneimittel, die durch die Honorarsystematik eine kleinere Marge haben als preiswertere Präparate (u. a. „Rohertrags-Monitor Oktober“, AZ 50, S. 4). Auch der Trend zu größeren Packungen setzte sich 2016 fort. Im Juli berichtete das Marktforschungsunternehmen IMS Health, dass die Zahl der N3-Packungen vom Mai 2015 zum Mai 2016 um sechs Prozent zugelegt hat. N1- und N2-Packungen legten dagegen mit plus zwei bzw. plus ein Prozent deutlich schwächer zu („Mehr große Packungen“, AZ 30, S. 5).

Abb. 2: Rohertrags-Monitor Handelsspanne der Apotheken mit verschreibungspflichtigen Fertigarzneimitteln. Der Rohertrags-Monitor wird monatlich von Uwe Hüsgen mit Zahlen von Insight Health für die AZ erstellt.

Honorar gleich, Apothekenzahl sinkt, der Wert steigt

Bei der Honorarhöhe gab es keine nennenswerten Änderungen, die 2016 wirksam wurden. Die Zahlungen aus dem Nacht- und Notdienstfonds haben sich in einer Höhe von rund 250 bis 260 Euro pro geleistetem vollen Notdienst eingependelt. Damit bleibt die ausbezahlte Gesamtsumme weiterhin hinter den ursprünglich vorgesehenen 120 Millionen Euro pro Jahr zurück. Die Erhöhung der Rezepturvergütung (neben einem angehobenen Arbeitspreis soll zukünftig bei der Abgabe ­eines Rezepturarzneimittels auch die Fixpauschale von 8,35 Euro abzüglich Kassenabschlag berechnet werden dürfen) und der Dokumentationsgebühren ist im Gesetzentwurf zum AMVSG verankert. Das Gesetz wird jedoch erst voraussichtlich im April 2017 in Kraft treten, sodass diese Erhöhung noch keine Auswirkung auf die 2016er-Zahlen entfalten kann.

Weiter zurückgegangen ist auch 2016 die Zahl der Apotheken. Das wirkt sich naturgemäß positiv auf die durchschnittlichen Umsätze der übriggebliebenen Apotheken aus. Auch die Bewertung von Apotheken scheint davon zu profitieren. Zumindest von 2014 auf 2015 (Zahlen für 2016 liegen noch nicht vor) stiegen die Preise bei Apothekenübernahmen weiter an. 403.000 Euro zahlte der Käufer 2015 im Schnitt für eine Apotheke. Filialen sind weniger wert, hier lag der Durchschnitt bei 321.000 Euro.

Versand stagniert

Die Auswirkungen des EuGH-Urteils lassen sich noch nicht absehen. Hier wird viel davon abhängen, ob es Bundesgesundheitsminister Gröhe wirklich gelingt, den Versand verschreibungspflichtiger Arzneimittel zu untersagen. Der Koalitionspartner lehnt dies weiterhin (noch?) ab. Abgesehen davon hat sich der Versandhandel mit Arzneimitteln in Deutschland etabliert. Im Bereich der OTC-Arzneimittel (verschreibungspflichtige Arzneimittel spielen im Versand bisher eine untergeordnete Rolle, wohl vor allem da hier – bisher – kein Preiswettbewerb möglich war) machten die Versand­apotheken 2015 einen Umsatz von 1,04 Milliarden Euro (Quelle: BVDVA). Bei einem Gesamt-OTC-Markt von 8,09 Milliarden Euro ein Marktanteil von rund 13 Prozent. Auch über alle Branchen und Produktgruppen scheint der Online-Handel eine Sättigung zu erreichen. Der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel (bevh) jedenfalls veröffentlichte im November Zahlen, dass der Anteil der Einkäufe im Versandhandel 2015 erstmals gesunken ist – zwar nur um 1,2 Prozentpunkte auf immer noch 40,2 Prozent. Doch das Branchenmagazin t3n fragte besorgt, ob der Online-Handel damit seinen Zenit schon erreicht habe („Versandhandel wächst nicht mehr (so schnell)“, AZ 44, S. 5). |

Die Sache mit dem Versand

Anfang 2016 schien es, als sei in Sachen Arzneimittelversand und Internet-Apotheken nicht mehr mit großen Umwälzungen zu rechnen. Zwar steigen die Marktanteile der Versender bei den nicht-verschreibungspflichtigen Arzneimitteln auch weiterhin (wenn auch nicht mehr so rasant wie früher), doch bei dem für die meisten Apotheken essenziellen Geschäft mit den verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ist der Anteil der Versender marginal. So fragte denn auch ein großer Übersichtsartikel im Februar, ob der Arzneimittelversand „Auf dem Weg zur Normalität“ sei (DAZ 5, S. 20). Achteinhalb Monate später ist von „Normalität“ in dieser Frage keine Rede mehr.

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