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Wirtschaft

Der Prinzipal und sein Agent in der Apotheke

Eine nobelpreiswürdige Theorie für die Arbeitsbeziehung zwischen Apothekeninhaber und Filialleiter

Der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften wurde in der vergangenen Woche an Bengt Holmström und Oliver Hart verliehen. Sie bekamen diese höchste Auszeichnung in der Ökonomie für ihre Arbeiten zur Vertragstheorie. Der Finne Holmström (1979, 1982) entwickelte die Prinzipal-Agent-Theorie mit, die heute in jedem Ökonomie-Lehrbuch enthalten ist [1, 2]. Sie beschreibt, wie Verträge optimal gestaltet werden können, wenn der Prinzipal (beispielsweise ein Firmeninhaber) grundsätzlich nicht so gut informiert ist wie sein angestellter Agent (beispielsweise ein Geschäftsführer oder Filialleiter) und diesen auch nicht ständig überwachen kann. Welche Anreize kann der Prinzipal dem Agenten dann geben, damit dieser dieses Informationsungleichgewicht nicht ausnutzt? Wann sind leistungsabhängige Komponenten sinnvoll und wie sollten sie gestaltet sein? Diese Fragen spielen auch in Apotheken(verbünden) eine Rolle. |  Von Christian Knobloch und Cora Nünning
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Der Nobelpreisträger Bengt Holmström kurz vor der Preisverleihung in Stockholm

Ein typischer Fall, in dem die Prinzipal-Agent-Theorie angewendet werden kann, ist die Vertragsbeziehung zwischen einem Apothekeninhaber und seinem Filialleiter. Seit der Einführung des beschränkten Mehrbesitzes für Apotheken in Deutschland 2004 (ein Apotheker darf seitdem eine Haupt- und maximal drei Filialapotheken betreiben) hat die Zahl der Filialapotheken und damit naturgemäß auch der Filialleiter kontinuierlich zugenommen, auf über 4000 im vergangenen Jahr [3].

Die Führung eines Filialverbundes stellt besondere Anforderungen an den Apothekeninhaber im Hinblick auf die Übertragung von Kompetenzen an seine Mitarbeiter (Delegation) und die Abstimmung der Aktivitäten seiner Mitarbeiter (Koordination). Je größer der Filialverbund ist, umso mehr ist der Apothekeninhaber daher auf Personal angewiesen, das ihn unterstützt bzw. seine Delegations- und Koordina­tionsentscheidungen entsprechend umsetzt. Eine funktionierende Arbeitsbeziehung zwischen Apothekeninhaber und Filialleiter kann entscheidend für den Erfolg des Filialverbundes sein.

Die Prinzipal-Agent-Theorie als Analysemethode für Arbeitsbeziehungen

Im Grundmodell geht die Prinzipal-Agent-Theorie von einem Auftraggeber, dem Prinzipal, und einem Auftragnehmer, dem Agenten, aus. Annahmegemäß empfängt der Agent die Weisungen des Prinzipals und handelt daraufhin selbstständig. Folgende weitere zentrale Annahmen trifft die Prinzipal-Agent-Theorie u. a. hinsichtlich der Beziehung zwischen diesen beiden Akteuren:

  • Es besteht ein Zielkonflikt zwischen Prinzipal und Agent.
  • Der Agent verfügt über einen Informationsvorsprung gegenüber dem Prinzipal (Informationsasymmetrie).

Dass ein Zielkonflikt zwischen Prinzipal und Agent besteht, ist intuitiv verständlich, wenn man davon ausgeht, dass der Agent – in der Sprache der Ökonomen – Arbeitsleid empfindet und seinen Nutzen maximieren möchte: Der Prinzipal ist an einer bestmöglichen Erledigung des Arbeitsauftrags interessiert, der Agent möchte zwar den Auftrag durchführen, aber mit möglichst minimalem Aufwand [4, 5]. Als Folge aus Zielkonflikt und Informationsasymmetrie ergibt sich das „Verhaltensrisiko“, in der Prinzipal-Agent-Theorie „Moral Hazard“ genannt (s. Tab. 1).

Tab. 1: Mögliche Wissensdefizite in Prinzipal-Agent-Beziehungen und ihre Folgen [6, 7, 8]
Wissensdefizit des Prinzipals bzgl. der/des …
Theoriebegriff für das ­Wissensdefizit
Resultierendes Prinzipal-Agent-Problem
Gegenmaßnahme
… Handlungswissen des Agenten
Hidden Information, Hidden Knowledge
Moral Hazard
Monitoring, bedingter Vertrag
… Handlungen des Agenten
Hidden Action
Moral Hazard
Monitoring, bedingter Vertrag

Wie alle hierarchischen Arbeitsbeziehungen, bei denen der Untergebene nicht unter ständiger Beobachtung seines Vorgesetzten steht, kann die Arbeitsbeziehung zwischen einem Apothekeninhaber und seinem Filialleiter mit der Prinzipal-Agent-Theorie analysiert werden. Mit den Begriffen aus Tabelle 1 lassen sich Situationen in dieser Arbeitsbeziehung folgendermaßen beispielhaft beschreiben: Der Apothekeninhaber ist aufgrund der räumlichen Trennung zwischen der Hauptapotheke und seiner Filialapotheke nicht in der Lage, den Arbeitseinsatz des Filialleiters direkt zu beobachten (Hidden Action). Als Folge könnte der Filialleiter seinen Arbeitseinsatz reduzieren, indem er beispielsweise weniger aktiv in der Kundenbetreuung ist (Moral Hazard). Um das zu vermeiden, kann der Apothekeninhaber durch eine Umfrage unter den Kunden der Filialapotheke in Erfahrung bringen, wie zufrieden sie mit der Beratung sind (Monitoring). Ebenfalls kann der Apothekeninhaber anhand der Betriebswirtschaftlichen Auswertung (BWA) den Erfolg der Filialapotheke und damit das Arbeitsergebnis des Filialleiters kontrollieren. Eine andere Möglichkeit für den Apothekeninhaber, Moral Hazard zu vermeiden, bestünde darin, dem Filialleiter Anreize zu setzen, in seinem Sinne zu handeln (Angleichung der Ziele zwischen Prinzipal und Agent). Dafür würde sich eine Vergütung eignen, die – zumindest teilweise – vom Arbeitsergebnis des Filialleiters abhängt, beispiels­weise vom Rohertrag der Filialapotheke oder auch von der Kundenzufriedenheit (bedingter Vertrag).

Dieses Beispiel macht deutlich, wie die Arbeitsbeziehung zwischen Apothekeninhaber und Filialleiter (zumindest teilweise) „durch die Brille“ der Prinzipal-Agent-Theorie betrachtet werden kann. Anhand eines an der Universität Duisburg-Essen entwickelten Fragebogens lässt sich diese Beziehung näher analysieren (und auch wissenschaftlich auswerten) (s. Kasten „Das Forschungsvorhaben“).

Das Forschungsvorhaben

Die Forschungsstelle für Apothekenwirtschaft am Lehrstuhl für Marketing und Handel der Universität Duisburg-Essen untersucht derzeit die Arbeitsbeziehungen zwischen Apothekeninhaber und Filialleiter vor dem Hintergrund der Prinzipal-Agent-Theorie. Mithilfe eines dort entwickelten Fragebogens können nicht nur wissenschaftliche Erkenntnisse hinsichtlich der Arbeitsbeziehungen zwischen Apothekeninhaber und Filialleiter allgemein gewonnen werden, die Fragen erlauben auch eine Analyse jeder einzelnen, konkreten Arbeitsbeziehung in der Praxis.

Dabei ist der Erkenntnisgewinn für Apothekeninhaber und Filialleiter dann am größten, wenn sie nicht nur ihre eigenen Antworten betrachten, sondern wenn sie auch dem jeweils anderen Einblick in die eigenen Antworten gewähren. Auf diese Weise erlangen Apothekeninhaber und Filialleiter ein tieferes Verständnis ihrer Arbeitsbeziehungen und können diese gegebenenfalls mit geeigneten Maßnahmen verbessern.

Dabei ist zu beachten, dass die von der Prinzipal-Agent-Theorie getroffenen Annahmen sowie die Begriffe der Theorie für die einzelnen Informationsasymmetrien, für die Prinzipal-Agent-Probleme und für die dagegen gerichteten Maßnahmen sogenannte „Konstrukte“ darstellen. Diese Konstrukte werden hier durch einzelne Fragen operationalisiert, d.h. erfassbar und messbar gemacht.

Grundsätzlich richten sich die Fragen sowohl an den Apothekeninhaber als auch an den Filialleiter. Die Fragen sind für beide Akteure spiegelbildlich formuliert, um so die Antworten jeweils eines Prinzipal-Agenten-Paares miteinander vergleichen zu können. Beispielsweise lautet eine Frage an den Apothekeninhaber „Existiert eine Zielvereinbarung zwischen Ihnen und dem Filialleiter?“, während die korrespondierende Frage an den Filialleiter „Existiert eine Zielvereinbarung zwischen dem Apothekeninhaber und Ihnen?“ lautet.

Zielkonflikt und bedingter Vertrag

Die Tabelle 2 zeigt den ersten Teil des Fragebogens, der sich mit den Zielen des Prinzipals (Frage 1) und deren Kommunikation an den Agenten (Frage 2) beschäftigt. Diese Fragen dienen dazu, einen Zielkonflikt zu erkennen. Außerdem wird überprüft, ob der Filialleiter überhaupt wissen konnte, welche Ziele dem Inhaber wichtig sind, um dann in seinem Interesse handeln zu können.

Tab. 2: Fragen zu den Konstrukten Zielkonflikt und bedingter Vertrag
Nr.
Wortlaut der Frage an Apothekeninhaber
Konstrukt
1
Was sind die drei wichtigsten Ziele der Apotheke?Wie wichtig sind Ihnen diese Ziele?
Zielkonflikt
2
Wie gut haben Sie Ihren Filialleiter über diese Ziele informiert?
3
Existiert eine Zielvereinbarung zwischen Ihnen und dem Filialleiter?
4
Falls eine Zielvereinbarung existiert: Worauf beziehen sich die vereinbarten Ziele?
5
Falls eine Zielvereinbarung existiert: Gibt es Anreize für die Erfüllung der Zielvereinbarung?
bedingter Vertrag
6
Falls eine Zielvereinbarung existiert: Wie gut setzt Ihr Filialleiter diese Vereinbarung um?
Zielkonflikt
7
Was sind die drei wichtigsten internen Faktoren, die den Erfolg der Apotheke positiv beeinflussen?
8
Was sind die drei wichtigsten internen Faktoren, die den Erfolg der Apotheke negativ beeinflussen?
9
Was sind die drei wichtigsten Dinge, die Sie in Bezug auf die Apotheke ­ändern möchten?
Zielkonflikt
10
Erhält Ihr Filialleiter ein Fixgehalt, das über dem tariflich geforderten liegt?
Zielkonflikt
11
Enthält die Entlohnung Ihres Filial­leiters einen variablen Anteil?
bedingter Vertrag

Eine Möglichkeit für den Apothekeninhaber, seine Ziele durchzusetzen, besteht im Abschluss einer Zielvereinbarung [9]. Es ist daher von Interesse, ob der Apothekeninhaber von dieser Möglichkeit Gebrauch macht und ob sich die vereinbarten Ziele auf das Arbeitsverhalten oder den Arbeitserfolg des Filialleiters beziehen (Fragen 3, 4). Eine Zielvereinbarung kann jedoch erst dann zu einer Angleichung der Ziele zwischen Prinzipal und Agent führen, wenn mit der Erfüllung der Zielvereinbarung eine Belohnung für den Filialleiter einhergeht. Ob ein solch bedingter Vertrag existiert und welche Anreize für die Erfüllung der Zielvereinbarung gesetzt werden, wird durch Frage 5 untersucht.

Vor dem Hintergrund, dass der Apothekeninhaber aufgrund von Informationsasymmetrie eventuell nicht in der Lage ist, den Arbeitseinsatz bzw. den Arbeitserfolg des Filialleiters vollständig beobachten bzw. beurteilen zu können, wird bei der Frage nach der Umsetzung der Zielvereinbarung (Frage 6) der Nutzen durch die korrespondierende Fragestellung besonders deutlich: Zum einen kann anhand der Antworten der Akteure abgeschätzt werden, inwieweit der Filialleiter im Sinne des Apothekeninhabers handelt; zum anderen offenbart ein Vergleich der Antworten möglicherweise, dass der Apothekeninhaber das Ausmaß der Umsetzung der Zielvereinbarung optimistischer einschätzt als der Filialleiter. Eine solche Konstellation weist auf das Potenzial hin, die Zielvereinbarung vonseiten des Filialleiters besser umzusetzen. Umgekehrt ist es denkbar, dass der Apothekeninhaber eine geringere Umsetzung der Zielvereinbarung unterstellt, als dies ausgehend von der Antwort des Filialleiters tatsächlich der Fall ist.

Es ist aber auch möglich, dass der Filialleiter – beispiels­weise aufgrund des bedingten Vertrages – ebenso wie der Apothekeninhaber am Erfolg der Apotheke interessiert ist, bei seinem Versuch diesen Erfolg zu fördern aber Mittel einsetzt, die der Apothekeninhaber als ungeeignet ansieht. Deswegen wird nach internen, d. h. vom Apothekenpersonal beeinflussbaren Faktoren gefragt, die den Erfolg der Apotheke beeinflussen (Fragen 7, 8). Der Vergleich der Antworten der beiden Akteure hilft hier abzuschätzen, inwieweit ein Filialleiter, der versucht, den Zielen des Apothekeninhabers entsprechend zu handeln, dennoch gegen dessen Wünsche und Vorstellungen verstößt. Denkbar ist auch der Fall, dass der Filialleiter aufgrund seines Informationsvorsprungs sehr viel besser weiß, welche Faktoren den Erfolg der Filialapotheke beeinflussen und der Apothekeninhaber durch den Vergleich der Antworten von diesem Wissen profitiert.

Foto: The Nobel Foundation
Alfred Nobel, der Stifter der Nobelpreise. Zwar wurde der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften nicht von Nobel selber gestiftet, er wird jedoch zusammen mit den anderen Preisen verliehen.

Die Antworten von Apothekeninhaber und Filialleiter auf die Frage nach den wichtigsten Dingen, die in Bezug auf die Apotheke geändert werden sollten (Frage 9), helfen bei der Abschätzung des Ausmaßes eines möglichen Zielkonflikts und tragen zur Verringerung einer möglichen Informationsasymmetrie bei: Zum einen ist der Fall denkbar, in dem ein „nachlässiger“ Filialleiter keine Notwendigkeit für eine Veränderung sieht, wohingegen ein ertragsorientierter Apothekeninhaber sehr viel Verbesserungspotenzial sieht. Zum anderen könnte ein Filialleiter vor Ort sehr viel besser als der Apothekeninhaber wissen, an welchen Stellen es im Betrieb der Apotheke „knirscht“ und wo demzufolge Verbesserungspotenzial besteht.

Die Fragen, ob ein übertarifliches Gehalt gezahlt wird und ob dieses Gehalt einen variablen Anteil enthält (Fragen 10, 11), sollen ähnlich wie die Fragen nach der Zielvereinbarung und den dazugehörigen Anreizen bei der Abschätzung helfen, inwieweit Maßnahmen zur Angleichung der Ziele von Apothekeninhaber und Filialleiter ergriffen wurden. Ein variables Gehalt bzw. ein Gehalt mit einem variablen Anteil, der sich auf das Arbeitsverhalten oder den Arbeitserfolg beziehen kann, wirkt als bedingter Vertrag und sorgt für eine Angleichung der Ziele.

Alternativ zu einem Vergütungssystem mit variablem Gehalt lassen sich auch über die Höhe eines Festgehalts die Ziele der Akteure angleichen: Je höher die Entlohnung ausfällt, desto schwerer wiegt ein möglicher Verlust des Arbeitsplatzes – vorausgesetzt andere Arbeitgeber vergüten nicht ebenfalls in gleicher Höhe übertariflich [9, 10, 11].

Nachvertragliche Informationsasymmetrie, Moral Hazard und Monitoring

Sind Informationen hinsichtlich des Arbeitseinsatzes oder des Arbeitserfolges des Agenten ungleich verteilt (Informationsasymmetrie), kann es in Verbindung mit einem Zielkonflikt zwischen Prinzipal und Agent zu einem Fehlverhalten des Agenten (Moral Hazard) kommen, das der Prinzipal nicht beobachten bzw. beurteilen kann (Hidden Action bzw. Hidden Information/Hidden Knowledge) [8, 12]. Neben der oben genannten Maßnahme des bedingten Vertrags zur Angleichung der Ziele kann der Prinzipal den Arbeitseinsatz oder den Erfolg der Arbeit des Agenten einer Kontrolle unterziehen (Monitoring), um so das Fehlverhalten des Agenten aufzudecken. Tabelle 3 zeigt die Fragen, die sich mit dem Themenkomplex Informationsasymmetrie, Moral Hazard und Monitoring beschäftigen.

Tab. 3: Fragen zu den Konstrukten Informationsasymmetrie, Moral Hazard und Monitoring
Nr.
Wortlaut der Frage an Apothekeninhaber
Konstrukt
12
In welchen Bereichen der Filialapotheke verfügt Ihr Filialleiter über einen Informationsvorsprung im Vergleich zu Ihnen?
Informations­asymmetrie
13
In welchem Umfang leitet Ihr Filialleiter wichtige Informationen an Sie weiter?
14
Wie häufig …
… trifft Ihr Filialleiter Entscheidungen, die nicht den vereinbarten Zielen der Apotheke entsprechen?
… nutzt Ihr Filialleiter seinen Informationsvorsprung zu seinem Vorteil aus?
Moral Hazard
15
Was sind die drei besten Instrumente für Sie, um die Arbeit Ihres Filialleiters zu kontrollieren? Wie häufig nutzen Sie diese?
Monitoring
16
Wie häufig kommt es vor, dass Sie Ihren Filialleiter in seinem Arbeitsverhalten korrigieren?
17
Unterziehen Sie Ihren Filialleiter einer Evaluation?
18
Wird die Evaluation regelmäßig durchgeführt?
19
Welche Kriterien sind Gegenstand der Evaluation?
20
Sind die Kriterien der Evaluation schriftlich festgehalten?

Wichtig ist das Ausmaß des Informationsvorsprungs des Filialleiters sowie der Umfang, in dem er wichtige Informationen weiterleitet (Fragen 12, 13). Die Gegenüberstellung der Antworten von Apothekeninhaber und Filialleiter offenbart nicht nur das Ausmaß der Informationsasymmetrie zwischen Apothekeninhaber und Filialleiter, sondern auch ob der Apothekeninhaber – plakativ formuliert – weiß, was er nicht weiß. Dieses Wissen ist für den Apothekeninhaber von großer Bedeutung, denn nur wenn er weiß, in welchen Bereichen er einen Informationsnachteil gegenüber seinem Filialleiter hat, kann er bei Bedarf geeignete (Monitoring-)Maßnahmen ergreifen, um ein Fehlverhalten seines Filialleiters aufzudecken bzw. zu verhindern.

Gemäß der Prinzipal-Agent-Theorie ist zu erwarten, dass das Fehlverhalten des Filialleiters dann besonders ausgeprägt ist, wenn sowohl ein starker Zielkonflikt als auch ein hohes Maß an Informationsasymmetrie zwischen ihm und dem Apothekeninhaber existieren (Frage 14). Dem kann der Prinzipal durch Kontrolle (Monitoring) entgegenwirken (Fragen 15 – 20). Auch hier erlaubt der Vergleich der Antworten des Apothekeninhabers und des Filialleiters interessante Erkenntnisse, da zu vermuten ist, dass der Filialleiter besser informiert ist, durch welche Maßnahmen er effektiv kontrolliert werden kann. Umgekehrt ist eventuell der Apothekeninhaber besser darüber informiert, wie häufig er einzelne, für den Filialleiter nicht wahrnehmbare Kontrollmaßnahmen zum Einsatz bringt (Frage 15). Besonders interessant ist natürlich, inwieweit die Monitoring-Maßnahmen zu einer für beide Seiten wahrnehmbaren Korrektur des Arbeitsverhaltens des Filialleiters führen, (Frage 16). Eine weit verbreitete Form der Kontrolle in Arbeitsbeziehungen ist die mehr oder weniger standardisierte Evaluation des Agenten durch den Prinzipal (Fragen 17 – 20).

Zufriedenheit von Inhaber und Filialleiter

Ob der Prinzipal und der Agent mit der Arbeitsbeziehung zufrieden sind, stellt an sich kein Konstrukt der Prinzipal-Agent-Theorie dar, es handelt sich dabei eher um eine Ergebnisvariable, die mit dem Ausmaß des Zielkonflikts, der Informationsasymmetrie oder des Moral Hazard ins Verhältnis gesetzt werden kann (s. Tab. 4, Fragen 21, 22). Doch können die Antworten auf diese Fragen für beide Akteure – wenn sie sich für eine Offenlegung ihrer Antworten entscheiden – sehr hilfreich sein. Vorstellbar ist z. B. der Fall, in dem ein mit dem Arbeitsverhalten und dem Erfolg seines Filialleiters vollkommen zufriedener Apothekeninhaber „die Sache laufen lässt“ und nur selten gegenüber dem Filialleiter in Erscheinung tritt, während der Filialleiter unsicher ist, wie sein Arbeitsverhalten und sein Erfolg überhaupt von seinem Vorgesetzten beurteilt werden. Die Antworten des Apothekeninhabers auf die Fragen 21 und 22 würden in diesem Fall die Funktion eines Lobes übernehmen und dem Filialleiter die Sicherheit geben, dass er den richtigen Weg eingeschlagen hat.

Tab. 4: Doppelt spiegelbildliche Abfrage der Zufriedenheit von Apothekeninhaber und Filialleiter (für ein besseres Verständnis werden die Fragen für beide Akteure gegenübergestellt, da die Fragestellung hier in doppelter Hinsicht spiegelbildlich abläuft: Apothekeninhaber und Filialleiter werden sowohl zum Arbeitseinsatz und Arbeitserfolg des Filialleiters befragt als auch danach, was sie denken, wie der jeweils andere den Arbeitseinsatz und den Arbeitserfolg des Filialleiters beurteilt.)
Nr.
Wortlaut der Frage an Apothekeninhaber
Wortlaut der Frage an Filialleiter
Konstrukt
21
Wie zufrieden sind Sie …
… mit dem Arbeitsverhalten Ihres Filialleiters?
… mit dem Erfolg der Arbeit Ihres Filialleiters?
Wie zufrieden sind Sie …
… mit Ihrem Arbeitsverhalten?
… mit dem Erfolg Ihrer Arbeit?
Ergebnisvariable
22
Was denken Sie, wie zufrieden ist Ihr Filialleiter …
… mit seinem Arbeitsverhalten?
… mit dem Erfolg seiner Arbeit?
Was denken Sie, wie zufrieden ist der Apothekeninhaber …
… mit Ihrem Arbeitsverhalten?
… mit dem Erfolg Ihrer Arbeit?

Fazit

Die vorgestellten Fragen zielen hauptsächlich auf den unterstellten Zielkonflikt bzw. eine mögliche Informationsasymmetrie zwischen den Akteuren und behandeln mit dem bedingten Vertrag und dem Monitoring dagegen gerichtete Maßnahmen. Zwei Dinge sind dazu anzumerken:

Die Vermeidung des Zielkonflikts durch den Einsatz eines bedingten Vertrags kann, im Vergleich zur Verringerung der Informationsasymmetrie durch Monitoring, in der Regel als wirksameres Mittel angesehen werden, einen Filialleiter dazu zu veranlassen, im Interesse des Apothekeninhabers zu handeln. Plakativ formuliert: Wenn ich meine Ziele zu den Zielen eines anderen mache, erreiche ich dadurch mehr, als wenn ich ständig kontrollieren muss, ob entsprechend meinen Zielen gearbeitet wird.

Der bedingte Vertrag und das Monitoring stellen zwei klassische Konditionierungsinstrumente dar. Diesen stehen Maßnahmen gegenüber, die sowohl immaterielle Anreize setzen als auch (eine mögliche) intrinsische Motivation des Mitarbeiters fördern, beispielsweise Lob, Autonomie, Partizipation und Vertrauen. Der Einfluss dieser Maßnahmen auf die Arbeitsbeziehung zwischen Apothekeninhaber und Filialleiter bildet den Gegenstand einer eigenen Untersuchung, die ebenfalls derzeit von der Forschungsstelle für Apothekenwirtschaft durchgeführt wird. |

Literatur

 [1] Holmström, B. (1979): Moral Hazard and Observability. In: The Bell Journal of Economics, 10. Jg., Nr. 1, S. 74 – 91.

 [2] Holmström, B. (1982): Moral Hazard in Teams. In: The Bell Journal of Economics, 13. Jg., Nr. 2, S. 324 – 340.

 [3] ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e.V. (2016): Die Apotheke – Zahlen Daten Fakten 2016, Berlin.

 [4] Alparslan, A. (2006): Strukturalistische Prinzipal-Agent-Theorie – Eine Reformulierung der Hidden-Action-Modelle aus der Perspektive des Strukturalismus, Wiesbaden.

 [5] Jost, P.-J. (2001): Die Prinzipal-Agenten-Theorie im Unternehmens kontext. In: Jost, P.-J. (Hg.): Die Prinzipal-Agenten-Theorie in der Betriebswirtschaftslehre, Stuttgart, S. 11 – 43.

 [6] Bea, F. X.; Göbel, E. (2010): Organisation – Theorie und Gestaltung; mit zahlreichen Übersichten, Stuttgart.

 [7] Breid, V. (1995): Aussagefähigkeit agencytheoretischer Ansätze im Hinblick auf die Verhaltenssteuerung von Entscheidungsträgern. In: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 47. Jg., Nr. 9, S. 821 – 854.

 [8] Ebers, M.; Gotsch, W. (2014): Institutionenökonomische Theorien der Organisation. In: Kieser, A. und Ebers, M. (Hg.): Organisationstheorien, Stuttgart, S. 195 – 255.

 [9] Borrmann, I.; Hoffmann, E. (2014): Filialapothekenleitung – Rechtsfragen, Arbeitsverträge, Praxistipps, Stuttgart.

[10] Laffont, J.-J.; Martimort, D. (2002): The theory of incentives – The Principal-Agent Model, Princeton.

[11] Prendergast, C. (1999): The Provision of Incentives in Firms. In: Journal of Economic Literature, 37. Jg., Nr. 1, S. 7 – 63.

[12] Picot, A. (1991): Ökonomische Theorien der Organisation – ein Überblick über neuere Ansätze und deren betriebswirtschaftliches Anwendungspotenzial. In: Ordelheide, D., Rudolph, B. und Büsselmann, E. (Hg.): Betriebswirtschaftslehre und ökonomische Theorie, Stuttgart, S. 143 – 170.

Autoren

Dipl.-Volksw. Christian Knobloch ist Leiter der Forschungsstelle für Apo­thekenwirtschaft am Lehrstuhl für Marketing und Handel der Universi-tät Duisburg-Essen. Seine Dissertation untersucht die Arbeitsbeziehungen in Apotheken.

Cora Nünning, B.Sc. absolvierte ihr Bachelor-Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität Duisburg-Essen. Ihre Bachelorarbeit untersuchte die Arbeitsbeziehungen zwischen Apothekeninhaber und Filialleiter.

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