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Online wird nicht beraten

Testkauf deckt Beratungsmängel bei Versandapotheken auf

BERLIN (bro/ral) | Wird in Versandapotheken schlechter und weniger beraten als in Vor-Ort-Apotheken? Dem Test eines Berliner Apothekers zufolge, ja. Er bestellte bei verschiedenen Versandapotheken bedenkliche Mengen kritischer OTC-Arzneimittel – und erhielt diese anstandslos, ohne Hinweis auf ein mögliches Risiko und ohne Nachfrage für den Grund der Bestellung.

Der Berliner Pharmazeut führte seine Testbestellungen anlässlich eines Beratungsgesprächs mit einer Kundin durch: Die etwa 40-jährige Frau hatte bei ihm mehrere Packungen Paracetamol und zwei Tuben Elmex Gelee verlangt. Als der Apotheker die Abgabe verweigerte, reagierte sie mit Unverständnis und wies ihn darauf hin, dass sie diese Mengen regelmäßig bei Versandapotheken einkaufe und dabei noch nie auf Hindernisse gestoßen sei.Das wollte der Apotheker genauer wissen und gab bei mehreren Versandapotheken Bestellungen auf, die eigentlich jeden Apotheker hellhörig machen sollten. Bei shop-apotheke.com und bei Sanicare bestellte er jeweils vier 20er-Packungen Paracetamol. Bei Aponeo suchte er sich gezielt vier verschiedene Arzneimittel mit Wirkstoffen aus, die nur bis zu einer bestimmten Menge rezeptfrei sind: Paracetamol, Naratriptan, Aciclovir und Elmex Gelee. Von allen vier Präparaten bestellte er jeweils zwei Packungen. Alle drei Versandapotheken erfüllten die Wünsche ihres Kunden – ohne jeglichen Hinweis auf die bestellten Mengen, ohne jeglichen Telefonanruf und ohne Mengenbeschränkung.

DAZ.online fragte bei den Versendern nach. Von shop-apotheke.com kam keine Reaktion. Heinrich Meyer, Chefapotheker bei Sanicare, gestand ein, dass die Abgabe „pflichtwidrig“ gewesen sei. Auch Aponeo reagierte auf die Anfrage. Hartmut Deiwick, kaufmännischer Leiter der Versandapotheke, sah keine Probleme mit der Bestellmenge. Fest steht: Gegen die Arzneimittelverschreibungsverordnung ­(AMVV) haben die Versender nicht verstoßen. Denn in der Anlage 1 der AMVV stehen zwar Höchstgrenzen, bis zu denen Präparate rezeptfrei abgegeben werden dürfen. Allerdings gilt: Diese Angaben beziehen sich lediglich auf die Höchstmengen einzelner Packungen, nicht aber auf die insgesamt abgegebene Wirkstoffmenge in mehreren Einzelpackungen.

Allerdings haben die Versandapotheken gegen eine andere wichtige Regel verstoßen: die in der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) etablierte ­Beratungspflicht (§ 20 ApBetrO). Mit der Novellierung der Apothekenbetriebsordnung im Jahr 2012 wandelte sich die zuvor bestehende „passive” Beratungspflicht von Internet- und Versandapotheken in eine „aktive” Hinweis- und Nachfragepflicht. Eigentlich bedeutet das, dass sie jeden Kunden bei jeder Arzneimittelbestellung kontaktieren müssen. |

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