Arzneimittel und Therapie

Vorläufige Entwarnung für Liraglutid und Co.

Brustkrebsrisiko relativiert sich bei Langzeitanwendung

Frühere randomisierte Studien wiesen auf ein möglicherweise erhöhtes Risiko für Brustkrebs nach Anwendung des GLP-1-Analogons Liraglutid hin. Nun hat sich auch eine populationsbasierte Kohortenstudie mit dieser Problematik befasst. Diese sieht kein erhöhtes Brustkrebsrisiko von GLP-1-Analoga im direkten Vergleich zur Therapie mit DPP-4-Inhibitoren.

Kanadische Forscher des Center for Clinical Epidemiology, Jewish General Hospital, Montreal, haben hierfür insgesamt 44.984 Frauen mit Typ-2-Diabetes im Alter von ≥ 40 Jahren im Mittel 3,5 Jahre lang beobachtet [1]. Als Vergleichstherapie zu den GLP-1-Analoga Exenatid (Byetta®), Liraglutid (Victoza®) und Lixisenatid (Lyxumia®, in Deutschland nicht mehr im Handel), allein oder in Kombination mit anderen blutzuckersenkenden Therapeutika, dienten die Dipeptidylpeptidase-4(DDP-4)-Inhibitoren Sitagliptin (Januvia®), Vildagliptin (Galvus®, in Deutschland nicht mehr im Markt) und Saxagliptin (Onglyza®), ebenfalls allein oder in Kombination.

Insgesamt zeigte sich, dass die Behandlung mit GLP-1-Analoga im Vergleich zu DDP-4-Inhibitoren nicht mit einem erhöhten Brustkrebsrisiko assoziiert war (4,4 vs. 3,4 pro 1000 Personenjahre; Hazard Ratio [HR] 1,40). In Sekundäranalysen wird jedoch darauf hingewiesen, dass eine zwei bis drei Jahre dauernde Therapie mit GLP-1-Analoga zunächst mit einem erhöhten Risiko für Brustkrebs einhergeht (HR 2,66), eine längere Anwendung hingegen dieses wieder relativiert (HR 0,98). Eine tiefergehende Untersuchung dieser „Dauer-Effekt“-Assoziation ist jedoch mit der geringen Anzahl der für die Analyse einbezogenen Patientinnen (498 mit GLP-1-Analoga und 2422 mit DPP-4-Inhibitoren von insgesamt 44.984 Frauen) sowie aufgrund der insgesamt geringen Inzidenz an Brustkrebsfällen nicht möglich.

Möglicherweise ist der Zusammenhang zwischen Anwendungsdauer und Brustkrebsrisiko bei einer Nutzung von zwei bis drei Jahren auf eine verbesserte Erkennung der Knoten zurückzuführen, nachdem eine entsprechende Gewichtsreduktion erzielt werden konnte, so die Autoren der Studie.

Zweifel bleiben

Obwohl die Analyse für patientenindividuelle Risikofaktoren, wie erhöhtes Gewicht oder Hormonbehandlung, angepasst wurde, verbleibt ein Restrisiko für andere Störgrößen. Für Beobachtungsstudien gilt, dass diese anfällig sind für „confounding by indication“, da hier möglicherweise nur Frauen mit sehr geringem Brustkrebsrisiko für die Behandlung mit GLP-1-Analoga ausgewählt wurden [2]. Weitere Studien sind daher notwendig, um das tatsächliche Brustkrebsrisiko zu bestimmen. Bis dahin gilt weiterhin, dass der Anwendung von GLP-1-Analoga eine patientenspezifische Nutzen-Risiko-Analyse vorangehen sollte. |

Quellen

[1] Hicks BM, et al. Glucagon-like peptide-1 analogues and risk of breast cancer in women with type 2 diabetes: population based cohort study using the UK Clinical Practice Research Datalink. BMJ 2016;355:i5340

[2] Bolen SD, et al. Glucagon-like peptide-1 receptor agonists and risk of breast cancer. BMJ 2016;355:i5519

Apotheker Dr. André Said

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